Alternativen mit Aussichten

Um mögliche Lösungen für die von Klimawandel und von Konsumentenwünschen geprägten Herausforderungen der Backwarenbranche ging es beim jüngsten Getreidetechnologietag am Campus Wels der Fachhochschule OÖ. Alternative Pflanzen wie Sorghum oder Lupinen spielen dabei eine Rolle.

Sorghum ähnelt in seiner Kulturführung dem Mais. Mit Auftreten des Maiswurzelbohrers in Österreich und dessen Auswirkungen ist auch das Interesse vieler Landwirte an Sorghum geweckt worden.

Auf der einen Seite beeinflusst der Klimawandel die Rohstoffproduktion, am anderen Ende steht der vermehrte Wunsch von Konsumenten nach gesunden und zugleich umweltfreundlichen Lebensmitteln. Alternative Pflanzen, Kreislaufwirtschaft und Digitalisierung wurden bei dem Fachtag von Experten als Stellschrauben genannt, an denen dazu gedreht werden könne.

Mit Körnerhirse dem Klimawandel begegnen

An der Universität für Bodenkultur (BOKU) in Wien setzen die Forscher auf Sorghum gegen Klimasorgen. Sorghum ist eine trocken- und hitzeresistente Getreideart, die in Österreich aufgrund der runden Kornform und der Verwendbarkeit als Körnerhirse bezeichnet wird. „Sorghum hat im Zeichen des Klimawandels großes Zukunftspotenzial. Für die Landwirtschaft liegen die Hektarerträge auf kargen, sandigen Böden deutlich über dem des Weizens“, so Alfred Mar vom Institut für Lebensmitteltechnologie. Im Projekt „Klimatech“ sei die Mahlfähigkeit und Backfähigkeit beim Zumischen zu Weizenmehlen bestätigt worden. „Besonders bei Feinbackwaren wurden Qualitäten erzielt, die hohen Ansprüchen gerecht werden“, betonte Mar. Weltweit betrachtet ist die Körnerhirse das Getreide mit der fünftgrößten Anbaufläche. In Österreich solle Sorghum den Weizen nicht verdrängen, sondern als ergänzende Zutat die gewohnten Teig- und Backeigenschaften erhalten, erläuterte Mar.
Über das ungeahnte Potenzial der Körnerfrucht Lupine informierte Heinz Oberndorfer von der Welser HTL für Lebensmitteltechnologie. Diese wurde einst „Wolfsblume“ genannt, weil man ihr bodennährstoffraubende Attribute nachsagte. „Doch eigentlich ist der Schmetterlingsblütler sogar ein Bodenverbesserer, da dieser mit Hilfe von Knöllchenbakterien Luftstickstoff binden kann“, betonte Oberndorfer.

Quelle: Foto: agrarfoto.com
Zum Kosten: Brownies mit Lupinenmehl

Körnerfrucht mit Potenzial: Glutenfrei backen mit Lupine

Heute werde sie oft als „Sojabohne aus dem Mühlviertel“ bezeichnet, da sie einen ähnlich hohen Eiweißgehalt bei geringerem Fettanteil besitzt. „Dank intensiver Züchtung konnte der in den Lupinen vorkommende Alkaloid-Gehalt soweit reduziert werden, dass die Pflanze künftig für die menschliche Ernährung ein attraktiver Rohstoff sein kann“, so der Experte, der zum Verkosten gleich glutenfreie Brownies aus Lupinenmehl mitgebracht hatte.

„Schwarze Soldatenfliege“: Tierfutter und vielseitiges Öl

Das Institut für Lebensmitteltechnologie und Ernährung der Fachhochschule Wels forscht unter anderem mit der „Schwarzen Soldatenfliege“ als Rohstofflieferanten. Ihre Larven liefern hochwertiges Protein, Öl und verwertbares Substrat. Studiengangsleiter Otmar Höglinger schilderte, wie gemeinsam mit der Firma „Insektianer“ aus dem Protein der Larven nachhaltiges Aquakultur- und Tierfutter produziert wird. „Auch das Öl ist vielseitig einsetzbar, in der Kosmetik, in der Pharmaproduktion und in der Kraftstofferzeugung“, sagte Höglinger. Das Substrat werde zum hochwertigen Dünger. „Gemeinsam forschen wir an der richtigen Roh- und Nährstoffzusammensetzung“, so Höglinger. Als Futterquelle für die Larven selbst würden organische Reststoffe wie Biomüll, Treber, Pilzmyzel oder Altbrot dienen. So werde vermeintlicher Abfall in einen neuen Kreislauf eingeführt.
Auch das Um- und Neugestalten von Prozessen in der Lebensmittelindustrie kann zu mehr Nachhaltigkeit führen. Höglinger berichtete von einem Beispiel in der Zuckerrübenverarbeitung mit „Morgentau Biogemüse“, wo Produktionsschritte und Abfallströme deutlich reduziert wurden. So entstandenes Zuckerrübenpüree und Zuckerrübenpulver sei vielseitig einsatzfähig, wie praktische und sensorische Tests von Süßgebäck in Form von Kipferln und Brioche gezeigt hätten.
Michael Beitl vom Unternehmen „Kern Tec“ stellte sein Geschäftsmodell vor – das Verarbeiten von Obstkernen von Kirschen, Marillen und vielen anderen Kernobstsorten. Kern Tec macht daraus Öl, Mehl, Aufstrichen oder ein pures Produkt als Nuss­alternative. „Neben dem nussigen Geschmack erreichen wir so auch immense Wassereinsparungen und einen deutlich reduzierten CO2-Fußabdruck“, schilderte der Gründer und ließ die Teilnehmer durch sein Sortiment kosten.
Sandra Flammer setzt mit „Kornelia Urkorn“ auf alte Getreidesorten und bietet diese als Frischteig, Vollkornmehl und Reis an. „Wer auf Weizen verzichten möchte, hat mit den Vorfahren unserer heutigen Getreidesorten wie zum Beispiel Einkorn eine echte Alternative“, sagte die Unternehmerin. In der Diskussion wurde klar, dass Urkorn noch ein Nischenprodukt ist und es noch mehr Konsumentenaufklärung braucht.

Technologietag:

Der Getreidetechnologietag ist eine Kooperationsveranstaltung des Lebensmittel-Clusters Oberösterreich, des Lebensmittel Clusters Niederösterreich und der HTL für Lebensmitteltechnologie Wels. Alle zwei Jahre stehen bei diesem Branchentreffen aktuelle und zukunftsträchtige Themen im Zentrum. Der nächste Getreidetechnologietag findet 2024 statt.

- Bildquellen -

  • Brownies: Foto: agrarfoto.com
  • Körnerhirse: Foto: agrarfoto.com
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