EU-Agrarreform: GAP 2023 Vor Ampelschaltung auf Grün

Nach monatelangen, zähen Verhandlungen sollen sich EU-Parlament, die Agrarminister der EU-27 und die Kommission in den vergangenen Stunden weitgehend auf die Eckpunkte der seit mehr als zwei Jahren intensiv diskutierten Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik geeinigt haben.

Laut EU-Agrarkommissar Janusz Wojciechowski steht man in Brüssel kurz vor dem Durchbruch bei der Gemeinsamen Agrarpolitik 2023. Bereits am Montag, 28. Juni 2021, könnte die Abstimmung zur Beschlussfassung erfolgen.

“Wir sind näher als je zuvor an einem guten Kompromiss”, das twitterte EU-Agrarkommissar Janusz Wojciechowski am heutigen Freitagvormittag (25. Juni 2021). Demnach haben die EU-Unterhändler vergangene Nacht, noch unter portugiesischer Ratspräsidentschaft, offenbar bei den zentralen, lange umstrittenen Punkten den ersehnten Durchbruch erzielt. Laut Wojciechowski seien “bei den meisten heiklen Themen” große Fortschritte erzielt worden. Die Verhandlungen wurden den ganzen Tag über fortgesetzt.

25 Prozent der ersten Säule für Öko-Programme

„Eco-Schemes“, also Öko-Programme als das zentrale Element der Reform, sollen Europas Landwirten künftig Anreize für freiwillig durchgeführte, umwelt- und klimafreundliche Produktionsmethoden geben. 25 Prozent (%) des Agrarbudgets sollen ab 2023 dafür zweckgebunden werden. Werden die EU-Gelder national nicht vollständig, aber zumindest zu 20 % ausgeschöpft, dürfen die EU-Mitgliedstaaten den verbleibenden Rest in den ersten zwei „Lernjahren“ auf die Basisprämie draufschlagen oder in Umweltprogramme der zweiten Säule stecken. Ab 2025 müssen sie diese EU-Mittel vollständig für die Öko-Programme ausgeben. EU-Mitgliedstaaten, die sich besonders für Umweltprogramme in der zweiten Säule der GAP engagieren, dürfen das Mindestbudget für die Eco-Schemes von 25 % auch dann noch unterschreiten.

Vier Prozent Naturschutz-Stilllegung

Geeinigt haben sich die Verhandler auch auf einen weiteren umstrittenen Punkt, nämlich bei der Brache auf Ackerflächen zwecks Förderung der Artenvielfalt. Die Bauern müssen mindestens 4 % ihrer Äcker für den Naturschutz stilllegen. Säen sie darüber hinaus auf 4 % ihrer Felder Zwischenfrüchte und Leguminosen für den Naturschutz, müssen sie nur 3 % der Flächen stilllegen. Landwirte mit 75 % Grünland-Flächen müssen die Naturschutz-Auflage auf Äckern nicht erfüllen.

Soziale Konditionalität

Insidern zufolge müssten künftig auch mindestens 10 % der EU-Agrargelder der ersten Säule auf kleinere Betriebe umverteilt werden; alternativ können die Mitgliedstaaten Kappung und/oder Degression anwenden. Und vorerst freiwillig, ab 2025 verpflichtend, sollen Agrarförderungen auch an die Einhaltung sozialer Rechte von Landarbeitern und Erntehelfern (Soziale Konditionalität“) gebunden werden.

Köstinger: “Wir werden zustimmen”

Heute, Freitag, verhandelt man in Brüssel noch über die EU-Marktordnung und die Verwaltung der GAP-Reform. Am Montag wollen sich die EU-Agrarminister auf das endgültige Verhandlungsergebnis verständigen, auch das Europaparlament und die EU-Mitgliedstaaten müssen dem Ergebnis des Trilogs formell erst seinen Segen geben.

Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger erklärte in einem ersten Statement: „Es war wirklich höchste Zeit für diese Einigung. Unsere Bäuerinnen und Bauern brauchen Planungssicherheit für die kommenden Jahre. Es braucht diese GAP-Reform, um die Landwirtschaft zukunftsfit und klimafit zu machen.“ Die 25 Prozent-Öko-Regelung bei den Direktzahlungen seien ein Meilenstein, denn in vielen Mitgliedsstaaten gebe es einen großen Nachholbedarf bezüglich Klima- und Umweltleistungen. „Wir haben in Österreich gezeigt, dass Umwelt- und Klimaschutz und Landwirtschaft keine Widersprüche sind.“ Künftig werden mehr als 72 Milliarden Euro bei den Direktzahlungen für Klima- und Umweltleistungen zweckgewidmet.
An Österreich werde es am Montag bei der Abstimmung der Mitgliedsstaaten nicht scheitern, so Köstinger: „Wir werden der nun am Tisch liegenden Einigung zustimmen. Nachdem die Verhandlungen vor einigen Wochen nach einem Marathon gescheitert sind, war dies das letzte verbliebene Zeitfenster.“

Schmiedtbauer: “Es wurde ein guter Kompromiss erzielt”

Auch laut Simone Schmiedtbauer, EU-Abgeordnete des Bauernbundes, wurde quasi in letzter Minute „ein guter Kompromiss erzielt”. Die Steirerin ließ wissen: “Die Gemeinsame EU-Agrarpolitik wird grüner und bleibt wirtschaftlich.” Österreichs Umweltprogramme bleiben erhalten, Vorleistungen der heimischen Bauern werden honoriert. „Die neue GAP sichert unsere flächendeckende landwirtschaftliche Produktion weiter ab.“ Österreich könne mit dieser Paketlösung sein Agrarumweltprogramm ÖPUL, die Ausgleichszulage für die Bergbäuerinnen und Bergbauern und Betriebe in anderen benachteiligten Gebieten oder die Förderungen für Investitionen und Jungbauern weiter beibehalten. „Andererseits bilden die Direktzahlungen der ersten Säule weiterhin einen enorm wichtigen Stabilitätsfaktor für unsere Familienbetriebe“.
Als „Kuhhandel“ bezeichnete Schmiedtbauer die Einigung auf die 25 Prozent Zweckbindung bei den Ökoregelungen: „Wichtig ist, dass die geforderten Klima- und Umweltschutzleistungen erbracht werden, nicht aus welchem Fördertopf sie bestritten werden.”
Generell bedeute die Einigung auf die neue GAP ab 2023 bis 2027 den Geldfluss von 270 Milliarden Euro. Eigentlich hätte die Agrarreform bereits heuer starten sollen, wegen fehlender Kompromissbereitschaft in den Verhandlungen wurde eine zweijährige Übergangsphase eingeräumt. Die genaue Verteilung der Agrarförderungen in Österreich ab 2023 ist dagegen noch offen, am nationale GAP-Strategieplan wird nach wie vor gefeilt.

EU-Grüne und Umweltverbände haben bereits Widerstand angekündigt, ihnen gehen die agrarpolitischen Maßnahmen für Umwelt- und Klimaschutz erwartungsgemäß zu wenig weit.

BERNHARD WEBER

- Bildquellen -

  • W GAP Final F Europäische Union: Europäische Union / Zucchi Enzo
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AUTORH.M.
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