Flaches Land, weite Felder und Windräder prägen die Landschaft von Mecklenburg-Vorpommern und beschreiben dessen landwirtschaftliche Struktur: Von insgesamt 638 Betrieben bewirtschaften 52 Betriebe jeweils über 1000 Hektar (ha) Land – und somit 42 Prozent der gesamten Agrarfläche. Wer hier ein „kleiner“ Bauer mit „nur“ 400 ha ist, muss kreativ werden.
Vor der Wende – nach der Wende
Weil Mecklenburg-Vorpommern zur ehemaligen DDR zählt, war nicht nur bei den Stadtbesichtigungen von Leipzig, Stralsund, Wismar und Schwerin der Unterschied „vor der Wende“ und „nach der Wende“ ein Thema, sondern auch auf den landwirtschaftlichen Betrieben. In DDR-Zeiten wurden die Bauern zu „Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften“ (LPG) zusammengeschlossen. Nach der Wiedervereinigung und damit der Auflösung dieser Genossenschaften funktionierte die Zurückführung der Grundstücke mehr schlecht als recht. Der Großteil sind heute Pachtflächen. Die Eigentümer leben meist auswärts, weil die Grundstücke nach der Wende als Finanzanlage gekauft oder geerbt wurden. Großindustrielle konnten Flächen erwerben bzw. pachten und somit eigene große Betriebe gründen.
Einen Einblick in einen Großbetrieb bekam die Gruppe in der Agrarproduktionsgesellschaft Lübesse, einer GenmbH mit 100 Gesellschaftern, die aus einer LPG entstand. Deren Größenordnung faszinierte: 1000 Milchkühe, 2200 ha landwirtschaftliche Nutzfläche, 300.000 Hähnchen-Mastplätze, eigene Tankstelle, Pkw-Werkstatt und Biogasanlage. Allein die Dachfläche des zentralen Standortes beträgt 4,5 ha, die wiederum für Solarenergie vermietet wird.
Tourismus als zusätzliches Einkommen
Wer nicht mit Größe punkten kann, sucht Nischen – wobei auch „Größe“ ein relativer Begriff ist. „Ich bin ein kleiner Bauer“, erzählt etwa Jan-Thomas Lange, alias „Bauer Lange“, der 414 ha Agrarfläche bewirtschaftet. Der Landwirt auf der Insel Rügen setzt auf seine Marketingstrategie eines Erlebnis-Bauernhofes mit Projekten wie „Junior-Bauer“, wo mit Kindern Brot gebacken, Tiere gefüttert werden und Butter hergestellt wird, sowie auf Events wie Spanferkel- oder Spargelessen und auf die Vermietung von Ferienwohnungen. In der Bio-Erzeugergemeinschaft „Landwert“ vis-a-vis der Insel leben Rinder in Freilandhaltung auf 680 ha. Eine eigene Metzgerei am Hof bewirkt kurze Transportwege und weniger Stress für die Tiere, was wiederum mit besserer Fleischqualität vermarktet wird. Für Pferdezüchter Neubauer dient der Tourismus als zusätzliche Einnahmequelle. Neben seiner Pferde-, Schaf- und Ziegenzucht kutschiert er mit seinem Sohn auf der autofreien Insel Hiddensee Touristen umher, was auch die Reisegruppe erleben durfte.
Matjes und Backsteingotik
Kulturell hat das Land an der Ostsee auch abseits der Strände und Leuchttürme vieles zu bieten. Dem kühlen Ostseewind trotzend bewunderte die Gruppe die Backsteingebäude der Hansestädte sowie die prächtige Bä-derarchitektur in Binz, spazierte durch das malerische Schwerin und hörte sich den Werdegang und das Mönchsleben vom Münster Bad Doberan an.
Und überall begegnete die Gruppe den „Matjes“, wie die verarbeiteten Heringe bezeichnet werden: Sei es als Jause beim Bauern Lange, als Brötchen während der Kutschenfahrt oder beim Schlendern am Hafen von Warnemünster. Und wer noch nicht genug hatte, konnte sich auch beim letzten Halt in Hamburg noch ein Matjesbrötchen genehmigen.