„Ich kann nichts verkaufen, was Kunden nicht kennen“

Bedeutet Billa Plus ein Billa Minus für die Bauern? Marcel Haraszti im Exklusiv-Gespräch mit der BauernZeitung.

Marcel Haraszti, Vorstandsvorsitzender von Billa, im Exklusiv-Gespräch mit der BauernZeitung. Foto: Trend Wolfgang Wolak / Verlagsgruppe News / picturedesk.com

BauernZeitung: Aus Merkur wird im April „Billa Plus“. Viele Bauern und Verarbeiter von deren Produkten – Ihre Lieferanten – beobachten das mit gemischten Gefühlen. Man kennt das aus dem Möbel- oder Elektrohandel: Rund um neue Geschäfte oder Fusionen werden preisaggressive Lockangebote abgefeuert. Bedeutet Billa Plus für die Konsumenten ein Billa Minus für die Bauern?
Haraszti: Nein. Wir haben gesagt, dass wir als Marken-Familie mit Billa und Billa Plus einfacher werden, um ein Plus für alle zu haben. Und dieses Plus gilt auch für Österreichs Landwirtschaft. Noch im Mai wird es auch bei Billa Plus Frischfleisch von Pute, Huhn, Rind und Schwein zu 100 Prozent aus Österreich geben. Vor allem bei Pute sind wir der einzige Lebensmittelhändler, der sich hierzu und zu den im EU-Vergleich sehr hohen Tierwohlstandards der heimischen Produzenten bekennt. Nicht zuletzt durch diese unterschiedlichen Wettbewerbsbedingungen ist ja der Selbstversorgungsgrad bei Putenfleisch hierzulande seit dem EU-Beitritt kontinuierlich auf unter 40 Prozent gesunken. Unsere neue Strategie bewirkt erstmalig eine Trendumkehr. Aktuell werden wieder neue Produktionskapazitäten geschaffen.

In Zahlen heißt das konkret?
Jede zweite heimische Pute geht aktuell an uns. Gegenüber 2019 erhöht sich die gemeinsame Abnahmemenge jetzt um 150 Prozent.

In der Frischfleisch-Theke gilt Ihre 100 Prozent Österreich-Garantie seit einem Jahr. Ist diese nun gefährdet?
Nein. Und wir legen noch was für die Bio-Landwirtschaft obendrauf, indem wir für alle unsere 1.100 Märkte die Kaisersemmeln auf Bio umstellen. Das sind immerhin 100 Millionen Stück pro Jahr. Für diese liefern uns heimische Bio-Landwirte jährlich 7.000 Tonnen Getreide. Ein Plus für unsere Kunden und ein wichtiges Signal für den Bio-Getreidebau in Österreich.

Nochmal zurück zu den Aktionen …
Natürlich wird es weiterhin Preisangebote geben. Rund um die Umstellung auch verstärkt, da wir ja unsere Kunden überzeugen wollen, sich Billa Plus anzusehen und wiederzukommen. Das ist nicht automatisch zum Nachteil für die Bäuerinnen und Bauern – weder als Kunden noch als Landwirte. Wir werden jetzt Aktionen machen, aber nicht zulasten unserer Partner. Wir investieren in den Kunden-Vorteil. Ich möchte grundsätzlich klarstellen: Unsere Aktionen haben einen Nutzen. Sie werden breit beworben und schaffen so für österreichische Produkte Aufmerksamkeit. Zum Beispiel für Qualitäts-Frischfleisch. Aktionen sind ein Anreiz für Kunden, diese Qualität einmal auszuprobieren, auf den Geschmack zu kommen. Um immer öfter nach dieser zu greifen, was ja auch im Sinn der heimischen Landwirtschaft ist. Ich kann nichts verkaufen, was Kunden nicht kennen.

Der Lebensmittelhandel zählt unbestritten zu den Profiteuren der Pandemie-Krise, wie viele direktvermarktende Landwirte. Hat die Landwirtschaft im vergangenen Jahr auch über die LEH-Schiene gewonnen?
Ich werde mich sicher nicht beklagen. Unseren Zuwächsen stehen aber auch krisenbedingte Kosten in beträchtlicher, zweistelliger Millionen-Höhe gegenüber. Mengenmäßig hat der LEH 2020 im Food-Bereich um 5,1 Prozent zugelegt – mit sehr unterschiedlicher Entwicklung. In manchen haben wir zugelegt, in manchen deutlich verloren. Bei Gebäck um minus 10 Prozent, etwa durch das weggebrochene Jausengeschäft. Zugelegt haben wir – mit Effekten für die heimische Landwirtschaft – bei Milchprodukten um 6,5 Prozent, bei Gemüse um 12,5 Prozent – hier hängen die Effekte für heimische Landwirte von der übers Jahr unterschiedlichen saisonalen Verfügbarkeit der Ware ab – und bei Fleisch um 9,7 Prozent. Das hat die Ausfälle durch den Wegfall von Gastronomie, Hotellerie und Exporte für unsere Partner ein wenig abgemildert.

Macht sich der oft beschworene Trend in Sachen Regionalität konkret im Billa-Sortiment bemerkbar?
Wir setzen seit Jahren auf nachhaltige Partnerschaften mit heimischen Landwirten und haben von 900 kleinen und kleinsten Lieferanten nicht weniger als 9.000 regionale, lokale Spezialitäten im Sortiment – Tendenz steigend. Und wir werden unseren Kunden künftig noch mehr davon bieten. Als Rewe Group nehmen wir jedes Jahr heimische Agrarprodukte um mehrere Milliarden Euro ab, alleine bei Billa um 2,5 Milliarden.

Wie groß ist der Österreich-Anteil im Billa-Sortiment – und hat sich dieser zuletzt auffällig verändert?
In den wesentlichen Produktgruppen 100 Prozent: bei Frischmilch, frischen Eiern, Brot und Gebäck – bis auf einige wenige Spezialitäten – oder bei Frischfleisch. Bei Obst und Gemüse liegt er mit mehr als 160.000 Tonnen, die wir unseren Bauern jedes Jahre abnehmen, saisonal unterschiedlich und in normalen Erntejahren bei rund 55 Prozent. Auch hier forcieren wir, wo es geht, heimische Produkte und unterstützen Regionalinitiativen.

Es heißt, Rewe verstärkt den Trend zu Eigenmarken, im Biobereich also mit noch mehr „Ja! Natürlich“ und andere Billa-Biomarken, auf Kosten etwa von „Alnatura“. Profitieren auch die heimischen Bauern davon?
Ja. Bei Ja! Natürlich haben wir einen Österreich-Anteil von 80 Prozent. Hofstädter-Frischfleisch von Rind, Schwein, Huhn und Pute sowie die Hofstädter-Wurstwaren sind alle aus Österreich. Für unsere Regio-Marke „Da komm´ ich her“, die mit rund 250 Produkten zuletzt um 9 Prozent zulegen konnte, beliefern uns etwa 60 heimische Produzenten. Und auch bei unseren anderen Eigenmarken haben wir sehr viele Produkte aus Österreich, die wir in den Vordergrund stellen, um die Nachfrage weiter zu beleben.

Wie steht es eigentlich um den vor zwei Jahren abgeschlossenen Fairness-Pakt mit den Bauern und den Lebensmittelerzeugern. Stand die Rewe-Gruppe seither schon einmal am Pranger?
Wir sind grundsätzlich immer bemüht, für alle Fragestellungen gemeinsam mit unseren Partnern in der Landwirtschaft zu Lösungen zu kommen. Ich sehe daher auch das Fairness-Abkommen, das wir gemeinsam mit unseren Branchen-Kollegen als freiwillige Selbstverpflichtung unterschrieben haben, nicht als Einrichtung, wo jemand an den Pranger gestellt werden soll, sondern als Instrument, um dort Lösungen zu finden, wo es zusätzlichen Gesprächsbedarf gibt. Das kann in Ausnahmefällen passieren, trotz zahlreicher Verhaltensleitfäden, Compliance Richtlinien und laufenden umfassenden Schulungen unserer Mitarbeiter. Auf beiden Seiten arbeiten Menschen.

Zur Person:
Mag. Marcel Haraszti (46) steht seit 2017 als Vorstandsvorsitzender an der Spitze der Österreich-Tochter von Rewe. 2001 startete er dort als Trainee, später arbeitete er für den Konzern auch in der Ukraine, in Rumänien, im Baltikum und bei Rewe Süd in Bayern. Seine Eltern flüchteten 1956 vor den Kommunsten aus Ungarn. Der verheiratete Vater zweier Kinder kommt mit maximal sechs Stunden Schlaf aus.

Interview: Bernhard Weber

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