BauernZeitung: Was sollte man Sie derzeit am besten nicht fragen?
Reinhard Wolf: So eine Frage gibt es nicht, weil es mir rundum gut geht, nicht nur persönlich, sondern weil es auch in unserem Unternehmen gut läuft. Ich gehöre nicht zu den Nörglern, sondern zu jenen, die die Welt trotz allem positiv sehen, etwa dass binnen neun Monaten Impfstoffe gegen Covid entwickelt wurden. Dass diese nicht prompt für alle zur Verfügung stehen, ist normal und war zu erwarten.
Wie hat sich die Pandemie auf die Geschäfte der RWA ausgewirkt?
Da gibt es kein einheitliches Bild. Wir haben Geschäftsbereiche, die sind trotz Corona ziemlich neutral verlaufen, dazu gehört auch die Sparte Agrar. Manches wie Haus und Garten sind sogar besser gelaufen, viele haben statt in einen Urlaub in ihr persönliches Umfeld investiert. Energie ist ebenfalls besser gelaufen, auch durch Bevorratung. Einbrüche hatten wir durch den Lockdown bei der Landtechnik, aber hier rechnen wir heuer mit einem Aufholeffekt dank der Covid-Investprämie. Schwer erwischt hat es dagegen unsere Beteiligungen bei Fruchtsaftkonzentraten oder Kartoffeln wegen fehlenden Absatzes in der Gastronomie. Aber da geht es uns wie Coca Cola oder Heinecken. Wenn McDonald’s über Wochen geschlossen hat, können wir ihm keine Pommes zuliefern.
Ohne Ihrer Bilanz im Mai vorgreifen zu wollen – aber ein neuerliches Rekordergebnis geht sich vermutlich nicht aus?
Nein, aber unser Ergebnis wird auf Plan sein, und das ist aus den genannten Umständen sehr zufriedenstellend.
Worauf liegt derzeit Ihr Fokus?
Im Bereich Agrar mit Expansion im Ausland, wo wir zuletzt mit unseren Niederlassungen 450 Mio. Euro Umsatz gemacht haben. In Österreich haben wir gerade die Mehrheit an der BayWa-Vorarlberg übernommen, für unseren Verbund ein wichtiger Arrondierungsschritt. Und für mich zentral ist auch die Digitalisierung in ihrer vollen Breite. Die Pandemie hat uns ja gezeigt, wie digital auch unsere Kunden längst geworden sind.
Sind strukturelle Änderungen geplant?
Nein, die RWA ist als Mischkonzern gut aufgestellt. Ich sehe unsere Ausrichtung bis 2030 eher „evolutionär statt revolutionär“.
Der US-Landtechnikkonzern John Deere hat schon jetzt seine Teilnahme an der Agritechnica im November wegen Covid gecancelt. Dauert die Pandemie länger, als uns lieb ist?
Unternehmen wie John Deere sind sehr sicherheitsorientiert, „Safety first“ steht bei diesen auf jedem Schild. Das ist ein Wahrnehmen einer Verantwortung. Ich traue mir auch keine Prognose dazu abzugeben. Heuer eine weltweite Messe abzuhalten, würde ich mich auch nicht trauen. Auch wir werden heuer bis zum Sommer, wenn überhaupt, nur kleinere Veranstaltungen oder Sitzungen nur hybrid und kaum mit physischer Präsenz durchführen. Generell gilt bei uns „Testen, testen, testen.“ Wir waren unter den Ersten mit einer eigenen Teststraße im Unternehmen, alle Mitarbeiter werden seit Langem zweimal wöchentlich getestet, wer kann, ist im Homeoffice. Das gehört für mich zur staatsbürgerlichen Verantwortung als Unternehmensführer. Vielleicht können wir ab Herbst wieder etwas mehr Leute zu uns oder zu RWA-Veranstaltungen einladen.
Generell hört man, dass das Geschäft mit Landtechnik derzeit brummt. Können Sie das bestätigen?
Das hängt mit der Investitionsprämie zusammen und trifft auch auf viele andere Branchen zu. Mit dieser Maßnahme macht unsere Regierung etwas sehr Wichtiges sehr gut. Und generell spüren wir bei der Landtechnik den Trend zu größeren Maschinen und zur ressourcenschonenden Digitalisierung.
Ohne Corona wäre vermutlich der Brexit das dominierende Wirtschaftsthema. Spüren Sie bereits negative Auswirkungen?
Noch nicht, aber das kann noch kommen. Wir haben uns jedenfalls gut darauf vorbereitet.
Es gibt derzeit in allen Ländern Quarantänebestimmungen und unterschiedliche Regeln – wie behält man da als international tätiges Handelshaus den Überblick?
Wir schlängeln uns irgendwie durch. In der Slowakei gilt neuerdings eine 30 Kilometer-Distanz zur Grenze. Wer weiter weg wohnt, darf nicht nach Österreich ausreisen. Zudem ist neuerdings der Güterverkehr beeinträchtigt. An Polens Grenzen stauen sich LKW mit Dünger, weil die Fahrer nicht auf Corona getestet sind. Das war beim ersten Lockdown vor einem Jahr anders. Die EU muss daher darauf drängen, dass der Güterverkehr nicht stocken darf.
Welchen Wandel durchlebt Ihr Geschäft durch die Krise?
Der Transport wird derzeit immer teurer, die Containerkosten sind explodiert. China produziert und Europa und die USA kaufen dort, als gäbe es kein Morgen. So weit zu unserer Lernkurve betreffend „wir werden jetzt alle regional“. Nicht nur an den Grenzen, auch in den Häfen staut es sich wegen Covid. Manches wird nicht verfügbar sein, anderes wird sicher teurer. Ich meine hier etwa Werkzeug oder Konsumgüter.
Auch Agrargüter oder Betriebsmittel für die Landwirtschaft?
Nein, diese kommen in der Regel nicht aus China.
Welchen Wandel durchlebt speziell das Agrargeschäft durch die Krise, auch durch die erzwungene Digitalisierung?
Einen ähnlichen wie die andere Wirtschaft auch. Die Digitalisierung schreitet mit einem enormen Tempo voran und betrifft viele Bereiche, nicht nur Traktoren oder Farmmanagementsysteme, auch alle Altersschichten. 74-jährige Landwirte sind im Netz, sie nutzen wie ihre Enkel Computer, Apps oder Zoom und vieles mehr. Und es funktioniert. Die Digitalisierung hat uns alle bisher auch gut durch die Pandemie geholfen.
Mit welchen Lagerhaus-Service-Angeboten halten Sie heuer vor allem die Bauern als Kunden bei Laune?
Wir sind per se eine Serviceorganisation und unser Angebot ist enorm vielfältig. Aber als Beispiel nehme ich unser Projekt „Zukunft Erde“, das Landwirten ermöglicht, nachhaltig aufgebauten Humus in regionale, freie CO2-Zertifikate umzuwandeln. Auch unsere digitalen Beratungsofferte in Form von Webinaren werden sensationell angenommen. Oder unser „Onfarming“-Portal für landwirtschaftliche Betriebe.
Die RWA ist im Herbst in die neugebaute Zentrale in Korneuburg übersiedelt. Vorerst herrscht hier wie überall Lockdown. Wie viele Mitarbeiter sind im Homeoffice?
Nicht jeder kann ins Homeoffice, etwa unsere vielen Lagermitarbeiter. Von denen, die können, arbeitet die Hälfte daheim. Für alle anderen gilt Testen, Abstand halten, Maske tragen. Wir sind bisher damit gut gefahren, ohne Cluster, dank extrem hoher Sorgfalt und Flexibilität und Einsatzbereitschaft unserer Mitarbeiter.
Wann rechnen Sie hier mit Vollbetrieb ohne Einschränkungen? 2022, 2023 – oder überhaupt nie mehr?
Ich rechne erst 2022 wieder mit halbwegs Normalität. Anwesenheiten, auch die Meeting- und Reisekultur werden sich verändern. Wir werden vermutlich langfristig eine höhere Homeoffice-Quote als ohnehin geplant beibehalten. Manches wird anders bleiben. Aber das ist auch ganz gut so.
Was „kann“ der neue Campus?
Er liefert Synergien und ist ein „best place to work“ für unsere Mitarbeiter mit vielen Benefits sowie Weiterbildungsmöglichkeiten, dazu innovativste Technologien und das ganze vor dem Hintergrund einer modernen zentralen Anlaufstelle für alle Lagerhäuser. Schauen Sie sich um, unser neues Haus ist ein Statement, aber nicht protzig.
Ist Korneuburg damit nun endgültig die heimliche Lagerhaus-Hauptstadt Österreichs?
Wir hatten hier einfach beste Voraussetzungen nahe bei Wien vorgefunden, wir haben aber auch noch andere tolle Standorte in Traun oder Aschach in Oberösterreich oder in Lannach in der Steiermark, um nur einige zu nennen.
Die RWA investiert auch in Start-ups. Wie vielversprechend sind diese?
Über unsere Investfirma sind wir derzeit an mehreren Start-ups beteiligt, etwa an BartParts, einer Vertriebsplattform für schwer absetzbare Ersatzteile, die sich bestens entwickelt, oder Evologic Technologies zur Herstellung von Mykorrhiza-Pilzen, um mit diesen mittels Saatgutinkrustierung das Wurzelwachstum und damit die Düngeraufnahme von Pflanzen zu fördern. Und über „efriends“ forcieren wir seit dem Vorjahr die Produktion und Verteilung von regional produziertem Solarstrom. Und was mich besonders freut: über diese Start-ups haben wir auch viele gute junge Leute in die RWA bekommen. Das gehört auch zum Kulturwandel, den wir gerade vollziehen.
Bernhard Weber