Egal, ob im Stall Tiere zum Produzieren von Milch, Ei oder Fleisch gehalten oder draußen Äcker und Felder bestellt werden: „Landwirtschaft hat immer mit Eingriffen in die Natur zu tun“, sagt Agrarlandesrat Max Hiegelsberger. Die Zusammenhänge sind jedoch sehr komplex. Nicht nur aus fachlicher, sondern auch aus ethischer Sicht: „Vielen Konfliktthemen zwischen Landwirtschaft und Gesellschaft, ob Tierhaltung oder Pflanzenschutz, liegen ethische Fragestellungen zugrunde. Dürfen wir überhaupt Tiere nutzen und wenn ja, unter welchen Umständen? Wie gehen wir mit der Natur als Ganzes um und welche Verantwortung ist mit dem täglichen Einkauf verbunden? Darüber müssen wir verstärkt ins Gespräch kommen“, so Hiegelsberger.
In der Praxis steht die Landwirtschaft vor großen Herausforderungen. Die Tatsache, dass das gesellschaftliche Wissen darüber gering, die Erwartungen aber groß sind, schafft ein zusätzliches Spannungsfeld. Kommunikation ist hier der Schlüssel, der Abhilfe schaffen kann. Davon überzeugt ist Christian Dürnberger vom Messerli Forschungsinstitut, das an der Universität für Veterinärmedizin Wien angesiedelt ist. Der aus Oberösterreich stammende Philosoph und Kommunikationswissenschafter beschäftigt sich mit dem Thema „Ethik in der Landwirtschaft“. „Bauer sein ist heute ein anderer Beruf als in Zeiten unserer Großeltern“, sagt Dürnberger. Damit spricht er die Notwendigkeit an, auch in gesellschaftlichen Debatten zum Thema Umwelt, Preise, Einkommen oder Ernährungssouveränität Rede und Antwort zu stehen und aktive Kommunikation in Richtung Konsumenten zu betreiben.
Die erste Generation, die Landwirtschaft erklären muss
„Wir sind vielleicht die erste Generation, die Landwirtschaft erklären muss“, sagt Dürnberger im Hinblick auf die „entfremdete Gesellschaft“, die kaum mehr einen Bezug zur Landwirtschaft und damit auch Wissen darüber hat. Gefragt sei jeder einzelne Landwirt – und nicht nur übergeordnete Institutionen mit gezielten Kampagnen. „Es macht einen Unterschied, ob ein Bürger einen Landwirt persönlich kennt oder nicht. Auch wenn man damit weniger Menschen erreicht. Diejenigen, die man erreicht, erreicht man dafür auch nachhaltig“, sagt Dürnberger. Im persönlichen Gespräch könne Vertrauen als Grundstein der Kommunikation einfacher vermittelt werden. „Dafür braucht es den Dialog, in dem ich nicht von oben herab belehre, auch wenn ich als Landwirt derjenige bin, der mehr über Landwirtschaft weiß“, betont Dürnberger. Er empfiehlt außerdem, nicht nur Zahlen und Daten zu vermitteln, sondern immer auch eigene Wertvorstellungen zum Thema zu machen.
Eine gute Kommunikation zwischen Bauernschaft und Bevölkerung ist auch Agrarlandesrat und Bauernbund-Landesobmann Hiegelsberger wichtig. Schließlich habe sich auch im
Zuge des Strategieprozesses „Zukunft Landwirtschaft 2030“ deutlich gezeigt, dass dies ein Grundanliegen quer über alle Branchen ist. „Zu oft wird aneinander vorbeigeredet oder nicht kommuniziert, was Bauern und Gesellschaft bewegt“, meint Hiegelsberger.
Eine Landwirtschaft, aber verschieden wahrgenommen
Die heimische Landwirtschaft werde unterschiedlich wahrgenommen. In vielen Bereichen ist sie etwa näher an der gesellschaftlichen „Wunschvorstellung“ als in anderen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union – etwa bei Kleinstrukturiertheit, Tierhaltungsstandards oder Bio-Anteil. „Die Bäuerinnen und Bauern nehmen die schärfere Regulierung des Agrarsektors in Österreich sehr bewusst wahr. Es herrscht das Gefühl vor, sich bereits nach der Decke zu strecken“, sagt Hiegelsberger. Umso größer sei das Unverständnis, wenn in der medialen Diskussion noch weitaus höhere Anforderungen an die landwirtschaftliche Bewirtschaftung gestellt werden. Und natürlich auch, wenn ein „Tierwohl“ eingefordert wird, das der Konsument an der Theke dann doch nicht bereit ist zu zahlen.
„Bauern müssen mehr und mehr das Wort ergreifen“, fordert Dürnberger. Er verweis darauf, dass die Zukunft der Landwirtschaft ein „gesamtgesellschaftliches Projekt“ ist und nur über gemeinsames Reden und Nachdenken über die Landwirtschaft gelingen kann. Bauern sollten sich dessen bewusst sein, dass sie dabei eine wichtige Rolle einnehmen.
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- DSC 8279: BZ/Mursch-Edlmayr