Wie geht es den heimischen Rindermästern? Wo liegen deren größte Herausforderungen?
Habermann: Die heimischen Rindermäster kämpfen derzeit mit großen Herausforderungen am Markt. Die Preise sind seit Jahresbeginn um 50 Cent pro Kilogramm Schlachtgewicht gefallen, das sind circa 200 Euro pro Stier. Gleichzeitig sind die Kälberpreise um 60 Cent gestiegen, das heißt, die Deckungsbeiträge bewegen sich derzeit Richtung null.
Dazu kommt, dass derzeit die einheitlichen Betriebsprämien jedes Jahr um 20 Prozent sinken, was zu einem weiteren Einkommensrückgang führt.
Österreich ist mit 150 Prozent Eigenversorgung auf Exporte angewiesen. Durch das hohe Preisniveau in Österreich war es im März und April aber fast unmöglich, Exportmärkte – im Besonderen in unseren Hauptabnahmeländern Deutschland und Italien – zu bedienen. Vor allem in Italien wurden wir durch billiges Fleisch aus Polen ersetzt. Dadurch ist es in den vergangenen beiden Monaten zu längeren Wartezeiten in der Vermarktung gekommen.
Im Kälberbereich machen den Mästern die hohen Preise zu schaffen. Diese entstehen hauptsächlich durch den Kälber- und Fresserexport tschechischer und italienischer Firmen Richtung Türkei. Mit der steigenden Nachfrage bewegt sich auch das Preisniveau nach oben.
Wie schätzen Sie die weitere Entwicklung ein?
Habermann: Das Jahr 2016 wird für die Rindfleischproduktion in Summe ein sehr schwieriges bleiben. Der Preis liegt derzeit deutlich unter dem Vorjahr und auch wenn die Preise im Herbst traditionell steigen, wird der Jahresdurchschnitt wesentlich unter dem Vorjahr bleiben. Zusammen mit den hohen Kälberpreisen wird sich die Einkommenssituation erneut verschlechtern.
Eine leichte Entspannung der Marktsituation wäre möglich, wenn es gelingt, in der anlaufenden Grillsaison Rindfleisch in der Gastronomie besser zu positionieren. Von entscheidender Bedeutung wäre zudem, wenn die Exporte von Rindfleisch in die Türkei verstärkt werden könnten. Das würde den europäischen Preis und Markt entlasten.
Was bedeutet das für die Rinderbäuerinnen und -bauern?
Habermann: Wenn man die Produktion der vergangenen sieben bis acht Jahre verfolgt, so ist in Österreich eine laufend rückläufige Produktion zu beobachten. Neueinsteiger gibt es kaum und auch die Investitionen in die Rindfleischproduktion sind aufgrund der schlechten Einkommenssituation fast zum Stillstand gekommen. Im Jahr 2016 wird sich dieser Trend weiter fortsetzen.
Wie können die betroffenen Landwirtinnen und Landwirte reagieren?
Habermann: Aus der Betriebszweigauswertung wird ersichtlich, dass zwischen den einzelnen Betrieben Spannen im Deckungsbeitrag von bis zu 200 Euro bestehen. Die Produktion weiter zu optimieren ist daher ein erster Schritt.
Dazu sollten die Betriebe darauf achten, dass die Schlachtgewichte nicht zu hoch werden. Denn in diesem Fall wird es zusehends stärkere Abzüge am Markt geben.
Seit längerer Zeit ist zu beobachten, dass die Monate April, Mai und Juni in der Vermarktung besonders herausfordernd sind. In der Betriebsplanung sollte dies berücksichtigt werden, damit in dieser Zeit weniger Schlachtrinder anfallen.
Welche Maßnahmen setzt die NÖ Rinderbörse, um die Betriebe zu unterstützen?
Habermann: Die Rinderbörse sieht zwei Ansätze. Einerseits ist es wichtig, den Markt zu entlasten. Seitens der Genossenschaft wurde und wird Geld in die Hand genommen, um beispielsweise Schlachtrinder nach Deutschland zu vermarkten.
Andererseits sehen wir Chancen in der Forcierung von Markenprogrammen im Inland, um in der Gastronomie nicht Marktanteile zu verlieren. Dazu kommt, dass bereits 20 Prozent aller Mahlzeiten außer Haus (Kantinen) verzehrt werden. Auch hier können die Markenprogramme verkaufsfördernd sein. Das Land Niederösterreich hat in diesem Bereich eine Vorreiterrolle übernommen und wird in ihrem Zuständigkeitsbereich freiwillig die Herkunft von Fleisch und Eiern kennzeichnen. Das Qualitätsverbesserungsprogramm Qplus soll ebenfalls die Einkommenssituation der Rindermäster verbessern. Weiters versuchen wir auch in der Mengensteuerung im Rahmen unserer Möglichkeiten einzugreifen, um Druck vom Markt zu nehmen.
In Gesprächen mit dem Lebensmittelhandel wurden zudem Rindfleischaktionen vereinbart, die zur Entlastung der Märkte beigetragen.
Welche Wünsche haben Sie dazu an die Agrarpolitik?
Habermann: Der Anteil an der Verpflegung Außer-Haus steigt ständig, wie diverse Studien belegen. Hier sehe ich das größte Potenzial für einen zusätzlichen Markt. Die verpflichtende Herkunftskennzeichnung muss daher vorangetrieben werden, damit österreichische Erzeugnisse auch bei der Verpflegung am Arbeitsplatz erkennbar sind.
Mit politischer Unterstützung von Exportinitiativen muss zudem hochpreisiges österreichisches Rindfleisch noch stärker positioniert werden.
Nicht zuletzt ist darauf zu achten, dass bei den laufenden Verhandlungen zu Freihandelsabkommen (beispielsweise TTIP) Rindfleisch als sensibles Produkt eingestuft wird und einen dementsprechenden Außenschutz genießt.