Anton Wagner, Obmann der Zentralen Arbeitsgemeinschaft Österreichischer Rinderzüchter (ZAR) zu aktuellen Herausforderungen in der Rinderzucht und erläutert richtungweisende Zielsetzungen.
Die Situation im Zuchtrinderbereich im laufenden Jahr 2016 gilt als schwierig. Worin bestehen diese Schwierigkeiten?
Anton Wagner: Schwierigkeiten bestehen vor allem aufgrund der Situation im Bereich Tiergesundheit – Thema Blauzungenkrankheit und Thema Schmallenberg-Virus. Das sind Störfaktoren für die Märkte. Für beide Problembereiche arbeiten wir intensiv an Lösungen.
Zu den Lösungen gehört auch eine Impfstrategie. Ist das zielführend?
Wagner: In der Sperrzone ist die Impfung jedenfalls erforderlich, um Tiere aus der Zone heraus verbringen zu können. Ansonsten empfehlen wir, mit Rücksicht auf den Absatzmarkt selektiv zu impfen. Momentan nimmt die Türkei keine geimpften Tiere. Wir versuchen derzeit, die Veterinärzeugnisse anzupassen, damit auch geimpfte Tiere lieferfähig sind. Für alle anderen Märkte wird eine Impfung im Zeitraum bis Herbst 2016 notwendig sein. Wir gehen davon aus, dass die Krankheit im Sommer über Österreich hinwegzieht. Auch auf dem Nutzkälbermarkt brauchen wir geimpfte Mütter, damit die Kälber durch Antikörper geschützt sind.
Wie ist die Situation beim Schmallenbergvirus?
Wagner: Auch hier gilt, nur negativ getestete Tiere sind frei zum Export. Die Situation ist vor allem in der wärmeren Jahreszeit ernst, bis zu fünfzig Prozent der Tiere sind dann positiv. Jetzt über den Winter ist die Situation etwas entspannter.
Welche Bedeutung hat in der aktuellen Situation der Inlandsmarkt?
Wagner: Das Verhältnis Exportmarkt zu Inlandsmarkt beim Zuchtvieh beträgt derzeit etwa 60 zu 40. Die spannende Situation am Inlandsmarkt ist vor allem der Milchmarkt. Die derzeit schwachen Milchpreise sind existenzbedrohend und hemmen auch den Zuchtviehmarkt. Einen Lösungsansatz bei der Milch sehe ich in der Produktdifferenzierung, beispielsweise mit Bio- oder Heumilch. Zur Verteidigung des Heimmarktes fordern ZAR und Jungzüchter, dass in den Ausschreibungen bei der Bundesbeschaffungsgesellschaft Richtung Spitäler, Seniorenheime und Bundesheer vor allem heimische Produkte zum Zug kommen. Wichtig für den Inlandsmarkt sind auch die Qualitätsankaufsbeihilfen, die in einzelnen Bundesländern gewährt werden. Damit gelingt es, die besten Zuchttiere im Land zu halten, damit die heimischen Betriebe ihr Leistungsniveau verbessern können.
Wie läuft derzeit der Export?
Wagner: Neben den Herausforderungen auf der Veterinärseite kämpfen wir hier auch mit finanziellen Störfaktoren – allen voran durch Währungsabwertungen und durch den niedrigen Ölpreis. Das hemmt die Kaufkraft in wichtigen Zielländern, wie beispielsweise Algerien, das für uns ein Markt von großer Bedeutung ist. Auch im traditionell wichtigen Markt Italien gibt es Schwächen bei der Zahlungssicherheit. Die Kunden wären da, wir sind guter Hoffnung, bei einer Entspannung der Währungssituation wieder besser ins Geschäft zu kommen. Wichtig im Export ist für uns die politische Unterstützung. Wirklich positiv zu erwähnen ist die Exportoffensive des Landwirtschaftsministers und die Einrichtung der neuen Exportservicestelle durch das Landwirtschafts- und das Wirtschaftsministerium.
Zum wichtigsten Abnehmer hat sich im Vorjahr die Türkei entwickelt. Wie ist hier die Situation?
Wagner: Die Türkei ist unser wichtigster Zuchtviehmarkt. Unsere Rinderrassen, vor allem Fleckvieh als Zweinutzungsrasse, bewähren sich auf diesem Markt sehr gut. Auch die erzielbaren Preise sind akzeptabel. Derzeit befindet sich in der nordosttürkischen Provinz Kars ein türkisch-österreichisches Rinderprojekt im Aufbau, für das EU-Mittel aus dem Vorbeitrittsprogramm Ipard bereitstehen. Das Gesamtprojekt sieht etwa 5000 Importtiere vor. Die Lieferungen könnten im Mai des heurigen Jahres beginnen. Wichtig für den Erfolg des Projekts ist vor allem eine vertrauensvolle Zusammenarbeit. ZAR und Genetic Austria stehen hierfür mit allen Kräften bereit. Daneben sind aber auch kleinere Märkte wie Polen, Irland oder Serbien wichtig. Interesse besteht auch aus Albanien und Kroatien. Ein neuer Hoffnungsmarkt, um den wir uns bemühen, ist der Iran. In Summe exportieren wir jährlich rund 25.000 Tiere. Das bringt unseren Rinderzüchtern ein Zusatzeinkommen von rund 50 Millionen Euro, ein Zusatzeinkommen, das unverzichtbar ist, davon bin ich überzeugt.
Sie haben angekündigt, bei der ordentlichen Generalversammlung der ZAR am 31. März ihr Amt als Obmann zu übergeben. Was geben Sie den Zuchtbetrieben mit auf den künftigen Weg?
Wagner: Das ist zuerst mein Einsatz für einen nachhaltigen Export, der in ein dauerhaftes Regelwerk mit unseren Kunden münden soll, das langfristig Bestand hat. Wir stellen unseren Kunden nicht nur die Tiere in den Stall, wir kümmern uns auch darum, dass sie den erwarteten Erfolg erreichen können. Das festigt die Kundenbeziehung. Das Ziel ist, neben Milch und Mast die Zucht als dritte Säule der Grünlandbetriebe fest zu verankern. Mit dieser breiten Aufstellung, gegebenenfalls auch in Vernetzung mit dem Tourismus, werden unsere bäuerlichen Familienbetriebe dem in Zukunft stärkeren Marktdruck gewiss standhalten.
Zur Person: Engagierter Züchter
Anton Wagner (64) ist seit dem Jahr 2005 Obmann der ZAR. Wagner führt einen Braunvieh-Zuchtbetrieb in der Gemeinde Sonntagberg (NÖ), den er von sieben Tieren zu einem 100 Kuh-Betrieb entwickelt hat. Wagner kann als engagierter Vertreter der heimischen Rinderzucht auf einen stetigen Aufwärtstrend in der Zuchttiervermarktung verweisen. Seit Juli 2010 leitet er als Obmann zudem den Austrian Agricultural Cluster (AAC), der Betrieben aus dem heimischen Agrarsektor beim internationalen Markteinstieg zur Seite steht.