Knapp 40 Jahre trennen den Obmann der Altbauern Johann Schuster vom Obmann der Jungbauern Leonhard Gmeiner. Wie sich das Denken der Bauern geändert hat, was Bäuerlichkeit heißt und ob man besser Bauer oder Farmer sein sollte: Darüber sprechen die beiden im BZ-Interview.
Die Situation in der Landwirtschaft ist derzeit nicht einfach. Herr Schuster, sind die Zeiten für Bäuerinnen und Bauern schwieriger geworden?
SCHUSTER: Das glaube ich wohl. Das Verständnis für die Landwirtschaft ist anders als früher. Unsere jungen Bauern sind gut ausgebildet, denken sehr viel betriebswirtschaftlich und handeln zielorientiert. Wenn sich Dinge nicht rechnen, wechseln sie oder lassen die Landwirtschaft bleiben. Früher hat man durchgetaucht. Wir müssen deshalb offen sein für neue Entwicklungen wie etwa Green Care. Damit lassen sich vorhandene Gebäude und die Ausbildung der Jungen nützen, um die Höfe zu erhalten.
Herr Gmeiner, rechnen die Jungen mehr oder geben sie zu schnell auf?
GMEINER: Sie gehen oft einem anderen Beruf nach, bevor es zur Hofübernahme kommt. Da stellt sich dann schon die Frage, ob man diesen Schritt wagt. Natürlich ist es wichtig, dass die Höfe erhalten bleiben. Das Stichwort ist Diversifizierung. Ob man seine Produkte veredelt, um eine höhere Wertschöpfung zu erzielen, an Vermietung denkt oder in den Nebenerwerb geht. Das was dir taugt, musst du machen. Denn darin bist du gut.
Diversifizierung kannte man früher nicht in der Form. Worauf hat man in Ihrer Jugend gesetzt Herr Schuster?
SCHUSTER: Der Begriff der Bäuerlichkeit war groß geschrieben und darin war die Beziehung zwischen den Menschen eingebettet. Ein Zeichen dafür ist die Hausbank, die heute noch jungen Ehepaaren geschenkt wird. Sie bedeutet: “Wenn ihr Zeit habt, setzt euch nieder.” Mit den vielen Medien heutzutage hat man keine Ruhe mehr. Das Verständnis der jungen Bauern darf durchaus ein wenig anders sein als früher. Aber die Bäuerlichkeit sollten wir uns erhalten – die Ökonomie, die Ökologie und die Ehrfurcht vor dem Lebensmittel. Das sollte uns als Bauern vom Farmer unterscheiden.
Sind die Jungen nur mehr Farmer?
GMEINER: Die jungen Bäuerinnen und Bauern sind natürlich in der Moderne angekommen. Damit wir Erfolg haben, müssen wir mit den Veränderungen mithalten – und manchmal Farmer sein schadet nicht. Aber das Bäuerliche, das Zwischenmenschliche ist natürlich auch uns wichtig.
Die Hausbank hat also Platz?
GMEINER: Ja, sicher – ob aus Holz oder aus einem anderen Material. Und wenn dazwischen einmal das Handy läutet, macht das auch nichts.
Stichwort Hofübergabe. Viele Höfe finden keinen Nachfolger. Liegt das am Übergeber oder am Übernehmer?
SCHUSTER: Darüber habe ich mir viele Gedanken gemacht. Eine Bäuerin hat mir damals die Antwort gegeben: “Ihr verlangt für den Jungen eine Bäuerin. Ihr müsst aber zufrieden sein, wenn er eine Frau bekommt.” Man muss Veränderung in der Familiengestaltung zulassen.
GMEINER: Ich erlebe es oft, dass die Übergabe spät erfolgt. Spätestens der Pensionsantritt muss die Zeit der Übergabe sein. Als junger Mensch will man verändern. Von den Übergebern braucht es Vertrauen, damit die Übernehmer den Betrieb nach ihren Ideen ausrichten können.
Junge Menschen sind oft wenig motiviert, in die Politik zu gehen. Wer soll die Landwirte dann vertreten?
GMEINER: Uns Jungbauern trifft es doppelt. Wir werden zahlenmäßig weniger und leben in einer spezialisierten Welt, in die Menschen außerhalb der Landwirtschaft nur wenig Einblick haben. Von solchen werden dann Gesetze gemacht, wo es einem oft die Haare aufstellt. Wir müssen uns selbst engagieren, das gilt auch im Bauernbund.
SCHUSTER: Wenn wir nicht selbst bereit sind, unsere Anliegen zu vertreten, wer soll es dann machen? Nur jammern und anderen die Schuld geben, ist nicht die Lösung. Der Bauernbund war früher beinahe Evangelium für die Bauern, das ist heute durch viele Einflüsse anders. Eine große Herausforderung wird in der Frage liegen: Für wen oder welche Betriebsgröße macht der Bauernbund in Zukunft Politik? Da werden wir uns im Aufgabenfeld aufsplitten müssen
Wo wird der Weg der Landwirtschaft hingehen?
GMEINER: Es gibt kein Patentrezept. Suchen wir uns ein Produkt, eine Wirtschaftsweise, die uns taugt und darin sind wir gut. An dem müssen wir die Politik ausrichten und neue Ideen fördern. Nicht unbedingt monetär, sondern ein Umfeld schaffen, in dem die Ideen reifen können.
SCHUSTER: In der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg galt es zu produzieren. Leopold Figl hat den Bäuerinnen und Bauern geschrieben: “Kein Quadratmeter Boden darf unbebaut bleiben”. Was würden wir heute schreiben? – Wir brauchen mehr Ehrfurcht vor den Lebensmitteln. Wir müssen das Lebensmittel in den Mittelpunkt rücken als beinahe etwas Heiliges. Und die Betriebsgröße darf keine Rolle für den Weg der Landwirtschaft spielen.
Abschließend: Was kann die ältere Generation von der jüngeren lernen und umgekehrt?
SCHUSTER: Die Vergangenheit können wir nicht mehr ändern. Die Gestaltung und das Morgen hat die Jugend in der Hand. Der Mut, den die Jugend heute hat, wäre oft ein guter Begleiter auch für die ältere Generation.
GMEINER: Die Erfahrung der Älteren gilt es zu nutzen – und dann gemeinsam mit etwas jugendlichem Leichtsinn Ideen entwickeln und um-setzen.
Aktiv für die Jung- und die Altbauern
Die oberösterreichischen Jungbauern und Altbauern sind zwei Sektionen des OÖ Bauernbundes.
Leonhard Gmeiner (35) ist seit März 2016 Landesobmann der Jungbauern. Gmeiner bewirtschaftet gemeinsam mit seiner Frau und seinen Eltern einen Weinbau- und Ackerbaubetrieb in Weinzierl bei Perg. Der dreifache Vater ist auch selbstständiger Verkaufsberater im Bereich Heizung/Klima mit Schwerpunkt Erneuerbare Energien.
Johann Schuster (73) ist seit April 2009 Landesobmann der Altbauern. Von 1983 bis 1999 war Schuster Abgeordneter zum Nationalrat. Er war außerdem als Vizebürgermeister und Gemeinderat in Wartberg ob der Aist politisch aktiv. Gemeinsam mit seiner Frau hat er einen gemischten landwirtschaftlichen Betrieb mit Milchvieh und Mast bewirtschaftet, den nun sein Sohn Kurt gemeinsam mit seiner Frau Sabine als Mutterkuh-Betrieb weiterführt.