Frau Norz, in welcher Form können sich Frauen am Land aktiv einbringen?
NORZ: Die beruflichen und ehrenamtlichen Aufgaben am Land waren und sind sehr vielfältig. Und damit auch die Möglichkeiten für Frauen, sich aktiv einzubringen. Es war auch früher immer schon so, dass sich Frauen in verschiedensten Bereichen engagiert haben – nur waren diese Tätigkeiten für die Gesellschaft wenig sichtbar. Das trifft auch heute noch teilweise zu.
Mir ist wichtig, dass Frauen nicht „nur“ aufgrund ihres Geschlechts in den sozialen Bereich gedrängt werden. Je nach persönlichen Stärken jeder einzelnen Frau findet jede ihren Platz, z. B. in der Wirtschaft und in verschiedenen verantwortungsvollen „durchführenden“ Berufen. Diese Einstellung sollte auch in der Gemeindepolitik vertreten werden. In der Vergangenheit wurden viele Wege geebnet. Diese gilt es nun auch zu gehen.
Welche „unsichtbaren“ Aufgaben übernehmen Frauen etwa?
Es braucht jede Art von Engagement, sowohl im kleinen als auch im großen Umfeld. Besonders wertschätzen sollten wir die Arbeit, die im Hintergrund passiert – im familiären Kreis etwa die Betreuung von Kindern, älteren Menschen und Kranken. Früher gehörte es zum traditionellen Rollenbild der Frau, diese Aufgaben zu übernehmen – doch selbstverständlich ist das nicht. Diese „unsichtbare“ Basis ist der Kitt unserer Gesellschaft.
Wichtig ist, dieses weibliche Engagement auch sichtbar zu machen. Denn jede Frau gilt als Beispiel für die jüngere Generation.
Worin sehen Sie die He-rausforderungen, die das Engagement einschränken können?
Vor allem das enge zeitliche Korsett, das Familie und Beruf mit sich bringt, schränkt viele Frauen in gewissen Lebensphasen ein.
Ich sehe das persönliche (zeitintensive) Engagement heute auch gefährdet durch einen „egozentrischen“ Lebensstil, der eher zunimmt. Eine Mischung aus überbordender „work-life balance“ und einem übertrieben eigennützigen Denken unter dem Motto „was nützt es mir oder was hat das mit mir zu tun“. Gleichzeitig gibt es für immer mehr (junge) Menschen einen Rückzug in eine virtuelle Scheinwelt. Reale Erfahrungen stehen in ständiger Konkurrenz mit digitalen – mit allen Gefahren der Manipulation. Und viele kommen erst gar nicht ins reale Tun und Umsetzen, sie leben zu intensiv ein virtuelles Leben. Die verfügbare Zeit wäre heute im Großen und Ganzen eher da, als früher, glaube ich.
Das gilt auch für das allgemeine und politische Engagement (junger) Frauen. Die sprichwörtliche gläserne Decke sehe ich nicht in diesem Ausmaß, wie sie gerne herbeigeredet wird. Alle Menschen, die „das Wollen“, die Fähigkeiten und die Ausdauer mitbringen und ebenso teamfähig sind, finden viele Möglichkeiten und offene Türen. Und meist gibt es auch Lebensphasen, in denen es etwas leichter ist, Zeit für solches Engagement zu finden.
Wichtig ist es auch, die Hilfsmöglichkeiten zu nutzen, die heutzutage zur Verfügung stehen, etwa bei der Care-Arbeit. Ansonsten kann es zu einer Überbelastung kommen.
Der Weltlandfrauentag ist am 15. Oktober, einen Tag vor dem Welternährungstag am 16. Oktober. Das Datum ist bewusst gewählt, da Frauen am Land einen großen Anteil an der Ernährungssouveränität tragen.
Seit jeher haben sich Frauen in der Versorgungsarbeit stark eingebracht, in vielen Entwicklungsländern übernehmen Frauen auch heute noch den Großteil dieser Arbeit. In Österreich wird jeder dritte Betrieb von einer Frau geführt. Tirol bildet hier eine Ausnahme, im bundesweiten Vergleich werden viel weniger landwirtschaftliche Betriebe „offiziell“ von Frauen geführt. Ich weiß nicht, ob es an der Einstellung und an der Orientierung am klassischen Rollenbild liegt. Ich glaube, dass der Anteil „betriebsführender“ Bäuerinnen langsam steigen wird. Aufgrund der insgesamt geringeren Kinderanzahl – auch auf Höfen – gibt es nicht überall Söhne, die übernehmen wollen oder können. Und es wird wohl öfter „übernehmungswillige“ Töchter geben. Ob Betriebsführerin oder nicht: Bäuerinnen tragen erheblich zum wirtschaftlichen Wohl des Hofes bei. Daher ist es nur fair, wenn ihr Einsatz sichtbar gemacht und anerkannt wird.
Für die Zukunft der Ernährungssicherheit ist es entscheidend, dass wir unsere eigene Produktionsfähigkeit in der Landwirtschaft erhalten. Stichwort zunehmende Importabhängigkeit.
Wie unterstützt Forum Land Frauen im ländlichen Raum?
Forum Land war immer schon offen gegenüber dem weiblichen Engagement und dem gemeinschaftlichen Gestalten von Männern und Frauen. Es geht ja gar nicht anders – nur durch ein gutes Miteinander kann man gemeinsam arbeiten.
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