Was machen wir nur mit den Altreifen?

Die wesentlichen Bestandteile eines Reifens: Gummi, Reifendraht und Textilfasern.

Jedes Jahr werden weltweit geschätzt 1,6 Mrd. neue Reifen verkauft, was mehr als 26 Mio. Tonnen entspricht. Ebenso viele sollen in der Kategorie der Altreifen (ELT) anfallen. Diese können neben der thermischen auch der stofflichen Verwertung zugeführt werden.

Recyceltes Gummigranulat aus alten Reifen kann ein Sekundärrohstoff für eine große Bandbreite an Produkten sein. Die Verwendung trägt dazu bei, die Kreislaufwirtschaft zu fördern, Abfälle zu vermeiden, Ressourcen zu schonen und CO2-Emissionen zu reduzieren. So soll jede Tonne Altreifen, die stofflich verwertet (und nicht verbrannt wird) 700 kg CO2-Emissionen einsparen, so New Live. Laut dieser Plattform von Unternehmen, die Sekundärrohstoffe aus ELT aufbereiten oder aus diesen Recyclingderivaten Produkte herstellen, läuft der Recyclingprozess mehrstufig ab: Am Anfang steht eine Sichtprüfung der Altreifen, die nicht mehr wiederverwendet oder runderneuert werden können. Für die stoffliche Verwertung geeignete Reifen werden in ihre ursprünglichen Bestandteile zerlegt: rund 75 Prozent Gummi, rund 15 Prozent Reifendraht und etwa zehn Prozent Textilfaser. Darauf werden die Altreifen von einem Schredder in handtellergroße Stücke zerrissen. Anschließend zerkleinern Messer das robuste Rohmaterial so stark, dass mit Hilfe von Magneten der Reifendraht entfernt werden kann. Erst danach gehen die Gummichips in die sogenannte Feingranulierung. Hier entsteht das Gummigranulat, das in verschiedenen Qualitäten und Körnungen hergestellt werden kann. 

Carbon Recovery

Laut New Life fallen in Deutschland alljährlich rund 583.000 Tonnen Altreifen an, wobei aktuell rund 240.000 Tonnen stofflich verwertet werden. In Österreich werden jährlich ca. 50.000 Tonnen Altreifen jeder Art gesammelt. Die KIAS-Recyclinganlage – das oberösterreichische Unternehmen ist auch Partner in dem Netzwerk AZuR “Allianz Zukunft Reifen” – hat nach eigenen Angaben eine Verarbeitungskapazität von 30.000 Tonnen Altreifen pro Jahr, aus denen bis zu 18.000 Tonnen Gummigranulat bzw. bis zu 6.000 Tonnen Gummimehl produziert werden können. In die Medien geschafft hat es Christian Konvalina mit dem Start-up „Carbon Recovery“ und seiner Pilotanlage in Traiskirchen. Laut dem auf der Finanzierungsplattform Conda einsehbaren Businessplan sollen mit Pyrolyse, also der thermisch-chemischen Spaltung unter Sauerstoffausschluss, aus Altreifen(granulaten) wertvolle und marktfähige Kohlenstoffe, nämlich Gas, Öl und fester Kohlenstoff wiedergewonnen werden. „Carbon Recovery ist schon mehrere längere und erfolgreiche Testläufe gefahren, die Reach-Produktzertifizierung haben wir erfolgreich und teuer erledigt, wir sind gerade dabei, das Blockheizkraftwerk zu übergeben und die Energieversorgung und Einspeisung abzuwickeln“ , so Konvalina. Das Ganze sei in Zeiten wie diesen abwicklungsmäßig der „ultimative Horror“. Nachhaltigkeit liebe zwar jeder, das Umfeld dafür sei noch nicht geschaffen. „Aber – wir schaffen das!“, zeigt sich Konvalina überzeugt.

Es wird nicht leichter

Die Rahmenbedingungen für Produkte auf Basis von Altreifen werden zukünftig wohl noch schwieriger werden als sie jetzt schon sind. Zusätzlich zur Mikroplastikproblematik könnten etwa im Hinblick auf PAK niedrigere Gehaltsgrenzen und ein europäisches harmonisiertes Prüfverfahren für die Konzentrationsmessung dieser Schadstoffe kommen. Letzteres Verfahren würde höhere Gehalte liefern als mit den aktuellen Methoden. „Entsprechend würden einige Anwendungen entfallen oder einer signifikanten Absenkung des Rezyklatanteils bedürfen“, schreibt das deutsche Umweltbundesamt in seinem Abschlussbericht 2022 „Evaluation der Erfassung und Verwertung ausgewählter Abfallströme zur Fortentwicklung der Kreislaufwirtschaft“ zu der PAK-Problematik. Ebenso ist dort allerdings zu lesen: „Nach aktuellem Stand der Forschung scheint von Altreifenrezyklat und daraus hergestellten Erzeugnissen im Hinblick auf Migration und Emission von gesundheitsgefährdenden Stoffen keine signifikante Gefährdung für Mensch und Umwelt auszugehen.“ Die größten Potenziale für eine Ausweitung der stofflichen Verwertung von Altreifen sieht das Amt übrigens in granulat- und feinmehlbasierten Anwendungen, im Straßenbau und in der Runderneuerung.

BlackCycle
Das EU-Projekt BlackCycle zielt darauf ab, eine vollständige Wertschöpfungskette von ELT-Rohstoffen bis hin zu Sekundärrohstoffen zu schaffen und zu optimieren, und zwar ohne Ressourcenverschwendung in irgendeinem Teil der Kette und mit besonderem Augenmerk auf die Umweltauswirkungen. Die Sekundärrohstoffe sollen verwendet werden, um neue PKW- und LKW-Reifenreihen zu entwickeln, die dann auf europäischen und globalen Märkten kommerziell verkauft werden. Das Projekt mit einem Gesamtbudget von 15,9 Mio. Euro läuft planmäßig noch bis Ende April 2023.

- Bildquellen -

  • NEW LIFE PM 08 22 Gummigranulat ELT Abbildung 1: New Life
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AUTORMichael Stockinger
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