Selten ist das Auftreten von Agrarpolitikern und Bauernvertretern so hoch wie Anfang Jänner, wenn der Berliner Funkturm weithin in grünem Licht erstrahlt. Besonders beachtet wurde heuer der Auftritt des neuen EU-Agrarkommissars Janusz Wojciechowski, der sich (nicht ganz) unerwartet gegen geplante Einschnitte im EU-Agrarbudget für 2021 bis 2027 aussprach – und damit die bisherigen Brüsseler Haushaltspläne konterkariert. Der von der neuen Kommissionschefin Ursula von der Leyen verfolgte „Green Deal“ könne von den EU-Bauern nur unter der Voraussetzung eines entsprechenden Budgets mitgetragen werden, so der gebürtige Pole. Er forderte für die künftige EU-Agrarpolitik ein „innovatives Leistungsmodell“, das den einzelnen Mitgliedstaaten Freiräume für gezielte Maßnahmen im jeweiligen Land einräumt.
Bauern brauchen praktikable Rahmenbedingungen
Wojciechowskis Beharren auf der Beibehaltung der EU-Agrarausgaben auf bisherigem Niveau, statt Kürzungen um bis zu 15 Prozent oder viele Millionen Euro, wurde auch von Österreichs Agrarpolitikern, die an die Spree gereist waren, mit besonderem Wohlwollen vernommen, allen voran von Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger, Bauernbundpräsident Georg Strasser und LK-Chef Josef Moosbrugger. Für alle drei sind die angekündigten Kürzungen in der 2. Säule der GAP bekanntlich „absolut inakzeptabel, um weiterhin eine flächendeckende Landwirtschaft garantieren zu können“, wie Köstinger einmal mehr betonte. Sollte es dennoch zu Kürzungen kommen, werden diese in Österreich laut dem neuen, türkis-grünen Regierungsprogramm jedenfalls ausgeglichen. Man werde Österreichs überwiegend noch bäuerliche Familienbetriebe weiterhin schützen. Auch böten das Umweltprogramm ÖPUL wie auch die höchste Bio-Förderung beste strategische Voraussetzungen für den Green Deal der EU-Kommission mit geplanten verpflichtenden Umwelt- und Klimaschutzmaßnahmen. Moosbruggers Appell, nicht nur an Brüssel, galt der Wettbewerbsfähigkeit innerhalb der EU, die man nicht aus den Augen verlieren dürfte. Die Schere zwischen Anforderungen und Abgeltung dürfe nicht weiter auseinanderklaffen, um besonders kleine Betriebe nicht zu gefährden. „Wir brauchen klare, praktikable Rahmenbedingungen.“ Zusätzliche Maßnahmen hinsichtlich Umwelt- und Klimaschutz dürften nicht zulasten jener Mitgliedstaaten gehen, die schon bisher Vorreiter waren. Moosbrugger forderte zudem ein Bekenntnis zu regionalen Lebensmitteln mittels klarer Herkunftsdeklaration ein. „Klar hat das auch seinen Preis. Wir können fehlende Erlöse nicht ausschließlich über öffentliche Gelder ausgleichen.“
Georg Strasser betonte, es brauche weiterhin „jeden Cent für die Familieneinkommen auf den landwirtschaftlichen Betrieben“. Und Planungssicherheit. Dazu die Verminderung der Importabhängigkeit. Ein Ziel sei etwa „unsere eigene GVO-freie Versorgung mit Eiweiß und Soja aus Österreich und Europa“. Nicht zuletzt braucht es auch für die Jungbauern finanzielle Anreize. Strasser: „Ich fordere hier vollste Unterstützung seitens der EU.“
Alljährlich erfreulich, und das seit dem EU-Beitritt Österreichs vor 25 Jahren: die agrarische Außenhandelsbilanz. Diese war 2019 so gut wie nie zuvor. Die Ausfuhren von Agrarprodukten und Lebensmitteln im Wert von 12,3 Mrd. Euro haben laut AMA-Marekting-Geschäftsführer Michael Blass und AMA-Aufsichtsratschef Franz Windisch um 6,5% zugenommen. Wie schon auf den Lebensmittelschauen SIAL in Paris und ANUGA in Köln wurde der AMA-Messestand bei der Grünen Woche neu gestaltet. Österreichs 15 Aussteller präsentieren sich noch bis 26. Jänner unter dem Slogan „Land der Berge“. Die Internationale Grüne Woche zählt mit mehr als 1.700 Ausstellern aus 70 Ländern, 100.000 Produkten und rund 400.000 Besuchern zu den weltweit größten Konsumentenmessen für Landwirtschaft, Lebensmittel und Gartenbau. Offizielles Partnerland der Messe ist heuer Kroatien.
Traktor-Demo und Gegendemo
Am Eröffnungstag protestierten auch in Berlin mehrere Hundert Landwirte aus dem Umland mit rund 500 Traktoren gegen strengere Umweltauf- lagen betreffend Gülleausbringung und chemischen Pflanzenschutz. Aufgerufen zu der Sternfahrt aus Brandenburg, Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern hatte die Bauernbewegung „Land schafft Verbindungen“. Auch durch andere Großstädte von Bayern bis Niedersachsen rollten Kolonnen mit insgesamt 20.000 Demo-Treckern.
Am Samstag wiederum stiegen jene Landwirte und Konsumenten in Berlin auf die Barrikaden, denen die strengeren Vorgaben nicht weit genug gehen. Das Bündnis „Wir haben es satt“ hatte ebenfalls mehrere Tausend Landwirte, Umwelt- und Tierschützer mobilisiert: gegen Massentierhaltung, für mehr Klimaschutz und eine nachhaltigere Landwirtschaft.
Kurze Aufregung herrschte am Eröffnungstag auch in der Russland-Halle. Dies musste für gut zwei Stunden gesperrt werden, weil bei einer Kontrolle Schweinefleisch, vermutlich aus Russland, entdeckt wurde. Wegen des Tierseuchen-Risikos, speziell von Afrikanischer Schweinepest, gilt für Fleischprodukte aus Nicht-EU-Ländern ein striktes Einfuhrverbot.
Die meisten Messebesucher ließen sich von alldem nicht stören und gustierten wie jedes Jahr die neuesten Kreationen, zunehmend fleischlos fürs Klima, so etwa vegange „Vurst“, Veggie-Burger aus Soja und Roten Rüben, aber auch Rezepturen auf Insektenbasis.
Wirklich gut frequentiert sind aber auch heuer die traditionellen Schmankerl-Ecken mit Wein, Bier, Speck oder Käse. Und da kann Österreich bestens mithalten.
Bernhard Weber