Holz könnte zukünftig auch eine wichtige Rolle bei der Herstellung von Treibstoffen spielen. Ein Leuchtturmprojekt mit einem „Reallabor“ in der Steiermark soll neuer Technologie nun auf die Sprünge helfen.

Der Klimawandel, aber auch wirtschaftliche und politische Vernunft zwingen zu einer
Reduktion fossiler Energieträger.

Genug Biomasse für Alternativen

Die heimische Land- und Forstwirtschaft könnte hier eine Vorreiterrolle einnehmen, denn die benötigte Menge Energie ist im Vergleich zu anderen Branchen gering, während gleichzeitig genug Biomasse zur Produktion von Treibstoffen zur Verfügung steht. 22,7 Petajoule (PJ) betrug der Verbrauch im Agrarsektor laut Zahlen des Klimaschutzministeriums zuletzt 2023, das sind nur rund zwei Prozent des gesamten energetischen Endverbauchs. Nach einer 2020 veröffentlichten Studie der TU-Wien unter Leitung von Univ.-Prof. Hermann Hofbauer machen in Österreichs Land- und Forstwirtschaft eingesetzter fossiler Diesel (9,2 PJ) und fossiles Erdgas (0,9 PJ) zusammen zirka zehn PJ aus. Dafür sollen etwa 24 PJ oder 3,34 Mio. Efm Holz erforderlich sein, um die fossilen Energieträger durch Holzdiesel und Holzgas zu ersetzen. Laut einer Abschätzung könnte bis zum Jahr 2030 der energetische Einsatz von Biomasse um mehr als 110 PJ auf einen Bruttoinlandsverbrauch an Primärenergie von 340 PJ pro Jahr ausgebaut werden. Rund die Hälfte des Ausbaupotenzials stammt aus der Forstwirtschaft, der Rest kommt aus der Land- bzw. Abfallwirtschaft. Etwa acht Prozent könnten in Form von holzartiger Biomasse aus Kurzumtriebsflächen bereitgestellt werden.

Eine Bewertung möglicher Technologien ergab, dass die thermo-chemische Gaserzeugung mit anschließender Synthese zu Holzdiesel (FT-Synthese) bzw. Holzgas (SNG-Synthese) die geeignetste Technologie mit der höchsten Effizienz darstellt. Dabei soll es sich bei beiden Produkten um „hochwertige Drop-in Fuels“ handeln, das heißt sie könnten in die bestehende Infrastruktur (d. h. Traktoren, Erdgasnetz etc.) ohne weitere Adaptierungen verwendet bzw. eingespeist werden. Neben der Eliminierung der fossilen CO2-Emissionen ist laut Hofbauer auch die Qualität der grünen Energieträger deutlich besser als die der entsprechenden fossilen Energieträger, sodass die Umwelt auch hinsichtlich zusätzlicher Emissionen (z. B. Partikelemissionen) entlastet werde. Damit könnte der Sektor Land- und Forstwirtschaft eine Vorreiterrolle einnehmen und der erste in Österreich sein, der von sich aus fossilfrei betrieben wird.

Im laufenden Forschungsprojekt „Advanced Bioenergy Lab Austria“ wird davon
ausgegangen, dass mit zehn Prozent der aktuell im Energiebereich eingesetzten
Biomasse der bestehende land- und forstwirtschaftliche Maschinenpark mit erneuerbaren Treibstoffen versorgt werden kann. Dafür wären neun Anlagen mit je 100 MW Brennstoffwärmeleistung und Investitionen von etwa zwei Milliarden Euro erforderlich. „Ein vorzeitiger Austausch der Fahrzeugflotte zum Umstieg auf noch nicht verfügbare andere emissionsfreie Technologien wäre um ein Vielfaches teurer“, ist auf der Forschungsplattform daFNE dazu lesen.

Reallabor im Entstehen

Diesen September wurden nun die Pläne für das „Holzgas- und Holzdiesel Reallabor“ in Anwesenheit von viel Prominenz, allen voran Minister Norbert Totschnig, genauer vorgestellt. Standort wird das Holzinnovationszentrum (HIZ) in Zeltweg sein. Den Kern der Anlage bildet ein auf der TU Wien entwickelter Gaserzeuger für unterschiedliche feste Biomassen. Dieses Gas ist der Ausgangspunkt für die Produktion flüssiger Treibstoffe (Holzdiesel, Holzkerosin etc.) und hochreiner grüner Gase (Biomethan, Wasserstoff etc.), die in das Gasnetz eingespeist werden können. Die Technologien und Produkte sollen unter realen industrienahen Bedingungen zur Marktreife gebracht werden.

Die Finanzierung der Anlage erfolgt über öffentliche Förderungen sowie über Beiträge von Industrie und der Land- und Forstwirtschaft. Geplant ist, dass nach einer Hochlauf- und Testphase die Einnahmen aus der Produkteverwertung den kontinuierlichen Betrieb ermöglichen, wenn auch ohne Gewinne. Die Erkenntnisse sollen aber bei künftig gebauten Anlagen im industriellen Maßstab dafür sorgen, dass hochwertige Treibstoffe zu konkurrenzfähigen Preisen erzeugt werden können. Nach der Technologieerprobung steht die Anlage zukünftig für die Abwicklung von Forschungsprojekten zur Verfügung. Insgesamt sollen in den kommenden acht Jahren rund 60 Mio. Euro investiert werden.
Der Spatenstich für die Anlage ist 2025 geplant.

An dem Projekt beteiligt sind Advanced Bioenergy Lab eGen (ABL), die eigens für die Anlage gegründete Betreibergesellschaft, sowie die Forschungseinrichtungen BOKU, MUL, FHWN, AIT, JR, BEST, TU Wien und GET sowie Land-, Forstwirtschaft und Industrie.

- Bildquellen -

  • Hackschnitzel: agrarfoto.com
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AUTORMichael Stockinger
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