Im Jahr 2018 wurden im österreichischen Straßenverkehr bei Traktorunfällen neun Menschen getötet (Quelle: BMI). Die Anzahl hat sich gegenüber 2017 beinahe verdoppelt. Dazu kommen noch schwere Unfälle abseits der Straßen, die nach vorliegenden Recherchen weitere 14 Todesopfer gefordert haben. Mehr Gefahrenbewusstsein ist daher dringend angebracht.
Genauere Angaben zu tödlichen Traktorunfällen zu bekommen, ist nicht leicht. Aus Datenschutzgründen wurde die Weitergabe von Daten vielfach abgelehnt. Darüber hinaus erfasst die Quelle BMI nur die bei Traktorunfällen im Straßenverkehr getöteten Menschen, also sowohl Traktor-Lenker als auch Mitfahrer. Doch Verkehrsunfälle machen nur einen Teil aller Traktorunfälle aus. Die Sozialversicherung der Bauern erfasst wiederum nur jene Unfälle von Land- und Forstwirten, die bei ihnen versichert sind.
Die folgende Zusammenstellung basiert auf einer Internetrecherche zu den bei Traktorunfällen 2018 in Österreich getöteten Menschen. Sie erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Dank Internet, Google und Co. war es möglich, aus vielen Zeitungsmeldungen, Einsatzberichten von Freiwilligen Feuerwehren, dem veröffentlichten Bildmaterial zu den Traktorunfällen und nicht zuletzt dank telefonischer Auskunft, z. B. bei der einen oder anderen Polizeidienstelle, zu einem Unfall grundlegende Informationen zu erhalten: beispielsweise, ob der Traktor eine Fahrerkabine hatte und ob ein Sicherheitsgurt verwendet wurde. Es kann sein, dass bei einem Traktorunfall zum Beispiel ein Motorrad und ein Traktor involviert waren, der verstorbene Motorradfahrer aber in der folgenden Zusammenstellung nicht erfasst ist. Darüber hinaus berücksichtigte die Internetrecherche auch nicht, ob Verunfallte aufgrund ihrer schweren Verletzungen beispielsweise erst Tage nach dem Unfall verstarben.
Viele Ältere unter den tödlich Verunglückten
Entsprechend der vorliegenden Zusammenstellung wurden bei Traktorunfällen 2018 in Österreich insgesamt 23 Menschen getötet. Unter 18- Jährige waren es drei, 18- bis 60-Jährige neun und über 60-Jährige elf. Es hatte somit rund die Hälfte der tödlich verunfallten Personen ein Alter von über 60 Jahren. Von allen getöteten waren 20 männlichen und drei weiblichen Geschlechts.
Spielende Kinder im Gefahrenbereich
Von den Verunfallten waren 19 Fahrer, drei Mitfahrer und eine anwesende Person. Ein Zweijähriger wurde bei Schneeräumarbeiten im Hofbereich überfahren und dabei getötet. Laut SVB passiert es immer wieder, dass Kleinkinder und Kinder im Hofbereich überfahren werden. Man muss die Kinder früh auf die Gefahren aufmerksam machen, die Traktor, Maschinen und Geräte mit sich bringen, und ihnen klar sagen, dass sie ausreichend Abstand halten müssen – denn man kann nicht jeden Bereich vom Traktor aus gut einsehen, vor allem dann nicht, wenn man rückwärtsfahren muss. Der Aufkleber in der Fahrerkabine „Wo ist dein Kind?“, der bei der SVB erhältlich ist, soll die Traktorfahrer stets erinnern, ein zweites Mal zu schauen, ob kein Kind im Gefahrenbereich ist.
Nicht jedes Gerät ist für Personentransport geeignet
Drei Personen sind als Mitfahrer im Straßenverkehr tödlich verunglückt. Zwei der Unfalltoten stürzten aus der Kippmulde, als der betrunkene Traktorfahrer vom Weg abkam, und eine weibliche Person verstarb nachdem ein Einachsanhänger bei zu schneller Fahrt in einer Kurve umstürzte. Sowohl Kippmulde als auch Einachsanhänger sind nicht für den Personentransport zugelassen. Bei Einhaltung der geltenden Vorschriften, einschließlich im ersteren Fall der Promillegrenze, hätten diese tödlichen Unfälle vermieden werden können.
Gefährlich: Übermüdung und Zeitdruck
Betrachtet man den Unfallzeitpunkt, dann zeigt sich, dass rund drei Viertel der tödlichen Traktorunfälle nachmittags und abends passierten. Da möchte man noch schnell das selbstgesteckte Tagesziel der Arbeit erreichen, denn für morgen ist schon andere Arbeit geplant. Man wird auch schon müde und fährt unkonzentriert. Was auch auffällt, ist, dass wir insbesondere in der Altersgruppe der bis 60-Jährigen eine Häufung der tödlichen Unfälle an Samstagen, Sonntagen und Feiertagen haben. Viele davon sind Nebenerwerbslandwirte oder auch Hobbylandwirte, die das Wochenende oder den Feiertag intensiv nutzen, um die Arbeit in der Land- und Forstwirtschaft noch schnell zu erledigen, etwa bevor das Wetter umschlägt oder wieder die anstrengende Arbeitswoche im Hauptberuf am Montagmorgen startet.
Unfälle bei Fahrt, Arbeit und im Stand
Von den 23 bei Traktorunfällen 2018 in Österreich getöteten Menschen verunglückten zwölf bei der Fahrt mit dem Traktor, fünf bei der Arbeit mit dem Traktor und sechs bei stehendem Traktor. Von den zwölf bei der Fahrt mit dem Traktor Verunfallten starben neun im Straßenverkehr und drei auf Wegen und Zufahrten. Bei den fünf bei der Arbeit mit dem Traktor Verunfallten sind neben dem Kleinkind, das überfahren wurde, zwei Unfalltote bei Arbeiten mit Hofladern, ein Traktorfahrer, der bei der Ausbringung von Gülle am Hang ins Rutschen kam, und ein Fahrer, der bei der Rückwärtsfahrt beim Zur-Seite- Schieben von Ästen vom Fahrweg abkam, zu erwähnen.
Bei stehendem Traktor wurden drei Menschen beim Ankuppeln eines Anbaugerätes erdrückt bzw. überrollt, eine Person wurde bei Reinigungsarbeiten am Traktor, eine bei Reparaturarbeiten und eine weitere beim Auffüllen einer Feldspritze getötet. Den Unfalltoten bei stehendem Traktor ist weitgehend gemeinsam, dass die Fahrer alleine arbeiteten und z. B. Anbaugeräte ankuppelten, der Traktor im Leerlauf war, unabsichtlich die Schaltung betätigt oder ein falscher Hebel erwischt wurde. Mögliche Auslöser und Unfallhergänge gibt es viele: beim Hineingreifen in die Kabine wird die Schaltung unabsichtlich betätigt, beim Absteigen bleibt man mit der Kleidung am Schalthebel hängen, die Handbremse ist nicht gezogen, man versucht, auf den sich selbstständig machenden Traktor aufzuspringen, wird vom Hinterrad des Traktors überrollt oder beim Geräteanbau zwischen Traktorhinterrad und Anbaugerät eingeklemmt und erdrückt.
Bei einem Drittel fehlte eine Schutzstruktur
Analysiert man, ob Schutzstrukturen für den Traktorüberschlag bei den bei der Fahrt und der Arbeit mit dem Traktor Verunfallten aufgebaut waren, so zeigt sich, dass von 17 Unfalltraktoren sechs, also mehr als ein Drittel, keine Schutzstruktur aufgebaut hatten. Für tödliche Unfälle mit stehenden Traktoren ist das Vorhandensein einer Fahrerkabine im Hinblick auf den Überschlag nicht relevant.
Es wurde auch versucht, abzuschätzen, ob die Verwendung eines Sicherheitsgurtes und das Vorhandensein einer Schutzstruktur/Kabine, konkret einer ROPS – Roll Over Protective Structure, Leben retten hätten können. Da Gurt und Schutzstruktur für das überfahrene Kleinkind und die tödlich verunglückten Personen in der Kippmulde und auf dem Einachsanhänger nicht relevant sind, wurden diese nicht weiter betrachtet. Von den verbleibenden 13 Unfalltoten hätten eine den heutigen Standards entsprechende Schutzstruktur und angelegter Gurt drei Leben gerettet, fünf Leben hätten durch die Verwendung des Sicherheitsgurtes gerettet werden können, drei Personen hätte der Gurt wahrscheinlich das Leben gerettet, und zwei Traktorabstürze wären wohl mit Kabine und der Verwendung eines Sicherheitsgurtes auch tödlich ausgegangen, da der Traktor 30 Meter und mehr abgestürzt ist.
Sicherheitsgurte sind zu verwenden
Dass Sicherheitsgurte Leben retten können, wissen wir. Neuere Traktoren sind damit serienmäßig ausgestattet, ältere können mit Beckengurten einfach nachgerüstet werden. Mit 30 bis 40 Euro ist man bereits dabei, und die mitgelieferten zwei Befestigungsschrauben passen für fast jeden Fahrersitz. Der Gurt schützt bei vielen kleinen Unfällen, bei denen der Traktor mitunter nur umkippt, der Fahrer aus der Kabine fällt und unter dem Traktor oder Anbaugerät eingeklemmt und tödlich verletzt wird. Für die schwereren Traktorüberschläge ist auch ausreichend Schutz gegeben, solange man in der Kabine mit ROPS verbleibt und sich der Traktor nicht zu oft überschlägt oder in einen Steilhang abstürzt. Man beachte aber, dass in einer Fahrerkabine frei herumliegende Gegenstände, wie beispielsweise ein Hammer, ein Schraubschlüssel oder selbst eine Bierflasche im Umsturzfall zu einer nicht vorhersehbaren Gefahr werden und den Fahrer tödlich verletzen können.
Gefährliche Fahrten mit dem Frontlader
Noch ein Punkt zum Schluss. Die Hälfte der tödlich verunglückten Traktorfahrer im Straßenverkehr in Österreich im Jahr 2018 hatte einen Frontlader aufgebaut. Hat man am Heck eine große Seilwinde oder einen schweren Holzspalter aufgebaut und für die Straßenfahrt die Frontlader-Schaufel entsprechend hoch angehoben, dann ist schnell ein Unfall passiert. Die gesamte Schwerpunktlage ist hoch und damit das Risiko eines Umsturzes. Ist die Fahrgeschwindigkeit zu dem Zeitdruck hoch und biegt man z. B. von der Hauptstraße rechts ab auf eine Zufahrt und geht es dann noch leicht bergab, dann kippt der Traktor schneller als man glaubt um, der Fahrer wird aus der Traktorkabine geschleudert und unter dem Traktor eingeklemmt und tödlich verletzt. Ein Beckengurt könnte diesen tödlichen Ausgang verhindern. Eine angepasste Fahrgeschwindigkeit, zum Beispiel nicht schneller als 25 km/h bei Fahrt mit angehobener Frontladerschaufel sowie in der Kurve und beim Abbiegen noch entsprechend langsamer, würde helfen, solche Unfälle zu verhindern und damit auch das Leben entgegenkommender Verkehrsteilnehmer nicht zu gefährden.
Forstarbeit: Viele tödliche Unfälle
Betrachtet man die tödlichen Traktorunfälle 2018, dann können vier der Landwirtschaft, zehn der Forstwirtschaft, fünf der Innenwirtschaft und vier der Freizeit zugeordnet werden. Warum im Bereich der Forstwirtschaft vergangenes Jahr so viele tödliche Unfälle mit Traktoren passiert sind, kann auf mehrere Ursachen zurückgeführt werden: Der Arbeitsanfall in der Forstwirtschaft war aufgrund des Befalls durch Borkenkäfer sowie von Unwetterereignissen deutlich höher als in den Jahren davor. Güter- und Forstwege sind der Nutzung entsprechend oft nur geschottert, häufig eng, im steilen Gelände etc.
Fahrfehler, wie das Abkommen vom Weg, enden oft mit einem Traktorabsturz. Noch dazu sind viele der Forstwege oft von Schnee und Eis bedeckt, die Traktoren mit Kippmulde und Seilwinde ausgestattet, und es wird bis in die Dämmerung hinein gearbeitet. Forstarbeit ist auch körperlich anstrengend und fordernd. Wenn man dann am Ende eines langen Arbeitstages wegen schlechter Sicht durch Anbaugeräte und Dämmerung sowie des Zeitdrucks, noch rechtzeitig zur Stallarbeit am Hof zurück sein zu müssen, vom schmalen Fahrweg abkommt und den Steilhang sich mehrfach überschlagend hinunter stürzt, dann kommt oft jede Hilfe zu spät.
Schwerer Unfall mit dem Traktor – Wie hoch ist Ihr persönliches Risiko?
Je mehr von den folgenden Fragen Sie mit „Ja“ beantworten, umso größer ist Ihr Risiko.
• Arbeiten Sie viel im Bereich Forstwirtschaft?
• Arbeiten Sie oft an Wochenenden, Sonntagen und Feiertagen?
• Arbeiten Sie häufig nachmittags und abends?
• Fahren Sie auch mit dem Traktor, wenn sie übermüdet sind?
• Führen Sie unter Zeitdruck auch Arbeiten durch, die man besser unter günstigeren Witterungsbedingungen machen sollte?
• Haben Sie zu wenig Routine und Erfahrung, um Arbeiten auch in schwierigem Gelände durchzuführen?
• Gibt es Kleinkinder auf Ihrem Betrieb?
• Arbeiten Sie überwiegend alleine?
• Gibt es keine Personen, die Ihnen beispielsweise beim Ankuppeln von Anbaugeräten behilflich sein können? Müssen Sie die Arbeit also allein durchführen?
• Sind Sie bereits älter und mit der Technik von neuen Traktoren nicht gut vertraut?
• Fällt es Ihnen schwer, zu akzeptieren, dass Sie als älterer/ältere Lenker/-in nicht mehr so stark, aufmerksam, konzentriert und leistungsfähig sind?
• Nehmen Sie sich für die geplanten Arbeiten nicht auch ausreichend Zeit und machen keine Pausen?
• Fahren Sie mit aufgebautem Frontlader und angehobener Frontlader-Schaufel?
• Verzichten Sie bei der Fahrt mit einem Hoflader auf Vorsicht und Umsicht?
• Lassen Sie sich in Gesellschaft leicht dazu überreden, Mitfahrer in einer Kippmulde oder einem Einachsanhänger mitzunehmen, obwohl das verboten ist?
• Hat Ihr Traktor keine Schutzstruktur?
• Haben Sie keinen Beckengurt am Traktorfahrersitz montiert?
• Verwenden Sie keinen Sicherheitsgurt?
• Trinken Sie auch Alkohol bei der Arbeit und Fahrt mit dem Traktor?
• Gefährden Sie durch Ihr Verhalten auch andere Verkehrsteilnehmer?
• Sind Sie über 60 Jahre alt?
Dipl.-Ing. Ewald Luger , Abteilungsleiter Prüfung, HBLFA Francisco Josephinum/BLT Wieselburg