Die weltweit vorherrschende Corona-Krise stellt eine erhebliche Belastungsprobe für die heimische Land- und Forstwirtschaft und Lebensmittelversorgung dar. Durch die Krise erhalten Themen wie Nachhaltigkeit, Selbstversorgung und Regionalität einen neuen Stellenwert und landwirtschaftliche Versorgungssicherheit rückt wieder verstärkt in den Fokus der öffentlichen Diskussion. „Vonseiten der Bevölkerung wird der Landwirtschaft und den heimischen Erzeugnissen eine neue Bedeutung zugemessen und der Wunsch nach einer krisensicheren Versorgung unabhängig von geschlossenen Grenzen wird zum Grundbedürfnis vieler Menschen – auch in krisenfreien Zeiten“, schildert Raggl aktuelle Entwicklungen. Gleichzeitig stehe die Landwirtschaft sowohl in Österreich, als auch im Rest der Welt, vor einer ungleich größeren Herausforderung, was die Beständigkeit in einer Krise betrifft: Auch der Klimawandel werde in der Landwirtschaft ständig spürbarer und führe bereits jetzt in vielen Ländern zu regelmäßigen Produktionseinbußen. Die weltweit gesicherte Versorgung mit Lebensmitteln sei dadurch erheblich bedroht. „Insofern war die COVID-19-Krise ein Weckruf, Selbstversorgung in der Krise mit heimischen Lebensmitteln auf lange Sicht systematisch auszubauen und auf allen politischen Ebenen entsprechende Maßnahmen einzuleiten“, meint der Tiroler Bundesrat weiter. Gleichzeitig ortet Raggl aber eine massive Schieflage, die ihm ein Dorn im Auge ist: „Wir dürfen bei der derzeit herrschenden Lebensmittelverschwendung nicht länger tatenlos zusehen. Da sind rasche Handlungsmaßnahmen und ein Umdenken in der Gesellschaft gefordert.“
Studie der Universität für Bodenkultur
Anlässlich des Tages der Lebensmittelverschwendung am 2. Mai weist Raggl darauf hin, dass nach neuen Schätzungen in Österreich pro Jahr rund eine Million Tonnen genießbare Lebensmittel im Müll landet. Kürzlich veröffentlichten dazu das Institut für Abfallwirtschaft der Universität für Bodenkultur Wien unter der Leitung von DI Gudrun Obersteiner einen Bericht demzufolge ca. die Hälfte des gesamten Lebensmittelmülls – das sind in Österreich 521.000 Tonnen – in Haushalten anfallen.
Gründe für Lebensmittelverschwendung sind vielfältig
Interessant vor allem die Gründe für die Verschwendung in Haushalten. „Laut der Umfrage spielt der Faktor Zeitmangel eine entscheidende Rolle. Für jeden zweiten von mehr als 3.700 Befragten ist das der Hauptgrund. Dahinter werden Probleme wie der falsche Lagerplatz, fehlende Rezeptideen und Kochkenntnisse und ein zu hoher Aufwand bei der Verarbeitung aufgelistet“, gibt Raggl Einblick in die Ergebnisse der Studie. Auch zu wenig Wissen trage dazu bei, dass der Müllberg wächst. Hinzu kämen Unsicherheiten bei überschrittenem Mindesthaltbarkeitsdatum, bei Schimmelbefall oder wenn Lebensmittel nicht mehr frisch wirken.
„Jeder Haushalt wirft pro Jahr im Schnitt 133 Kilogramm an genussfähigen Lebensmitteln weg, das entsprecht einem Wert zwischen 250 und 800 Euro. Wer also Lebensmittelmüll vermeidet, rettet nicht nur hochwertigste Lebensmittel und schont damit das Klima, sondern spart auch ganz schön viel Geld“, zeigt Raggl gleich mehrere Nutzen auf.
Besonders oft im Müll landen gemäß dem Bericht noch genussfähiges Brot und Gebäck (28 Prozent) sowie Obst und Gemüse (27 Prozent). Dahinter folgen Milchprodukte und Eier (12 Prozent) sowie Fleisch und Fisch (11 Prozent).
Maßnahmenbündel kann Lösung mit sich bringen
„Man wird dieser Problematik mit Bewusstseinsbildung entgegenwirken müssen. Wir werden nicht müde, den Mehrwert hochwertigster, gentechnikfreier heimischer Erzeugnisse, die keine Transportkilometer auf dem Rücken haben, aufzuzeigen und gleichzeitig unseren Konsumenten Hilfe zur Selbsthilfe bei der Verarbeitung dieser Produkte geben“, meint Raggl. „Unsere Bäuerinnen, Bauern und Jungbauern versuchen immer wieder Regionalität vorzuleben und geben den Konsumentinnen schon lange Tipps und Tricks mit Bodenhaftung und Hausverstand für die Lagerung, Verarbeitung und Zubereitung diverser Produkte mit auf den Weg. Unsere Produkte sind mehr wert als billigste Massenware aus dem Ausland. Was einen Wert hat, wird auch nicht ganz so leichtfertig auf den Müll geworfen“, fährt Raggl fort. „Um dem Problem Herr zu werden, brauchen wir jedoch auch Unterstützung von Handelspartnern, von der Regierung, jedoch auch von der Gastronomie.“
Abschließend fordert Raggl mehr Transparenz, damit Konsumenten bewusst zu Regionalität, Nachhaltigkeit und Klimaschutz im Regal greifen können: „Um dem durch die Corona-Krise gestärkten Bewusstsein des Konsumenten für den Mehrwert regionale Produkte gerecht zu werden, fordere ich eine einfache und verständliche Herkunftskennzeichnung der Primärzutaten Fleisch, Milch und Eier, auch in verarbeiteten Speisen.“
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