Kälberdurchfall ist keine Seltenheit. Das trifft jeden Betrieb einmal“, meint die bayrische Tierärztin Eva Zeiler. Um die Krankheit frühzeitig zu erkennen, rät die Expertin das Tränkeverhalten, die Kotkonsistenz und die Körpertemperatur der Tiere im Auge zu behalten. Vor allem letzteres wird von den Bäuerinnen und Bauern aber gerne vergessen.

„Ich versuche meinen Landwirten immer beizubringen, das Fieberthermometer am Mann, sprich in der Arbeitshose, zu haben. Für mich ist die Temperatur einer der wichtigsten Indi­katoren“, betont Zeiler. Sie ist überzeugt, dass Landwirte viel abfangen könnten indem sie beginnendes Fieber rasch erkennen und Fiebersenker wie „Metacam“ verabreichen.
Ein weniger überzeugender Indikator ist für Zeiler dagegen das Stehvermögen. Zwar sind kranke Kälber weniger aktiv, aber auch Tiere, die ad libitum getränkt werden, seien faul und schlafen gerne.

Viel lasse sich dagegen vom Verhalten der Rinder ablesen. „Frische Kälber, die herkommen und neugierig sind, so was sehe ich gern“, meint Zeiler. Die Alarmglocken schrillen dagegen, wenn das Kalb einen Buckel zieht, nicht sauber ist und einem die „kalte Schulter“ zeigt. Gerade in Bezug auf die Beobachtung des Tierverhaltens rät die Veterinärin von Großraum­iglus ab: „Ich sag mal ganz provokativ: Die Grenze der guten Tierbeobachtung liegt bei Fünfer-Iglus. Je größer die Iglus umso eher rutscht ein Kalb durch.“

Durchfall: Ursachen und Wasserverlust eruieren

Wenn das Tier aber schon mit Durchfall kämpft, sagen Kotkonsistenz, -farbe und Beimengungen viel über den „Übeltäter“ aus. „Bei Kokzidien etwa treten mit hoher Wahrscheinlichkeit Blutbeimengungen auf.“ Ein typischer Hinweis auf Pansentrinker sei dagegen zementfarbener Kot. Er entsteht, wenn die Schlundrinne nicht ganz zumacht und die Milch anstatt in den Labmagen in den Pansen gelangt. Die Folge sind Fehlgärungen und eben gräulicher Kot. „Oft ist das Pansentrinken eine Folgeerkrankung bei Problemen mit der Lunge oder auch wenn die oberen Atemwege zu sind“, klärt die Veterinärin auf.

Als Ärztin, meint Zeiler sei sie dankbar, wenn sie gleich beim Anruf des Landwirts Rückmeldung über Fieber, Kotkonsistenz und Farbe bekomme. „Als nächste Frage kommt von mir: Sind die Augen heraußen oder stecken sie schon drin?“, schildert Zeiler. „Wenn der Bauer sagt, die Augen stecken drin, dann ist das für mich ein Punkt, wo ich die Tour umdrehe.“ Wenn sich der obere Lidrand nämlich nach innen dreht, dürfe man nicht mehr warten. „Da hat man nicht mehr viel Zeit“, warnt Zeiler. Die Augenlage lässt nämlich einen verlässlichen Rückschluss auf den Flüssigkeitsverlust zu. Sind sie eingesunken, liegt eine mittlere Austrocknung vor, stecken sie drin, ist das Ausmaß des Flüssigkeitsverlusts schwer. Leichtere Formen der Austrocknung erkennt man bereits durch Ziehen einer Hautfalte. „Wie beim erwachsenen Rind kann man das am Hals machen. Ich geh aber auch ganz gern her und zieh direkt über dem Augenlid an. Wenn die Falte stehen bleibt ist das ein super Indikator.“

Kälberdurchfall einschätzen anhand der Symptome

„Nur“ Durchfall: keine Sympto­me, trinkt und versucht Durchfall noch selber auszugleichen; liegt bei Flüssig­keitsverlust unter fünf Prozent der Körpermasse bzw. zwei Litern vor.
Leichte Azidose: trinkt noch, wirkt aber müde, Hautfalte bleibt stehen; liegt bei Flüssigkeitsverlust zwischen sechs bis acht Prozent der Körpermasse bzw. circa drei Litern vor; Bedarf an Natriumbicarbonat (Nabi): 20 bis 30 Gramm pro Kalb (g/Kalb)
Mäßige Azidose: trinkt, wenn überhaupt noch, sehr schlecht, liegt viel, matt, Hautfalte steht und die Augen sind eingesunken; liegt bei Flüssigkeitsverlust von zehn Prozent des Körpermasse bzw. circa vier Litern vor; Nabi-Bedarf: 30 bis 40 g/Kalb
■ Schwere Azidose: trinkt nicht mehr, oft in Seitenlage und komatös, liegt fest, Hautfalte bleibt stehen, Augen stecken tief, oft schwere Atmung; liegt bei Flüs­sigkeitsverlust von mehr als zwölf Pro­zent des Körpermasse bzw. fünf Li­tern vor; Nabi-Bedarf: 40 bis 60 g/Kalb.

„Ich bekomm die Kälber meistens im Übergang zur mäßigen Azidose zu se­hen. Da ist der Pansenexzess wegen der Übersäuerung schon kritisch. Um das auszugleichen, braucht das Tier Natriumbicarbonat. Diesen Mangel kön­nen Landwirte aber auch schon vorher mit Elektrolyttränken ausgleichen und so Schlimmeres verhindern. Ich bin wirklich ein Fan davon“, erklärt Zeiler.

Quelle: Zeiler; BZ/Zivkovic

Flüssigkeitsbedarf mit Milch und Elektrolyt decken

Es gibt verschiedene Elektrolytprodukte (z. B. Lytafit), laut Expertin seien aber alle gut und leicht anzuwen­den. Man brauche nur schauen wie­viel Nabi drinnen sei und dann die erforder­liche Menge hochrechnen und in Wasser auflösen. In der Not kann man das Elektrolyt auch selber herstellen. Wie, ist unterhalb bei den Tipps nachzulesen.

Ein Unding für Zeiler ist es, Durchfall-Kälber von der Milch abzusetzen: „Das sollte man auf keinen Fall machen. Auch wenn es das Kalb durchräumt, solange es die Milch trinken mag, soll es sie auch bekommen.“ Denn je mehr das Kalb an Milch und Elektrolyt trinkt, umso bes­ser sei es. Abschließend meint Zeiler schmunzelnd: „Bei uns in Bayern heißt es deshalb: Die beste Therapie ist: saufen, saufen, saufen.“

Tipps zur Elektrolytgabe
Es gibt diverse pharmazeutische Präparate, die allesamt in Wasser aufgelöst eine gute Elektrolytlösung ergeben.
■ In der Not können Rinderhalter die Elektrolyttränke auch selbst herstellen. Dafür in einem Liter Wasser 3,5 g Natriumchlorid (Salz), 20 g Traubenzucker, 2,5 g Natriumhydrogenkarbonat (Backpulver) sowie 1,5 g Kaliumchlorid auflösen.
■ Für den Fall, dass die Kälber das Elektrolyt nicht trinken wollen, kann man es mit derselben Menge Milch mischen.
■ Egal, ob nun gekauft oder hausgemacht – bzgl. einer Überdosierung müssen sich Landwirte nicht sorgen. Bei Versuchen mit der zwei- bis dreifachen Menge des erforderlichen Natriumbicarbonatbedarfs, haben sich keine Nebenwirkungen gezeigt.

- Bildquellen -

  • BOO LAND 210318 014 4C.indd: Zeiler; BZ/Zivkovic
  • Braunvieh Rotholstein Kaelber 4 ID73082: agrarfoto.com
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AUTORElisabeth Hasl
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