Neue Motivation für die Schweinehaltung

Die Preise für Ferkel und Schlachtschweine sind auf Rekordniveau. Dennoch herrscht bei den Bauern unterkühlte Stimmung. Die ökonomischen Wunden der Vergangenheit schmerzen noch. Bauberater Rudolf Wiedmann erläutert, welche Gründe für einen Verbleib oder Neustart in der Schweinehaltung sprechen.

Besamungsbereich mit Fressständen und Eberbucht. Die Einstreu mit Stroh entspricht den höchsten Tierwohlstufen.

Heimmarkt statt Weltmarkt, so lautet in der Schweinehaltung das neue Leitmotiv. Dies gilt insbesondere für Deutschland, dem aufgrund der engen Marktverknüpfung bei Fleisch auch für die Schweineproduktion in Österreich maßgeblichen Referenzmarkt. Seit nunmehr zwei Jahren geht in Deutschland ein Strukturbruch vonstatten, mit drastischen Produktionsrückgängen. Die Entwicklung dauert noch an, die Folgwirkungen treten erst verzögert zutage.

Es braucht Können und Leidenschaft

Dass es vor dem allgemeinen pessimistischen Hintergrund auch Faktoren gibt, die den Verbleib in der Schweinehaltung erleichtern und trotz der Einflüsse des globalen Schweinekarussells existenziell zu bestehen, sei hier betont. Zu nennen sind:
• Überdurchschnittliche Produktionsleistungen und Betriebsergebnisse. Das Scheinwerferlicht richtet sich auf die oberen 25 % der Betriebe.
• Eigene Ackerflächen in einem Ausmaß, in dem man dem Pachtmarkt nicht bedingungslos ausgeliefert ist. Eine zu knappe Flächenausstattung oder gewerbliche Schweinehaltung sind ungünstige Voraussetzungen.
• Der Betriebsstandort muss hinsichtlich möglicher Emissionen unzweifelhaft sein.
• Ausreichend Arbeitskräfte im weiteren Familienumfeld. Betriebsleiter als Einzelkämpfer sind im Nachteil gegenüber Teamplayern. Gefragt sind Organisationstalent mit hoher Kommunikationskompetenz, damit man für die auf dem Hof anfallenden Arbeiten auf ortsnahe Kräfte zurückgreifen kann.
• Kostengünstige Ställe, die mit einem hohen Anteil an Eigenregie errichtet werden. Schlüsselfertige Bauten treten bei hohen Baukosten ins Hintertreffen.
• Gut erhaltene Altbausubstanz, die kostengünstig umgebaut werden kann auf die Haltungsstufen 3 oder 4 bzw. auf die Module „Mehr Tierwohl“ im AMA-Gütesiegel-Programm.
• Die Schweinehaltung sollte im Betrieb nicht alleine über Wohl und Wehe entscheidend sein. Sinnvoll ist aber, Sauenhaltung oder Mast so groß auszubauen, damit die Kostendegression zum größten Teil genutzt werden kann. Das sind ca. 200 Sauen oder 2.000 Mastplätze. Zur Sicherung von Stabilität, Liquidität und Rentabilität des Betriebes sollen noch andere Erwerbs­zweige wie Biogas, Photovoltaik oder Lohnbetriebe aller Art beitragen.
Ohne Zweifel wird die Schweinehaltung nach dieser Zeitenwende wieder in ruhigere Fahrwasser gelangen, damit die Betriebe wieder von der Arbeit leben können mit Perspektiven für die nachfolgende Generation. Allerdings sind die Aussichten gering, dass dies schon im laufenden Jahr zutreffen könnte.
Ein positiver Ausblick besteht für Betriebe, die einen Großteil der obigen Anforderungen erfüllen und ein hohes Maß an Leidenschaft für die Schweinehaltung mitbringen. Mit solchen Voraussetzungen können auch Neubauten infrage kommen.

Besondere Gestaltung der Stallbereiche

Was dies für die einzelnen Haltungsabschnitte bedeutet, sei hier in den Grundzügen umrissen, die für Deutschland und Österreich in ähnlicher Form gelten.

Besamung: Da nach der neuen Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung Sauen nur noch zur Besamung und Behandlung fixiert werden dürfen, reichen 50 cm breite Fressstände zum Besamen aus. Das Platzangebot muss mindestens 5 m² je Tier umfassen.

Wartebereich: Im Wartebereich ist im Neubau die aufgelöste Bauweise die Haltungsform der Wahl. Seit mehreren Jahrzehnten überzeugt sie sowohl von den Bau- und Betriebskosten als auch im Hinblick auf Tierwohl und Arbeitswirtschaft. Darüber sind solche Ställe kompatibel für konventionelle, besonders tierfreundliche und Bio-Haltung.

Abferkelstall: Für diesen besonders anspruchsvollen Bereich sind zwei Faktoren essenziell – das Platz- und das Wärmeangebot. Buchten unter 9 m² sind nicht zu empfehlen, da der Liege- vom Kotbereich in teilperforierten Buchten nicht genügend getrennt werden kann. Verschmutzte Buchten verursachen aber viel Handarbeit beim Entmisten. Sogenannte Bewegungsbuchten mit nur 6,5 m², in denen die Sauen bis einige Tage nach der Geburt im Kastenstand verbleiben, sind nur als Übergangslösung anzusehen. Sie sollten aber in jedem Fall 9 m² groß sein und von den Längen- und Breitenmaßen (4,00 x 2,25 m) so passen, dass jederzeit auf die freie Abferkelung umgestellt werden kann.
Mit der KW-Abferkelbucht steht seit Jahren eine Lösung zur Verfügung, die mit ihrer Boden- und Wandheizung im dreieckigen Nest, der Heizung bzw. Kühlung des Sauenliegebereiches, der Bodenfütterung, usw. die nötigen Voraussetzungen für hohe Produktionsleistungen bei vertretbarem Arbeitsaufwand bietet.
Benannt ist die Bucht nach ihren Entwicklern – Bioland-Ferkelerzeuger Thomas König und Berater Rudolf Wiedmann. Die Bucht kann in verschiedenen Varianten ausgeführt werden, beispielsweise mit Auslauf oder ohne Auslauf mit innenliegendem Mistgang und ist damit an konventionelle Nutzung oder Bio-Richtlinien anpassbar. Um Erdrückungsverluste zu minimieren, lassen sich auf allen Seiten Abliegewände installieren, zudem bietet eine „Veranda“ vor dem Ferkelnest Platz zum Ausweichen. Mit einem dünnen Brett zwischen Veranda und Nest können die Ferkel etwa für Behandlungen im Nest fixiert werden. Über eine zentrale Aufhängung können mehrere Nester simultan gesperrt werden.

Quelle: Wiedmann
Ausführung einer KW-Bucht mit perforiertem Kotbereich (oben). Links im Bild Ferkelnest und Veranda, rechts das Futterabwurfrohr.

Aufzuchtbereich: Auch in diesem Bereich stehen möglichst günstige Bau- und Betriebskosten im Vordergrund. Besonders kostengünstig sind Aufstallungen mit zum größten Teil planbefestigten Böden.
Der Liegebereich muss den hohen Temperaturan­sprüchen genügen, weshalb meist eine Fußbodenheizung und Abdeckungen zum Einsatz kommen. Der Kotbereich samt Tränken kann planbefestigt sein oder auch perforiert mit Unterflurschieber.

Quelle: Wiedmann
Ferkelaufzucht: Aktivitätsbereich mit Futterautomaten, die Liegehütten sind links oben ersichtlich, rechts der perforierte Kotbereich.

Mastbereich: Neu konzipierte Mastschweineställe müssen der Haltungsform 3 bzw. eher 4 genügen, damit möglichst alle Vermarktungswege genutzt werden können. In Österreich entspricht das den freiwilligen Modulen „Mehr Tierwohl“ im AMA-Gütesiegel (TW 60 bzw. TW 100).
Dabei stehen Außenklimavarianten mit Einstreu wie z. B. der Pigport 5 im Vordergrund. In solchen Ställen, die als Multifunktionsgebäude erstellt werden, ist der komplette Buchtenbereich planbefestigt. Gefüttert wird an Trockenautomaten mit ausreichendem Tier:Fressplatz-Verhältnis von maximal 3:1. Mastgruppen von ca. 60 bis 80 Tieren sind üblich. Neu- und Umbauten ermöglichen die Haltung von Tieren mit Ringelschwänzen.

Quelle: Wiedmann
Der Pigport 5 ist ein Außenklimastall für Großgruppen. Sämtliche Stallflächen sind befahrbar. Der Strohaufwand ist allerdings hoch.

Vorsicht bei Wachstumsschritten

Die Schweinehaltung ist einer noch nie dagewesenen Krise ausgesetzt, deren Ende nicht abzusehen ist. Politische Rückendeckung bzw. umfangreiche Unterstützung sind nicht zu erwarten. Investitionsmaßnahmen müssen deshalb unter besonderer Vorsicht erfolgen. Dies gilt insbesondere für Betriebe mit Schweinehaltung als Hauptbetriebszweig. Bei Neu- oder Umbauten stehen bevorzugt die Haltungsverfahren 3 und 4 bzw. in Österreich TW 60 und TW 100 im Vordergrund.
Für viele gilt es jedoch jetzt – schwer genug, Per­spektiven zu überlegen, die Ausrichtung des Hofes zu prüfen, Abhängigkeiten zu senken und sich auf die Klimakrise vorzubereiten. Mögliche Wachstumsschritte in der Schweinehaltung treten auf absehbare Zeit zurück.

www.eip-schwein.de

Bisher ist Tierwohl noch eine Nische
Die freiwilligen Tierwohlprogramme fristen in Österreich derzeit noch ein Nischendasein. Laut AMA-Gütesiegelrichtlinie können Schweinehalter seit Juli 2021 an folgenden drei Modulen freiwillig teilnehmen:

• „Mehr Tierwohl – gut“, auch „TW 60“, mit einem Platzangebot von 60 % über dem gesetzlichen Standard, eingestreuter Liegeflächen sowie Stroh bzw. Heu als Beschäftigungsmaterial,
• „Mehr Tierwohl – sehr gut“, auch „TW 100“, mit einem Platzangebot von 100 % über dem gesetzlichen Standard sowie u. a. zusätzlich Ringelschwanz und Auslauf.
• „Bio“ mit permanentem Zugang ins Freie und weiteren eigenen Haltungs- und Fütterungsbestimmungen.
Die beiden TW-Programme haben laut Schweinebörse-Geschäftsführer Johann Schlederer aktuell einen Produktionsumfang von etwa drei Prozent der heimischen Produktion (ca. 1 % TW 100, 2 % TW 60). Der Anteil der AMA-Gütesiegel­produktion macht etwa 50 % der heimischen Produktion aus.
Im Rahmen des „Masterplans Schwein“ hat sich die Branche verpflichtet, bis 2030 in Summe 20 % der Produktion bzw. eine Million Schweine aus Tierwohl-Haltung zu liefern. Einschließlich Bio müsste die Tierwohl-Produktion zumindest noch verfünffacht werden. Dies kann unter den aktuellen Rahmenbedingungen nur mit großen Werbeanstrengungen der AMA und mit Unterstützung des Lebensmittelhandels gelingen.
H.M.

- Bildquellen -

  • 03 W KW Buchtenuebersicht: Wiedmann
  • 05 W Ferkelaufzucht Liegebereich: Wiedmann
  • 06 W Pigport 5 Deckel Halb Oben: Wiedmann
  • 01 W Eberbucht: Wiedmann
- Werbung -
AUTORH.M.
QuelleRudolf Wiedmann, Bauberater, Tübingen (D)
Vorheriger ArtikelWohnung ausmisten tut der Seele gut
Nächster ArtikelNeuer vielseitiger Lemken-Grubber