Eine aktuelle Studie der Humboldt-Universität (HU) in Berlin liefert ein mögliche Erklärung für die großen Bauernproteste rund um den Jahreswechsel 2023/24. Demnach sind heute viele Landwirte wirtschaftlich abhängig von den Direktzahlungen. Gleichzeitig signalisiert die Brüsseler Agrarpolitik ein gewissen „Misstrauen“ gegenüber dem Sektor. Die sich daraus ergebenden Spannungen könnten laut den Agrarpolitologen zu einer allgemeinen Unzufriedenheit mit der GAP beigetragen haben, die sich letztlich in den Traktorprotesten entladen hat.
Wie die Wissenschaftler ausführen, hat sich die Art, wie die Subventionen in den Sektor fließen, im Laufe der Zeit stark verändert und damit auch die Rolle von Landwirtinnen und Landwirten in der Gesellschaft sowie ihr Verhältnis zum Staat. Bekanntlich bestand die GAP in ihrer Anfangszeit ab den 1960er-Jahren aus einem Geflecht von staatlichen Preisfestsetzungen, dem Ankauf von Produktionsüberschüssen und Exportsubventionen. In Summe stellten die Maßnahmen eine staatlich garantierte Einkommenssicherung für die Betriebe dar. Die ideologische Auffassung dahinter: Die Landwirte sorgten für die Ernährungssicherheit und haben daher die finanzielle Unterstützung „verdient“, so die Wissenschaftler. Ab den 1990er-Jahren wurden die Markteingriffe allerdings schrittweise abgebaut und durch direkte Einkommenstransfers ersetzt.
„Institutionalisiertes Misstrauen“ gegenüber Bauern
Heute sind die Direktzahlungen ´mittlerweile von der Agrarproduktion weitgehend entkoppelt und mehr und mehr Vorbedingungen geknüpft. „Neben den Öko-Regelungen, verbunden mit Verhaltensauflagen, werden die Zahlungen auch an Kategorien gebunden, sodass es zu einer Umverteilung von großen zu kleinen Betrieben und – durch spezielle Leistungen für Junglandwirte – von alt zu jung kommt“, sagte Pascal Grohmann von der HU Berlin. Der Logik der heutigen Agrarpolitik nach, hätten Landwirte heute Einkommensstützen „nur noch bedingt und unter Auflagen verdient“, so Grohmann.
Gleichzeitig, so der Wissenschaftler, stünden die Tätigkeiten von Landwirten unter wachsamer Beobachtung. Das Kontrollsystem der GAP, dass eigentlich die ordnungsgemäße Verwendung von EU-Mitteln sicherstellen solle, drücke mittlerweile ein „institutionalisiertes Misstrauen“ in die Bereitschaft der Landwirte aus, ihre Flächen im Einklang mit den gesellschaftlichen Erwartungen und Standards zu bewirtschaften, erklärte Grohmann.
Politik im Widerspruch zum Selbstbild vieler Landwirte
Hinzu komme, dass viele landwirtschaftliche Betriebe aufgrund des wirtschaftlichen Drucks inzwischen abhängig von den staatlichen Transferleistungen seien, „obwohl die Teilnahme am Förderprogramm eigentlich freiwillig ist“, ergänzte Co-Studienautor Peter Feindt. Dem Staat sei damit ein Hebel zur Hand gegeben, über Förderbedingungen bessere Umwelt- und Tierwohlpraktiken in den Betrieben durchzusetzen. Das wiederum führe „zu Spannungen mit dem Selbstverständnis vieler Landwirte als unabhängige Unternehmer, die ihre Produktion maximieren wollen.“
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