“Die Corona-Krise hat eine starke Wiederbelebung der Regionalität gebracht. Das gilt für den Sommertourismus ebenso wie für den Lebensmittelhandel. Frau und Herr Österreicher greifen heute verstärkt zu heimischen Lebensmitteln, weil sie wissen, dass sie sich auf unsere Bäuerinnen und Bauern verlassen können. Nun hat das österreichische Wirtschaftsforschungsinstitut in unserem Auftrag untersucht, ob und wie sich mehr Regionalität im Einkauf auf Wertschöpfung und Arbeitsplätze auswirkt. Das Ergebnis beweist eindeutig, dass gelebte Regionalität nicht nur positive Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt und die vor- und nachgelagerte Wirtschaft hat, sondern auch der Landwirtschaft das Rückgrat stärkt”, so LK Österreich-Präsident Josef Moosbrugger zur neuen WIFO-Studie “Die Wertschöpfungskette von Agrargütern und Lebensmitteln in Österreich”.
Das Wirtschaftsforschungsinstitut WIFO hat in einem ersten Schritt die gesamte Wertschöpfungskette von Agrargütern und Lebensmitteln in Österreich erstmals bis auf Bezirksebene erhoben. 2018 waren mehr als 413.000 Personen in der Wertschöpfungskette beschäftigt und die Brutto-Wertschöpfung betrug 18 Mrd. Euro. Im Verhältnis zur Volkswirtschaft insgesamt betrug der Anteil der Beschäftigten über 9,2% (davon 3 Prozentpunkte in der Landwirtschaft) und der Anteil der Wertschöpfung 5,2% (davon 0,9 Prozentpunkte der Landwirtschaft).
Im zweiten Schritt wurde eine Modellanalyse durchgeführt. Dabei reduziert die Studie die Importe von Agrargütern und Lebensmitteln um 1% und füllt die entstehende Lücke durch heimische Produkte. Danach werden die Folgen für die Landwirtschaft, die vor- und nachgelagerten Bereiche und schließlich auf die Volkswirtschaft insgesamt berechnet.
Das Ergebnis: 1% mehr Nachfrage nach inländischen Agrarrohstoffen und Lebensmitteln entspricht der Produktion im Agrarsektor von 28 Mio. Euro und in der nachgelagerten Verarbeitung von 88 Mio. Euro, insgesamt also 116 Mio. Euro. Durch die Produktionsausweitung in der Landwirtschaft wächst in den vorgelagerten Branchen die Wertschöpfung um 70 Mio. Euro, wodurch 2.100 Beschäftigte ausgelastet sind. Verringert man auch die Importe von Nahrungsmitteln, Getränken und Tabakwaren um 1% und ersetzt diese durch heimische Produkte und kombiniert das Ergebnis mit dem vorigen Szenario, so reagiert die Volkswirtschaft mit einer Steigerung der Wertschöpfung um 141 Mio. Euro, womit über 3.100 Beschäftigte verbunden sind. Vergleichbare Effekte sind auch zu erwarten, wenn stattdessen die Exportnachfrage steigt. Sinkt die Nachfrage nach Agrargütern um 1% und verwendet bzw. konsumiert man stattdessen importierte Güter, so wirkt sich das spiegelbildlich negativ für die Volkswirtschaft aus.
“Unsere Lebensmittel haben einen hohen Wert, gerade in Krisenzeiten, aber oft nur einen niedrigen Preis. Bäuerinnen und Bauern brauchen bessere Preise für ihre hochwertigen Produkte und einen höheren Anteil an der Wertschöpfungskette. Um mehr am Markt zu erlösen, muss man der Landwirtschaft jedoch die Chance dazu geben und die Weichen auf EU-Ebene richtig stellen: So müssen für Übersee-Importe dieselben Regeln gelten, wie für die EU-Bauern und in der Gemeinsamen Agrarpolitik oder beim Green Deal brauchen wir praxistaugliche Regeln”, verlangt Moosbrugger.
Mehr Wertschöpfung in bäuerliche Hände
“In Österreich müssen wir in optimal organisierten Branchen vermehrt auf Qualitätsprogramme und Markenstrategien setzen, die einen Teil der Wertschöpfung wieder zurück in bäuerliche Hände bringen. Konsumentinnen und Konsumenten können aber nur dann bewusst die regionale Qualität wählen, wenn die Herkunft der Lebensmittel auch transparent und klar gekennzeichnet ist. Daher muss die im Regierungsprogramm verankerte Kennzeichnung von Nahrungsmitteln im Verarbeitungsbereich und in der Gemeinschaftsverpflegung rasch umgesetzt werden”, so Moosbrugger.
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- Web Sinabell Moosbrugger: LKÖ/Anna Schreiner