Die viröse Maul- und Klauenseuche (MKS) gilt als Schreckgespenst der Nutztierhaltung. Nicht umsonst, wie sich ältere Leser bestimmt noch erinnern: Beim letzten größeren Ausbruch in Österreich im Jahr 1973 waren immerhin 1.515 Höfe in 99 Ortschaften Niederösterreichs betroffen. In Summe fielen damals 72.000 Tiere den Keulungen zum Opfer, die Kosten für die Seuchenzüge beliefen sich auf rund 150 Millionen Schilling.
In der Europäischen Union galt die MKS-Gefahr seit den 1990er-Jahren eigentlich als gebannt. Ausbrüche wurden nur in der Türkei und in anderen Erdteilen, etwa in Afrika, Fernost und Südamerika, dokumentiert. Auch Deutschland hatte bei der Weltorganisation für Tiergesundheit seit Jahrzehnten den Status „frei von Maul- und Klauenseuche ohne Impfung“ inne. Doch seit Freitag vergangener Woche ist damit Schluss.
Vorerst nur ein bestätigter Fall
Da hatte das Nationale Referenzlabor für MKS des staatlichen Friedrich-Loeffler-Instituts bestätigt, dass es sich bei einem Verdachtsfall im Landkreis Märkisch- Oderland (Brandenburg) tatsächlich um Maul- und Klauenseuche handelt. Konkret war eine Herde von 14 Wasserbüffeln infiziert. Drei Tiere waren bei der Befundstellung bereits verendet, die übrigen wurden noch am Freitag gekeult. Um den betroffenen Betrieb errichteten die Veterinärbehörden Schutz- und Überwachungszonen im Dreibeziehungsweise Zehn-Kilometer- Radius. Weiters wurden Tiertransporte empfänglicher Tiere im gesamten Bundesland untersagt.
„Noch ist völlig unklar, auf welchem Weg das hochansteckende Virus in den kleinen Bestand eingeschleppt wurde“
„Noch ist völlig unklar, auf welchem Weg das hochansteckende Virus in den kleinen Bestand eingeschleppt wurde“, teilten die Behörden der Presseagentur dpa mit. Denkbar sei etwa eine Einschleppung durch aus dem Ausland mitgebrachte Nahrungsmittel oder Wildschweine, die die Weide der Büffel passiert haben könnten. Die betroffene Fläche werde deshalb von einer Spezialfirma desinfiziert, heißt es.
In unmittelbarer Nähe zum Betrieb wurden indes alle potenziell empfänglichen Paarhufer-Bestände gekeult. Betroffen sind etwa ein Schweinehalter mit 170 Tieren sowie ein Hof mit Schafen, Ziegen und Rindern, der Futter vom positiv getesteten Betrieb bezog. Auch auf die dieser Tage in Berlin stattfindende Grüne Woche hat der Ausbruch Auswirkungen. Die Metropole liegt in der Überwachungszone, entsprechend entschloss man sich dort, heuer keine Klauentiere auszustellen.
Viele Wirtstiere, keine Behandlungsmöglichkeit
Die radikalen Maßnahmen erfolgen nicht grundlos, wie auch die Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES) auf ihrer Website informiert. MKS ist demnach für Rinder, Büffel, Schweine, Kleinwiederkäuer, aber auch wild lebende Paarhufer wie Hirsche, Rehe und Wildschweine ansteckend. Einzig Pferde sind nicht empfänglich. Für den Menschen ist die Krankheit hingegen harmlos. Eine Infektion sei laut AGES in Einzelfällen zwar möglich, führe aber „in der Regel nicht zu einer Erkrankung“.
Erkrankte Tiere zeigen Blasen- und Vesikelbildung an den Klauen (Zwischenklauenspalt, Kronsaum, Schweine bis zum Sprunggelenk), am Euter sowie im Maulbereich (Lippeninnenseite, Zunge, Zahnfleisch). Sie reagieren mit Fieber, vermehrtem Speichelfluss und lahmen. Für ausgewachsene Tiere ist die Krankheit nur in fünf Prozent der Fälle tatsächlich tödlich, bei Kälbern, Lämmern und Ferkeln kann die Todesrate jedoch deutlich höher liegen.
Impfung vorerst untersagt
Für befallenes Vieh gibt es gegenwärtig keine Behandlungsmöglichkeit, die einst übliche prophylaktische Impfung ist in der EU seit der Ausrottung der am Kontinent verbreiteten Stämme untersagt. Übertragen wird das Virus durch infizierte Tiere und von ihnen stammenden Produkten sowie Exkrementen. Auch durch die Luft kann die Krankheit bis zu 60 Kilometer weit verschleppt werden. MKS ist eine anzeigepflichtige Seuche, im Verdachtsfall ist der Amtstierarzt zuzuziehen, der entsprechende Untersuchungen und Betriebssperren veranlasst.
Fleischwirtschaft bangt um Umsatz
Die Situation in Ostdeutschland versetzt indes die dortige (traditionell exportstarke) Fleischbranche in Alarmstimmung: „Der Schaden ist massiv, es droht ein langer Ausfall“, erklärte etwa Gereon Schulze Althoff, Geschäftsführer des größten deutschen Schlachtkonzerns Tönnies, gegenüber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Er rechnet kurzfristig mit einer halben Milliarde Euro Umsatzverlust für die Fleischwirtschaft und einem Absturz der Erzeugerpreise. Der Grund: Für die Ausfuhr aus der EU benötigen Exporteure ein Zertifikat zur MKS-Freiheit. Einzelne Länder, etwa Südkorea und Mexiko, haben außerdem bereits den Import von deutschem Schweinefleisch untersagt.
Wenig beeindruckt zeigt sich hingegen der deutsche Schweinebauern-Verband ISN. Ein Sprecher teilte dem Norddeutschen Rundfunk mit, die Afrikanische Schweinepest habe den Export in einst wichtige Abnehmerländer außerhalb des EU-Binnenmarktes bereits zuvor zum Erliegen gebracht.
Auch in den Niederlanden schlägt der Ausbruch hohe Wellen. Das Land hat seit Dezember gut 3.600 Mastkälber aus Brandenburg importiert, nun will man alle Tiere auf die Seuche untersuchen lassen, ein Transportverbot für Kälber wurde verhängt.
Politik gefordert
Vertreter aus Wirtschaft und Landwirtschaft sehen nun die Spitzenpolitik gefordert, rasch Maßnahmen zu ergreifen. „Jetzt zählen Schnelligkeit und Entschlossenheit!“, appellierte etwa Joachim Rukwied, Präsident des Deutschen Bauernverbandes. Landwirtschaftsminister Cem Özdemir konterte ambitioniert: „Unser gemeinsames Ziel muss es sein, das Virus schnell zurückzudrängen, um die Schäden für unsere Land- und Lebensmittelwirtschaft zu minimieren.“
Eine Lösung könnte eine – derzeit noch rechtswidrige – Impfung sein. Laut Friedrich- Loeffler-Institut wurde der ausgebrochene Serotyp bereits identifiziert, ein entsprechender Impfstoff wäre auch vorhanden. Damit dieser auch verabreicht werden darf, müssen die Länder Bedarf anmelden. Dann könnte eine sogenannte Notimpfung von der EU-Kommission genehmigt werden.
Die MKS-Symptome im Überblick:
Alle Paarhufer können sich mit MKS infizieren und sie auch übertragen, zeigen dabei aber unterschiedliche Symptome.
Rinder: Bläschen im Bereich des Flotzmauls, der Maulschleimhaut, der Zunge, im Klauenbereich und an den Zitzen. Die Hautveränderungen an den Klauen sind schmerzhaft, die Tiere lahmen, zeigen ausgeprägtes Speicheln, Kaustörungen, Fieber, Milchleistungsabfall und Fressunlust.
Schweine: Hautveränderungen vor allem im Klauenbereich. Die Tiere liegen vermehrt und lahmen, ausschuhen möglich. Plötzliche Todesfälle bei Ferkeln sind dokumentiert.
Schafe und Ziegen: Meist nur geringe Bläschenbildung an Maul, Klauen und Euter sowie Fieber, mildere Verläufe als bei Rindern, erhöhte Lämmersterblichkeit.
- Bildquellen -
- MKS Euter: dr. D. Denev /IZVORA - WIKIMEDIA COMMONS
- MKS/Veränderungen Maul: DR. TSV. ALEXANDROV/IZVORA - WIKIMEDIA COMMONS