„Lebensmittelproduktion gehört zur Landesverteidigung“

Vom „Turbo“ in der GAP unter Agrarkommissar Hansen bis zu Themen wie der Versorgungssicherheit, der Stärkung des ländlichen Raums, dem Renaturierungsgesetz und der Entwaldungsverordnung – EU-Abgeordneter Alexander Bernhuber erklärt, wie diese in Brüssel getroffenen Entscheidungen auch Tirol betreffen.

Der Niederösterreicher Alexander Bernhuber ist seit 2019 Abgeordneter zum Europäischen Parlament.

Alexander Bernhuber ist Abgeordneter des Österreichischen Bauernbundes zum Europäischen Parlament und Mitglied des Landwirtschafts-, Umwelt- und Petitionsausschusses. Bereits in seiner zweiten Periode vertritt er die heimischen bäuerlichen Anliegen auf EU-Ebene. Im Interview mit der Tiroler Bauernzeitung sprach der Niederösterreicher über die aktuellen agrarpolitischen Entwicklungen auf EU-Ebene und deren Auswirkungen auf Tirol.

Herr Abg. Bernhuber, nachdem EU-Agrarkommissar Christophe Hansen seine Vision für die GAP präsentierte, sprachen Sie von einem „Turbo“ für die Agrarpolitik. Sehen Sie das immer noch so?

Bernhuber: Um das zu beantworten, muss ich zuerst auf Agrarkommissar Christophe Hansen eingehen. Sein Vorgänger, Janusz Wojciechowski, war für die österreichischen Bauern kaum präsent. Hansen hingegen ist selbst auf einem Bauernhof aufgewachsen und war schon im Januar in Österreich, um sich ein Bild von unserer Landwirtschaft zu machen. Er sucht gezielt den Austausch mit praktizierenden Landwirten und fragt nach ihren Anliegen. Dieser persönliche Ansatz ist deutlich spürbar und verspricht eine praxisnahe Sicht auf die EU-Agrarpolitik.

Was bedeutet das für den praktizierenden Bauern?

Hansens Vision ist es, die Landwirtschaft zu entlasten – mit weiteren Erleichterungen im Rahmen der GAP, weniger Kontrollen und weniger bürokratischen Auflagen. So bleibt mehr Zeit für das Wesentliche: das Vieh und die Arbeit auf den Höfen. Sein Ziel ist es, die flächendeckende Landwirtschaft und die Zukunft junger Bäuerinnen und Bauern zu sichern. Ein weiteres wichtiges Thema für ihn ist die regionale Versorgungssicherheit, ein Begriff, der vor seiner Amtszeit nahezu tabu war.

Weshalb spielt die Versorgungssicherheit trotz Globalisierung so eine große Rolle?

Wenn wir über zukünftige Budgets für Verteidigung sprechen, müssen wir auch die Landwirtschaft und die Selbstversorgung in den Blick nehmen. Die Versorgungssicherheit mit Lebensmitteln ist genauso wichtig wie die militärische Landesverteidigung.

Im Kontext von Europa muss auch die Entwicklung des ländlichen Raums strategisch analysiert werden: Ländliche Räume in Ländern wie Rumänien, Bulgarien oder Polen dürfen nicht weiter ausbluten, sonst droht Entsiedelung. In diesem Fall würden diese Länder zum einfachsten Einfallsgebiet für Kriegsparteien. Wir brauchen EU-weit verpflichtende Zahlungen für einen lebendigen ländlichen Raum mit aufrechterhaltener Landwirtschaft.

Diese Zahlungen sind in der zweiten Säule der Gemeinsamen Agrarpolitik für ländliche Entwicklung doch vorgesehen?

Auf EU-Ebene wird derzeit intensiv über die Zukunft der ländlichen Fördermittel diskutiert. Ein Vorschlag sieht vor, Fördermittel für die regionale Entwicklung in einen gemeinsamen Topf zu überführen. Durch diese Zentralisierung wird jedoch nicht genügend auf die regionalen Bedürfnisse eingegangen – eine Gefahr für den Fortbestand eines lebenswerten ländlichen Raums.

Was sagen Sie zum Renaturierungsgesetz?

Ein starres EU-Gesetz, das über Europa gestülpt wird, kann nicht funktionieren. Die Natur lässt sich nicht auf einem Blatt Papier formulieren. Landwirtschaft und Naturschutz in Zypern oder Finnland lassen sich nicht mit Verhältnissen in Österreich vergleichen. Es gibt bereits viele Projekte und Vorleistungen aus den vergangenen Jahren und Jahrzehnten in Österreich, die in einem guten Miteinander von Landwirtschaft und Naturschutz funktionieren – ohne irgendwelche Enteignungsfantasien.

Tirol hat beispielsweise seine aktive Almbewirtschaftung, die für eine große Artenvielfalt sorgt.

Wir profitieren bei der Umsetzung des Renaturierungsgesetzes zumindest von einer mittlerweile guten Achse zwischen Landes-, Bundes- und EU-Ebene. So kann ein nationaler Plan für die Renaturierung in Brüssel eingebracht und praxistauglich bewertet werden. Die Renaturierungsmaßnahmen müssen von den Regionen auf die Regionen zugeschnitten werden, landwirtschaftlich verträglich sein – und vor allem auf der Freiwilligkeit der betroffenen Grundbesitzer beruhen.

Was wurde in der Entwaldungsverordnung erreicht?

Leider wurde nur die Verschiebung der Entwaldungsverordnung um ein Jahr erreicht.

Einige Mitglieder des Europäischen Parlaments, insbesondere aus der Europäischen Volkspartei (EVP), schlugen vor, eine „Null-Risiko-Kategorie“ für Länder oder Regionen ohne Entwaldungsrisiko, wie Österreich, einzuführen. Diese hätten von bestimmten Regelungen, z. B. der Geolokalisierungspflicht, ausgenommen werden sollen. Doch der EU-Rat hat diesen Vorschlag abgelehnt, da viele Mitgliedsstaaten, darunter Deutschland unter einem grünen Landwirtschaftsminister, diese Regelung nicht unterstützen wollten.

Die EVP fordert weiterhin Änderungen und weniger Bürokratie. Entlastungspakete wurden bereits angekündigt und sollten hoffentlich auch diesen Bürokratieabbau umfassen. Wir bleiben dran.

Hartnäckigkeit hat auch bei der Senkung des Wolf-Schutzstatus gewirkt.

Das stimmt! Ich möchte den Tiroler Bäuerinnen und Bauern in dieser Angelegenheit ein herzliches Danke aussprechen. Jeder, der jemals eine Petition gegen den Wolf unterschrieben hat, eine Resolution eingebracht oder seine Stimme anderweitig erhoben hat, hat dazu beigetragen, dass der Schutzstatus des Wolfes nun in der FFH-Richtlinie gesenkt werden soll.

Dieser jahrelange Einsatz hat dazu geführt, dass die Länder künftig mehr Handlungsspielraum im Wolfsmanagement haben werden. Der nächste Schritt ist, dass auf EU-Ebene festgelegt wird, dass der Erhaltungszustand des Wolfs nicht nationalstaatlich oder auf Bundesländerebene definiert werden darf. In Tirol bedeutet das, dass nicht nur das Bundesland betrachtet werden darf, sondern der gesamte Alpenraum als ein gesamtes Verbreitungsgebiet gesehen werden muss. Die Zusammenarbeit mit Umweltkommissarin Jessika Roswall, die selbst aus Schweden stammt, verläuft hierzu sehr konstruktiv – sie bringt echtes Verständnis für die Anliegen der Landwirtschaft mit.

Die Vereinbarkeit von Umwelt und Landwirtschaft

Nicht nur Alexander Bernhuber vereint die Arbeit im Ausschuss für Landwirtschaft und für Umwelt miteinander, auch Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig ist neben seiner Kernkompetenz nun auch für das Umweltministerium zuständig. Bernhuber sieht darin eine gute Entwicklung, sowohl für die Land- und Forstwirtschaft als auch für die Umwelt.

„Agrar und Naturschutz gehören definitiv zusammen. Ohne gesunde Umwelt ist gar keine Landwirtschaft möglich – und umgekehrt genauso“, erklärt Bernhuber und meint: „Es ist sehr erfreulich, dass Landwirtschaft und Umwelt wieder in einem Ressort vereint sind und mit Norbert Totschnig ein erfahrener Minister beide Themen gemeinsam denkt und integriert. Seine Vertretung im EU-Ministerrat bringt eine sachliche und ausgewogene Stimme in umweltpolitische Diskussionen ein.“

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AUTORHannah Pixner
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