Eigentlich halten Herr und Frau Österreicher der Biolandwirtschaft auch in Zeiten der Inflation die Treue. Laut rollierender Marktanalyse der AMA Marketing machten Bio-Produkte 2023 wertmäßig durchschnittlich 11 Prozent des Einkaufskorbs im Lebensmitteleinzelhandel aus. Bei Mehl fiel der Bioanteil von 25 Prozent (in Zeiten der Corona-Pandemie), wieder geringfügig auf rund 23 Prozent, bei Brot und Gebäck blieb er nahezu stabil (- 1 %). Auch die Bioackerfläche stieg heuer wieder um knapp 1.550 Hektar. Mehr als ein Fünftel von Österreichs Äckern werden nun biologisch bewirtschaftet.
Lagerstände auf Rekordhoch
Dennoch berichtete die AMA vergangenen Monat von einer um 7 Prozent reduzierten Biogetreideverarbeitung. Die Vermahlung von Weichweizen, Dinkel und Roggen nahm heuer um 6 Prozent ab, in der industriellen Verarbeitung wurde sogar um fast ein Fünftel weniger verarbeitet. Die Biomaisverarbeitung brach gar um 38 Prozent ein. Einzig die Mischfutterhersteller konnten ihren Bioeinsatz um 7 Prozent erhöhen. Entsprechend gut gefüllt waren die Getreideläger mit Ware aus alter Ernte, die LK Niederösterreich nannte im Juni 160.000 Tonne als Größenordnung, ein Rekordwert. Im Juli bezifferte die AMA den Lagerstand über alle Kulturen hinweg um 8 Prozent höher als im Vorjahr. Konkret waren um fast ein Drittel mehr Mais, knapp 40 Prozent mehr Roggen sowie 13 Prozent mehr Weizen auf Lager. Dem standen geringere Lagervorräte bei Dinkel (-22 %) und Hafer (-77 %) gegenüber.
Mittermayr: „Die aktuellen Biopreise stehen zwar noch nicht final fest, die Marktsituation im Ackerbau ist derzeit aber nicht zufriedenstellend.“
Hohe Lagerstände, Flächenzuwachs (wenn auch nicht bei Getreide) und geringere Verarbeitung, all das hat naturgemäß auch Auswirkungen auf den Erzeugerpreis. Hermann Mittermayr, Geschäftsführer der Bio Austria Marketing, kommentiert die Situation: „Die aktuellen Biopreise stehen zwar noch nicht final fest, die Marktsituation im Ackerbau ist derzeit aber nicht zufriedenstellend.“ Allerdings sei Qualität auch heuer gefragt, so der Chef der 100-Prozent-Tochter des Verbands Bio Austria. In die konkrete Preisbildung sei man nicht involviert. „Die Preiseinschätzungen müssen Getreidehändler und Bündler mit den Landwirten durch Angebot und Nachfrage der tatsächlichen Warenflüsse finden“, erklärt Mittermayr.
Aus den Fachreferaten der LK Niederösterreich verlautet diesbezüglich: „Prinzipiell versuchen Aufkäufer mit den Abnehmern im In- und Ausland mittel- bis langfristige Verträge abzuschließen. Daraus leitet sich der Erzeugerpreis ab.“ Vorteil dieses Systems seien deutlich geringere Preisschwankungen als in der konventionellen Erzeugung, Nachteil, dass plötzliche Preisanstiege nur teilweise bei den Bauern ankämen. Der Bio-Markt sei in Europa immer noch ein Nischenmarkt, internationale Börsen notieren die Warengruppen nicht. Einzige Ausnahme ist die Produktenbörse Bologna, die wöchentliche Kassamarktnotierungen für Hartweizen, Weichweizen und Futtermais in Bioqualität veröffentlicht. Für Hermann Mittermayr rührt der gegenwärtige Preisdruck jedenfalls von den „offenen EU-Märkten“ her, welche die regionalen Landwirte vor Herausforderungen stellen.
Importe als Preisbremse „ausgeschlossen“
Eine Gruppe von ihnen sorgte jüngst unter dem Namen „Bio Fair Play“ für Furore. Die Mitgliedsbetriebe verlangten per Petition Einsicht in die von der Bio Austria Marketing zertifizierten Biofutterimporte und sahen darin eine mögliche Ursache für den sich nun abzeichnenden Preisverfall. Mittermayr möchte das so nicht stehen lassen: „Die Importe in das Futtermittelsystem von Bio Austria machen durchschnittlich nur 6 Prozent der gehandelten Gesamtmenge aus. Eine Beeinflussung des Preises durch Importware kann ausgeschlossen werden.“ Tatsächlich verhindere das von Bio Austria sich selbst auferlegte Futtermittelzertifizierungssystem zahlreiche Importe. Denn diese seien nur dann erlaubt, wenn eine „nachweisliche Nichtverfügbarkeit von österreichischen Biofutterrohstoffen besteht“ und bedürfen einem Antrag, der einer Einzelprüfung unterliegt.
Mittermayr: „Eine Beeinflussung des Preises durch Importware kann ausgeschlossen werden.“
Für Speiseware seien beim Verband Einfuhren grundsätzlich ausgeschlossen. „Das Ziel von Bio Austria ist es, Importe so weit wie möglich zu minimieren, denn die Österreichischen Biobauern und die Österreichische Bioqualität sind unser höchstes Gut, welches wir bestmöglich absichern“, erklärt Bio Austria Obfrau Barbara Riegler in einer Stellungnahme des Verbands.
„Übeltäter“ Futtergetreide
Bleibt die Frage wo dann das rückläufige Preisniveau für Biodruschfrüchte herrührt. Denn auch die alljährlich von Bio Austria herausgegebenen Preise für Futtergetreide „von Bauer zu Bauer“ sind heuer allesamt niedriger als noch vor einem Jahr. Für Futterweizen empfiehlt der Verband seinen Mitgliedern beispielsweise eine Preisspanne von 280 bis 305 Euro je Tonne (exkl. USt., 14 % Feuchte, 2 % Besatz) ab Hof. Im Vorjahr waren es noch 20 bis 45 Euro mehr.
Die Marktexperten der LK Niederösterreich begründen dies mit einem Überangebot an Futtergetreide in Bioqualität. Sowohl heuer als auch im Vorjahr wäre dessen Anteil an der Gesamternte „witterungsbedingt überdurchschnittlich hoch“ gewesen. Die inländische Nachfrage sei jedoch rückläufig, da die Zahl der tierhaltenden Biobetriebe abgenommen habe, informieren die Fachreferenten. Auch bei Speiseware meinen sie durch die Teuerung eine geringere Nachfrage zu erkennen, wiewohl sich hier zuletzt eine Besserung abzuzeichnen schien. Optimistisch ist man auch bei dem im Vorjahr noch dem freien Preisverfall unterlegenen Biodinkel und -roggen. Dort seien die Lagerstände „auf ein übliches Maß abgebaut“.
Qualität punktet im Export
Ähnliches berichten die Branchenkenner auch von den Exportmärkten für Bioerzeugnisse. Bei Soja, Hafer und höherwertigen Weizenqualitäten seien die Absatzmöglichkeiten „weiterhin gegeben und zufriedenstellend“. Futtergetreide sei allerdings auch dort „wegen verbesserter Eigenversorgung mit in manchen Zielländern, Preisfragen und Verbandsstandards“ eher ein Ladenhüter. Bio Austria-Fachmann Mittermayr bekräftigt diesbezüglich erneut, dass die hohe Qualität heimischer Bioware international gefragt sei und es keine Probleme im Absatz gäbe, wiewohl er betont, dass weder die Bio Austria Marketing noch der Verband selbst Importe oder Exporte durchführen.
Mais und Soja: Bitte warten
Bei diesen trüben Aussichten liegt der Verdacht nahe, dass sich auch bei den Herbstkulturen Soja und Mais die Preissituation heuer verschlechtert, immerhin verzeichnete Erstere 2024 einen Flächenzuwachs von knapp 2.000 Hektar und stellt mittlerweile die zweitwichtigste Druschfrucht auf Biobetrieben dar. „Die Biosoja-Vermarktung dürfte recht problemlos über die Bühne gehen“, prognostiziert man im Betriebswirtschaftsreferat in St. Pölten. Preise auf Vorjahresniveau, also etwa 610 bis 678 Euro je Tonne (exkl. USt.) werden erwartet. Etwas vorsichtiger gibt sich Hermann Mittermayr: „Die in die EU importierte Menge aus Übersee wird in jedem Fall Einfluss auf den Preis haben.“ China, Indien und Afrika seien „jedenfalls günstiger“. Umso wichtiger sei es, dass das Zertifizierungssystem des Verbands Importe streng reglementiere. Österreich verfüge nun ohnehin über genug Biosoja aus eigener Produktion, weshalb man auch keine Importe gestatte.
Beim Biomais rechnen die LK-Experten mit „keiner Rekordernte“, regional sei mit unterschiedlich schwachen Erträgen zu rechnen. Zu den erzielbaren Preisen könne man sich vorerst aber noch nicht äußern. Von Bio Austria heißt es diesbezüglich nur: „Ein möglicher Preisanstieg kann nur mit entsprechenden Exportchancen einhergehen.“
Was die langfristige Marktentwicklung betrifft, sieht man in St. Pölten die Chance auf Erholung „durchaus intakt“. Die gebremste Inflation in Österreich (und Europa) ließe die Kaufkraft und damit auch das Interesse an Bioprodukten beim Verbraucher wieder steigen. Bio Austria macht vor allem in den verpflichtenden Bioanteilen in der öffentlichen Beschaffung einen wichtigen Hebel zur Beruhigung des Marktes aus. Hermann Mittermayr, selbst Bioackerbauer, gibt seinen Berufskollegen allerdings mit: „Die Zeiten und Möglichkeiten ändern sich so rasch, dass sie durch jährliche Entscheidungsrhythmen nicht mehr abgebildet werden können.“ Von Spekulation auf einzelne Ackerkulturen rät er deshalb ab. Vielmehr müssten „Bodenfruchtbarkeit und langfristige Fruchtfolgen“ am Biobetrieb im Fokus stehen, meint er.
- Bildquellen -
- Flachlager Roggen: DIETER76 - STOCK.ADOBE.COM