Wir wollen den Milchprodukten wieder ein Gesicht geben – nach diesem Motto haben die Milchbauern Ewald und Sabine Wurzinger ein Direktvermarktungsprojekt der besonderen Art gestartet.
Vier “Kuhle Pakete” für 150 Euro pro Jahr
“Kuh4You” wurde als Name für das Projekt gewählt, weil es die Beziehung zwischen Kunden und Kuh stärken und das Bewusstsein für regionale Produkte schärfen soll. Zum Preis von 150 Euro pro Jahr können sich interessierte Tierfreunde ihre eigene Kuh mieten. Die vier Paradekühe Heidi, Herta, Friederike und Molly sollen bei der Auswahl helfen. Mit ihnen können die Mieter bei Besuchen, gemeinsamer Fütterung oder beim Melken auf Tuchfühlung gehen. Im Gegenzug erhalten die Neobauern neben einer persönlichen Urkunde, vier Mal pro Jahr ein Paket voll “kuhler” Überraschungen. Je nach Saison finden sich darin neben unterschiedlichen Käsesorten auch Aufstriche, Topfen, Joghurt oder Frischmilch. “Natürlich kann man seine Kuh auch gerne besuchen kommen und selber füttern und sein Packerl auch selbst zusammenstellen”, betont Sabine Wurzinger, die sich als diplomierte Käsesommelière auch in der Welt der heimischen Käser als erste Frau in der Branche längst einen Namen gemacht hat.
Eigener Charakter, eigener Name und eigene Frisur
“Es ist etwas Besonderes, mit Tieren zu arbeiten”, mit dieser Einstellung führen Sabine und Ewald seit den 1990-er Jahren einen Milchhof mit einer Herde von derzeit 90 Milchkühen. Und diese Philosophie versteht das “Bauernpaar aus Leidenschaft” auch seinen Kunden zu vermitteln, beispielsweise, wenn die Tiere so beschrieben werden: “Äußerlich für einen Laien kaum zu unterscheiden, ist jede Kuh doch eine Type für sich. Da gibt es die Munteren, die auch einmal frech werden könnten, und dann gibt es auch jene von der gemütlicheren Sorte.” Die Freude, mit der Wurzingers von ihren Tieren sprechen, ist ansteckend. Ewald Wurzinger: “Leider hat sich eine gewisse Distanz zwischen Mensch und Tier entwickelt.” Auch das Gefühl für die Produktion von Lebensmitteln und deren Wertigkeit sei verloren gegangen. Deshalb gehe es ihm und seiner Frau darum, das Tier wieder in den Vordergrund zu rücken und für den Konsumenten interessant zu machen. Es würden ja die wenigsten wissen, was eine Kuh an Arbeit bedeute. Den Verbrauchern die Erzeugnisse aus der Landwirtschaft auf eine Art nahezubringen, dass sie diese auch wieder zu schätzen lernen, streicht Wurzinger als wesentliche Absicht heraus.
Im Vordergrund steht das Ideelle, nicht das Geld
Das “große Geschäft” sei das Projekt nicht, so Ewald Wurzinger. Wenn man Produktions- und Versandkosten berücksichtigt, bleibe unter dem Strich nicht viel übrig. Aber das Packerl Milch bekomme durch “Kuh4You” ein Gesicht. Denn jede Kuh hat ihren eigenen Charakter, ihre eigene Frisur und natürlich ihren eigenen Namen. Wurzinger: “Kälber erhalten Namen, die mit dem Anfangsbuchstaben des Namens der Mutter beginnen – es ist ein reiner Frauenhaushalt, und das macht die Sache lebendig.” Die Neo-Bauern fragen auch nach, wie es ihrer Heidi, Herta oder Molly gehe und wenn die Wurzingers in den komfortablen Rinderlaufstall kommen, wo die Tiere viel Bewegungsfreiheit haben, können sie ihnen schöne Grüße von ihren Besitzern auf Zeit ausrichten. Mit einem umfassenden Sortiment an Milchprodukten möchte Familie Wurzinger einen “Wow-Effekt” bei den Kunden erzielen.
Sortiment mit “Wow-Effekt”
Ihnen sei es wichtig, Qualität zu vermitteln, bei ihren Produkten wisse der Kunde einfach, was er für sein Geld bekomme, sind sich der leidenschaftliche Landwirt und die diplomierte Käsesommelière einig, die ihre prämierten Milch- und Käsespezialitäten auch in renommierten Wiener Restaurants platzieren konnten. “Kuhpaten” gibt es bereits Dutzende – aus der näheren Umgebung und auch aus Deutschland und Wien.
Internationale Vorbildwirkung
Das Projekt hat sich auch schon bis auf die andere Seite des Erdballs herumgesprochen. Nach einem internationalen Radiobericht auf ABC Australia hat sich bei Familie Wurzinger ein Milchbauer aus der Nähe von Sydney gemeldet, der das gleiche Projekt starten will. “Er hat mehr als 100 Kühe, liefert auch Schulmilch und möchte so Bewusstsein schaffen, weil die Agrarindustrie immer übermächtiger wird”, erzählt Ewald Wurzinger. Eine schwedische Familie wiederum hat aus der Zeitung von “Kuh4You” erfahren und hat ab 2016 eine Kuh gemietet. Um auch den weiter entfernten Kundenden Kontakt zu den Tieren zu ermöglichen, wird Familie Wurzinger bald Webcams freischalten, und Bilder von Heidi, Herta, Friederike und Molly per Internet in alle Welt übertragen.
WAlter Enzinger
Betriebsspiegel: 90 Kühe, eigene Hofmolkerei
Milchhof Wurzinger, Fehring (Südoststeiermark) 40 Hektar Grünland, acht Hektar Ackerfläche. Der Viehbestand beträgt rund 90 Milchkühe. Eigene Hofmolkerei mit Produktion von Milch, Joghurt und zahlreichen Käsesorten. Die Produkte wurden bereits vielfach ausgezeichnet (Kasermandl in Gold, Genuss-Krone-Finalist, mehrfacher steirischer Landessieger). Die Vermarktung erfolgt über einen eigenen Hofladen. Kontakt und Informationen: Tel. 0664/423 17 69 www.milchhof-wurzinger.at