IGP Dialog: Der Green Deal macht die Landwirte zu Buchhaltern

Green Deal und Sustainable Use Regulation bedeuten unbewältigbare Bürokratie für Landwirte und negative Folgen für Umwelt, Versorgungssicherheit und EU-Landwirtschaft.

IGP-Dialog, im Bild v.l. Hermann Bürstmayr (Leiter der Institute für Pflanzenzüchtung sowie Biotechnologie in der Pflanzenproduktion an der Universität für Bodenkultur in Wien), IGP-Obmann Christian Stockmar, Hans Hoogeveen (Unabhängiger Vorsitz des Rates der FAO), Thomas Resl (Direktor der Bundesanstalt für Agrarwirtschaft und Bergbauernfragen), David Süß (Direktor des Österreichischen Bauernbunds) und Moderatorin Ursula Riegler.

Der Green Deal und seine Strategien sowie der aktuelle Entwurf zur Sustainable Use Regulation (SUR) bürden den Landwirten weitere Regeln auf und erschweren ihnen eine effiziente Produktion von Lebensmitteln. Darin waren sich die Experten beim 10. IGP Dialog der IndustrieGruppe Pflanzenschutz (IGP) zum Thema „Grünes Europa, hungrige Welt? Regulieren wir uns die Teller leer?“ einig.

Sie nannten Lösungen, wie eine nachhaltige Transformation gelingen kann: Der unabhängige Vorsitzende des Rats der FAO, Hans Hoogeveen, fordert etwa, den Landwirten die Freiheit und die Tools zu geben, damit sie effizient produzieren können. Passiert das nicht, so Thomas Resl, Direktor der Bundesanstalt für Agrarwirtschaft und Bergbauernfragen, wird Europa in anderen Regionen Lebensmittel abziehen und mehr klimaschädliche Gase verursachen. Dementsprechend fordert David Süß, Direktor des Österreichischen Bauernbunds, mehr Hausverstand in der EU-Agrar- und Umweltpolitik. Hermann Bürstmayr, Leiter der Institute für Pflanzenzüchtung sowie Biotechnologie in der Pflanzenproduktion an der Universität für Bodenkultur in Wien, appelliert, mehr in Forschung und Entwicklung zu investieren. Dadurch können die vielzähligen Möglichkeiten der unterschiedlichen Werkzeuge bestmöglich genutzt werden. Christian Stockmar, Obmann der IndustrieGruppe Pflanzenschutz (IGP), betont, dass die EU ihre globale Verantwortung wahrnehmen und den Landwirten im Entscheidungsprozess eine Stimme geben soll. Durch die Veranstaltung im Wiener Lokal Labstelle führte Ursula Riegler.

Stockmar: SUR ist “Mission Impossible”

„Eines muss allen klar sein: Ohne Pflanzenschutzmittel wird es schwierig, in Europa Ackerbau zu betreiben. Es gibt bereits jetzt eine enorme Trockenheit als Folge des Klimawandels, einen erhöhten Druck durch Schaderreger sowie Ernte- und Wirkstoffverluste – nämlich ein Viertel aller Wirkstoffe in den letzten 10 Jahren. Eine Umsetzung der SUR in der jetzigen Form und eine weitere Einschränkung bei der Verwendung von Betriebsmitteln wird für Landwirte zur Mission Impossible“, unterstreicht Christian Stockmar. Er nennt dazu vier unabhängige Folgenabschätzungen, die klar belegen, dass die Erträge sinken, die Preise steigen und die Abhängigkeit von Importen zunimmt. „Dann haben wir zwar ein grünes Europa, aber auch brennende Regenwälder in Südamerika“, so Stockmar.  

Die IGP hat mit Experten unter dem Titel „Innovation Deal“ Lösungen für eine nachhaltige Transformation der europäischen Landwirtschaft diskutiert. Demnach braucht es einen umfassenden Dialog und Wissenstransfer, Forschung und Entwicklung sowie innovative Technik. „Die Hersteller von Pflanzenschutzmitteln gehen als gutes Beispiel voran und investieren bis 2030 insgesamt 14 Mrd. EUR in technologische Lösungen und biologische Pflanzenschutzmittel. Die EU-Kommission ist gefordert, die Rahmenbedingungen für Forschung & Entwicklung zu verbessern. Seit 2011 wurden nämlich 108 Anträge für Wirkstoffe gestellt, aber nur die Hälfte bewilligt“, so Christian Stockmar.

Hoogeveen: Integriert denken und solidarisch handeln

„Wir benötigen in der Landwirtschaft eine Transformation, aber sie darf nicht zu mehr Regeln und Regulierung führen, deren Kosten die Bauern tragen“, betont Hans Hoogeveen. Weltweit steigt die Zahl der Menschen, die Hunger leiden, und das Risiko für Dürren und Umweltkatastrophen nimmt durch den Klimawandel zu. Aber wir dürfen nicht vergessen, dass wir im Jahr 2050 zehn Milliarden Menschen ernähren müssen. Schätzungen zeigen, dass die Welt bis 2050 50 Prozent mehr Agrarproduktion benötigt, um die wachsende Weltbevölkerung zu ernähren. Das bedeutet, dass die Landwirtschaft auf nachhaltige Weise ausgebaut werden muss. „Wir brauchen daher eine nachhaltige Lebensmittelproduktion und ein stärkeres internationales Versorgungssystem. Die geplante EU-Regulierung birgt aber ein Risiko für die Versorgungssicherheit – vor allem in Entwicklungsländern“, bekräftigt Hans Hoogeveen. „Landwirte sind Unternehmer und tragen die Nachhaltigkeit im Herz. Durch die geplanten EU-Regeln werden sie aber eher Buchhalter als Bauern. Daher sage ich: Lassen wir ihnen genug Spielraum, um ihren Betrieb wirtschaftlich zu führen.“ Er fordert einen integrierten Ansatz, Solidarität auf nationaler, EU- und globaler Ebene sowie das Bereitstellen von Innovation aus Europa in Entwicklungsländern.

Resl: Importe bringen größeren Emissions-Rucksack

Der hohe und künftig wahrscheinlich steigende Import nach Umsetzung der SUR bringt ein Problem mit sich, betont Thomas Resl: „In Europa werden wir klimaneutral, aber wir importieren einen größeren CO2-Nettorucksack in die EU. Studien belegen, dass die Emissionen global steigen werden. Die EU nimmt also ihre globale Verantwortung nicht wahr. Zudem erleben wir aktuell Effekte und Preissteigerungen, die vorher niemand für möglich gehalten hätte. Daher müssen wir bei den aktuellen Plänen zurückrudern, denn das ist nicht der Sinn.“

Süß: Österreich muss dagegenhalten

„Durch die Corona-Pandemie haben regionale Lebensmittel an Wert gewonnen. Seit der Teuerungswelle dreht sich der Spieß um: Konsumenten greifen wieder zum günstigeren Produkt. Das und auch die Preissteigerungen bei Energie und Betriebsmitteln wirken sich auf unsere Bauernfamilien aus“, sagt David Süß. Seit dem Ukraine-Krieg ist der Green Deal veraltet, „weil er die Versorgungsthematik nicht einfließen lässt“. Österreich ist daher gefordert, Allianzen mit anderen EU-Mitgliedsstaaten zu schmieden und mit aller Kraft den teils dubiosen Vorschlägen der EU-Kommission entgegen zu halten. „Die EU-Kommission agiert derzeit wie auf einem Basar: Den Preis hoch ansetzen, um bei den Verhandlungen genügend Spielraum zu haben.“

Bürstmayr: In Forschung investieren

„Die Züchtung braucht Forschung und Entwicklung, um gute Leistungen zu erbringen. Insbesondere die Züchtung auf Resistenzen wird zunehmend wichtiger, aber auch auf regionale Bedingungen, die Folgen des Klimawandels sowie andere Stressfaktoren wie Krankheiten. Wir können in der Züchtung reagieren, haben aber keinen Zauberstaub. Die Züchtung ist nur ein Werkzeug des gesamten Kastens“, so Hermann Bürstmayr. Das gilt auch für die neuen Züchtungsmethoden. Er appelliert, nachhaltig und langfristig Investitionen in die Forschung zu tätigen.

Die Veranstaltung kann auf dem YouTube-Kanal der IGP nachgesehen werden.  

- Bildquellen -

  • 2247 W IGP Teilnehmer: IGP/Katharina Schiffl
- Werbung -
AUTORH.M.
Vorheriger ArtikelRZV: Kälberpreise unter Druck
Nächster ArtikelLand wirkt Mangel an Pflegepersonal entgegen