Die Imkermeisterin Adriana Traunmüller mit ihren Lieblingstieren.

Rund 15 Millionen Bienen der Bezirksimkerei fliegen beinahe täglich über die Dächer Wiens. Das Besondere: In jedem Bezirk wird eine eigene Honigsorte hergestellt. Die Idee dafür entstand durch Zufall. Der Gründer Matthias Kopetzky erbte im Jahr 2013 einige Bienenstöcke und produzierte zunächst in Meidling Honig, seine Schwägerin in der Donaustadt. Der Geschmack der beiden Honige war unterschiedlich und einzigartig, sodass Kopetzky beschloss, in allen Wiener Bezirken Bienenstöcke aufzustellen. Mittlerweile arbeiten vier Leute in der Imkerei. Die Liebe zu den Tieren beschreibt Imkermeisterin Adriana Traunmüller so: „Die Bienen sind einzigartige Individuen, denn sie kommunizieren auf sehr einfache Weise sehr effizient untereinander.“ Ungefähr 17 bis 25 Kilogramm Honig kann pro Bienenvolk erwirtschaftet werden. Allerdings ist die Menge vom Wetter und von den Temperaturen abhängig. Der Klimawandel macht der gesamten Produktion zu schaffen. „Am schlimmsten ist das unvorhersehbare Wetter, sprich die warmen Tage im Februar und dann wieder der Kälteeinbruch im März“, sagt Traunmüller. Ungünstig sind auch lange Regenperioden während der Blütezeit, denn bei Regen verlassen die Bienen ihren Stock nicht. „Der Anstieg der Temperatur ist weniger problematisch, denn Bienen haben einen inneren Mechanismus, der die Hitze abfedern kann“, beschreibt die Imkermeisterin. Wie bei allen landwirtschaftlichen Tätigkeiten wären konstant warme Frühlingstage mit wenigen Regentagen und ohne starke Kälteeinbrüche mit Minusgraden die ideale Witterung. 

Standorte

Verteilt auf 50 Standorte in Wien stehen die meisten Bienenvölker der Imkerei auf flachen Hausdächern. Viele davon auf Hotels, die den dort produzierten Honig an ihre Gäste verkaufen. Eine Aufstellung am Dach ist besonders vorteilhaft, da die Bienenstöcke von äußeren Einflüssen oder natürlichen Feinden, wie zum Beispiel Mäusen, aber auch von Menschen, abseits sind. Auch gegen Bezahlung können Privatleute ein Bienenvolk auf dem Dach stehen lassen. „In jedem Bezirk wachsen unterschiedliche Pflanzen und Bäume, deshalb auch der unterschiedliche Geschmack“, bestätigt Adriana Traunmüller. Es gibt aber auch nicht blühende Pflanzen, wie zum Beispiel Gingkobäume. Diese sind für die Nektarsammlung ungeeignet. „Aber jedes noch so kleine Fensterbrett mit ein paar Küchenkräutern lockt Bienen an und sorgt für den individuellen Honiggeschmack“, sagt Jacqueline Wollanka, Leiterin für Produktion und Vertrieb.

Produkte

31 Euro pro 960 Gramm kostet der Wiener Honig. Ein stolzer Preis, aber gerechtfertigt, denn die Ernte findet nur einmal im Jahr statt und ist sehr aufwendig.  „Honig ist das am zweitmeisten gefälschte Lebensmittel, denn in der Industrie wird Honig oft mit Reis- oder Maissirup vermischt und kann deshalb günstiger verkauft werden“, erklärt Jacqueline Wollanka. „Dem Konsumenten ist die harte Arbeit hinter dem Honig teilweise nicht bewusst und er ist deshalb oft über die eigentlich hohen Preise schockiert.“ Neben Honig werden in der Imkerei unter anderem auch Propolistropfen, Blütenpollen und Oxymel verkauft. Das Oxymel ist ein altes Hausmittel, welches heutzutage beinahe in Vergessenheit geraten ist. Der Sirup dient zur Stärkung der Verdauung und des Immunsystems und kann entweder kalt oder warm, pur oder verdünnt getrunken werden. Er besteht aus Essig und Honig und wird mit unterschiedlichen Gewürzen oder Früchten verfeinert. Die gesamten Produkte werden im Onlineshop, in der Imkerei im 5. Bezirk oder auch bei den über 40 verschiedenen Händlern sowie Greißlereien verkauft.

Honigernte

Im Juli wird einmal jährlich geerntet. In diesem Zeitraum helfen Interessierte freiwillig mit und können so den Ernteprozess mitverfolgen. Dabei werden die Honigwaben zuerst bienenfrei gemacht und einzeln aus dem Bienenstock entnommen, in eine Leerzarge gehängt und entdeckelt. Die dünne Wachsschicht (Deckel) auf den Waben wird mithilfe eines Wabenmessers oder einer Entdeckelungsgabel entfernt, um an den Honig zu gelangen. Die entdeckelten Waben werden in eine Honigschleuder gestellt und bei niedriger Drehzahl geschleudert, damit der Honig durch Zentrifugalkraft aus den Waben gelöst wird. Der Honig fließt durch ein Spitzsieb in einen Auffangkübel (Hobbock), um Wachsreste herauszufiltern. Der Honig ruht mehrere Wochen, während der Kristallisationsprozess beginnt. In dieser Zeit wird eine Schaumschicht aus Wachs und Pollenresten entfernt und der Honig gerührt, um eine weiche Konsistenz zu erhalten. Der gefilterte Honig wird abgefüllt und ist dann bereit zur Lagerung oder zum Verkauf. Nach der Honigernte werden die leeren Waben den Bienen zurückgegeben, damit sie diese für den Winter wieder mit Honig füllen können.

Jacqueline Wollanka (Produktion und Vertrieb) füllt das Oxymel ab

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Ausblick

In den nächsten Jahren möchte die Imkerei einige Bienenvölker aufstocken und einige Standorte dazunehmen. Die Jungvölker züchten die Imker/-innen im Frühsommer immer selbst. „Aber im Großen und Ganzen sind wir zufrieden und möchten nicht unendlich wachsen, weil es die Stadt auch nicht hergibt“, sagt Adriana Traunmüller. Ein großes Anliegen der Imkermeisterin ist auch das Verständnis der Bevölkerung gegenüber den Wildbienen und anderen bestäubenden Insekten. Diese produzieren zwar keinen Honig, sind aber dennoch für das natürliche Gleichgewicht notwendig. Die Imkerschule im Donaupark bietet für Interessierte Schulungen und Kurse zum Imkern an.

- Bildquellen -

  • Über den Dächern Wiens: Katharina Berger
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AUTORKatharina Berger
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