Wie einst bei der Maul- und Klauenseuche stand das Bundesheer vergangene Woche für veterinärmedizinische Zwecke im Assistenzeinsatz. Im Mostviertel dekontaminierten Soldaten der ABC-Abwehrtruppe Lkw, welche die zehntausenden gekeulten Legehennen abtransportierten.

Seit den 2000er-Jahren zählen aggressive Varianten der Vogelgrippe (HPAI) in Europa alle Jahre wieder zu den großen Sorgen der Geflügelwirtschaft. Waren bisher allerdings stets die Küstengebiete am stärksten davon betroffen, erweisen sich heuer Mittel- und Osteuropa – und damit auch Österreich – laut einem „Vogelgrippe- Radar“ der EU-Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) als größtes Epizentrum.

Quelle: AGES
Aviäre Influenza: Risikogebiet und Ausbrüche seit 1. September (Stand 11.11.2024).

„Ich arbeite seit mehr als 20 Jahren im Veterinärwesen, aber so etwas ist mir noch nicht untergekommen“, berichtet Ulrich Herzog, Sektionsleiter im Gesundheitsministerium. In einer Pressekonferenz mit der Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES) vergangene Woche wurde die aktuelle Lage erläutert. In den vergangenen Jahren habe man laut Herzog in Österreich stets Glück gehabt. Heuer sei dem leider nicht so. Die Vogelgrippe tritt immer im Frühjahr und Herbst auf, jeweils mit dem Vogelzug der Wildvögel. Mit ihrem Kot verbreiten sie das Virus. Es bleibt bei kühlen Temperaturen gut drei Monate infektiös. „Wenn wir die Jahre 2023 und 2024 vergleichen, sehen wir heuer einen früheren Anstieg der Fälle“, analysiert Friedrich Schmoll, Leiter der Abteilung Tiergesundheit in der AGES. Anfang Oktober wurde der erste Fall der Saison in einem Hausgeflügelbestand im Bezirk Braunau in Oberöstereich gemeldet. Mittlerweile wurden zudem fünf Betriebe im Bezirk Amstetten sowie einige Wildvögel positiv getestet. Damit erreicht die Seuche ein Zentrum der heimischen Geflügelhaltung. Mit 3,3 Millionen Tieren ist Amstetten der Bezirk mit der höchsten Federviehdichte im Land.

Herzog: „Wir hätten die erste Welle etwas später erwartet.“ 

„Wir hätten die erste Welle etwas später erwartet“, räumt Herzog ein. Wie das Virus in die geschlossenen Betriebe eingeschleppt wurde, ist noch völlig unklar. In der AGES mutmaßt man über einen Zusammenhang mit dem Hochwasser im September. Der von Vögeln im stehenden Wasser hinterlassene Kot könnte damit zu tun haben.

Hunderttausende Tiere notgetötet

Auf den betroffenen Höfen mussten bisher mehr als 230.000 Hühner und Puten durch eine Spezialfirma aus Holland gekeult werden oder verendeten. Ein Gros davon auf einem Betrieb in Biberbach, wo der enorme logistische Aufwand sogar einen Assistenzeinsatz des Bundesheeres nach sich zog. Medienberichten zufolge waren von Freitag bis Sonntag 18 Mann einer ABC-Abwehrkompanie vor Ort, um in eigens errichteten Schleusen die Kadavertransporter zu desinfizieren und damit eine weitere Ausbreitung des Virus zu verhindern. Die Lkw transportierten die 137.000 toten Hühner zur Tierkörperverwertung nach Tulln. Zuletzt war ein solcher Einsatz in den 1970er- Jahren notwendig, als im Land unter der Enns die Maul- und Klauenseuche (MKS) unter Wiederkäuern grassierte.

Österreich ist Risikogebiet

Wassergeflügel überträgt das Virus, zeigt jedoch nur in den seltensten Fällen Symptome. Eine gemischte Haltung mit Hühnern und Puten ist unzulässig.

Für Ulrich Herzog ist die gegenwärtige Situation mit dem damaligen MKS-Ausbruch durchaus vergleichbar. Nachsatz: „Wir glauben, dass wir mit den nun gesetzten Maßnahmen die Situation absichern können.“ Gemeint sind die seit 8. November geltenden, verschärften Seuchenauflagen. Ganz Österreich ist nunmehr als Gebiet mit erhöhtem HPAI-Risiko eingestuft. Geflügelhalter sind dazu angewiesen, ihre Tiere etwa durch Netze und Dächer vor dem Kontakt mit Wildvögeln zu schützen. Die Fütterung und Tränkung der Tiere darf nur mehr im Stall oder in einem Unterstand erfolgen. Für letzteres ist Trinkwasser zu verwenden, zu dem die Wildvögel keinen Zugang hatten. Enten und Gänse, die laut Experten nur in den seltensten Fällen Symptome zeigen, aber das Virus übertragen, sind von anderem Hausgeflügel zu separieren.

Herzog: „In Risikogebieten gilt erhöhte Meldepflicht.“

„In allen Risikogebieten gilt auch erhöhte Meldepflicht“, informiert Herzog. Fällt einem Tierhalter ein Abfall der Futter- oder Wasseraufnahme um mehr als ein Fünftel, ein Abfall der Eierproduktion um fünf Prozent über zwei Tage und mehr oder eine erhöhte Sterblichkeit in seinem Bestand auf, hat er dies dem Amtstierarzt mitzuteilen. Im Sinne der Biosicherheit wird außerdem empfohlen, eigene Stallkleidung und -schuhe zu verwenden und bei der Versorgung besonders auf die Handhygiene zu achten.

Strenge Auflagen und 30 Tage Einstallverbot

Doch damit nicht genug: In 25 Bezirken in Salzburg, Ober- und Niederösterreich sowie im Burgenland und in Kärnten geht das Gesundheitsministerium aufgrund der hohen Geflügeldichte von einem „stark erhöhten Risiko“ aus. Dort gilt zusätzlich Stallpflicht für alle Betriebe mit mehr als 50 Tieren. Rund um betroffene Geflügelhöfe werden wie bisher befristete Schutz- und Überwachungszonen im Radius von drei beziehungsweise zehn Kilometern gezogen. Dort gilt eine generelle Stallpflicht für alle Geflügelbestände. Eine Verbringung von Tieren und deren Produkten ist nur mit Genehmigung erlaubt. Für den Zukauf neuer Küken in diese Zonen wird es laut Geflügelwirtschaft Österreich allerdings keine Erlaubnis geben. Alle Betriebe werden außerdem von Amtstierärzten untersucht. Die betroffenen Bauern müssen nach dem fachgerechten Entsorgen der Tiere ihre Ställe selbst desinfizieren und dürfen an den darauffolgenden 30 Tagen kein Geflügel einstallen.

Geflügelversicherung hilft in der Not

All diese Regelungen sind für die gesamte Branche eine wirtschaftliche Belastung, teilt Michael Wurzer von der Geflügelwirtschaft Österreich mit. Immerhin: Rund 80 Prozent des heimischen Geflügelbestandes sind in solchen Fällen durch die Tierversicherung der Österreichischen Hagelversicherung erfasst. Bund und Länder bezuschussen die Versicherungsprämie für die Landwirte mit 55 Prozent. Treten Tierseuchen am Hof auf, wird der Tierwert laut fixen Tarifen ersetzt. So auch der biologische Leistungseinbruch, etwaige Schäden und Entwertung durch Entsorgung oder Deklassierung der Eier oder der Ertragsausfall durch leer gebliebene Stallungen.

Etwas zur Beruhigung beitragen konnte indes die veterinärmedizinische Abteilung des Landes Oberösterreich. Die Anfang Oktober rund um den positiv getesteten Betrieb im Bezirk Braunau errichtete Sperrzone wurde mittlerweile wieder aufgehoben. Die Amtstierärzte hatten keine weiteren Verdachtsfälle ausmachen können.

Quelle: CHALERMPHON - STOCK.ADOBE.COM
Blass-bläuliche Kämme und Ständer sind ebenfalls ein mögliches Symptom. Bei Verdachtsfällen besteht Meldepflicht.

Die Symptome der Vogelgrippe rasch erkennen: Inkubationszeit von ein bis drei Tagen; Atemwegsbeschwerden, Schnabelatmung; Augen- und Nasenausfluss, grünlich-wässriger Durchfall; Blutungen an Kammspitzen und Ständern; Anschwellungen im Kopfbereich, neurologische Symptome; Rückgang der Legeleistung, dünne oder fehlende Eierschalen; Verminderte Futter- und Wasseraufnahme; Mattigkeit, Fieber

Die AGES informiert auf ihrer Website tagesaktuell über die Fallzahlen.

- Bildquellen -

  • Grafik HPAI-Fallzahlen: AGES
  • Infiziertes Huhn: CHALERMPHON - STOCK.ADOBE.COM
  • Desinfektionsschleuße: ALBIN FUSS/APA PICTUREDESK.COM
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AUTORClemens Wieltsch
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