Hitzestress: Mit der Kuh leidet auch der Fötus

Hitzestress bei Kühen mindert Futteraufnahme und Milchleistung. Neuere Untersuchungen zeigen, dass auch die Kälber hitzegestresster Mütter von leistungshemmenden Effekten betroffen sind. Die nachteiligen Effekte bilden sich nicht mehr zurück und werden auch an Folgegenerationen weitergegeben. Dies sollte bei der Nachzucht deutlich mehr Beachtung finden.

Leistungsfähige Ventilatoren, hier kombiniert mit Wasserverneblern, können einen Kühleffekt in der Größenordnung von 10 °C erzeugen.

Hitzestress bei Kühen hat auch bei deren Kälbern Leistungsdepressionen zur Folge. Diesen in der Praxis noch wenig beachteten Sachverhalt hat Dr. Roland Koch von der Rheinland-Pfälzischen Lehr- und Versuchsanstalt für Viehhaltung, Hofgut Neumühle, in den Mittelpunkt seines Vortrages gestellt, den er im Rahmen der diesjährigen Viehwirtschaftlichen Fachtagung der HBLFA Raumberg-Gumpenstein gehalten hat.

Hitzestress der Mutter wirkt bei Töchtern nach

Koch erläuterte den Sachverhalt anhand einer Studie aus dem Jahr 2016 (Monteiro et al.), bei der eine Gruppe von Milchkühen, die in der Transitphase über 46 Tage Hitzestress ausgesetzt war, mit einer zweiten Gruppe verglichen wurde, die in der gleichen Phase einen Stall mit Beschattung, Ventilation und Wasservernebelung zur Verfügung hatte. Der Vergleich wurde allerdings nicht zwischen den betreffenden Kühen selbst vorgenommen, sondern drei (!) Jahre später bei der Erstlaktation ihrer weiblichen Nachkommen (Grafik 2). Hier zeigte sich, dass die Töchter der durch Hitze gestressten Mütter (Kurve „Heat Stress“) um gut fünf Kilogramm weniger Milch pro Tag gaben als die Töchter der Kühe im gekühlten Stall (Kurve „Cooling“). Der Effekt blieb auch in den Folgelaktationen bestehen. Mit zunehmendem Alter wurde der Leistungsunterschied noch größer.

Niedrigere Geburtsgewichte

Der Hitzestress der Mütter beeinflusst bei deren Töchtern neben der Milchleistung zudem noch eine Reihe weiterer Gesundheitsparameter. Hier nannte Koch:
• ein verringertes Körpergewicht zur Geburt und in der Pubertät,
• eine beeinträchtigte passive Immunität bzw. Immunabwehr,
• eine verringerte Effizienz bei der Aufnahme von Immunglubulinen (IgG-Absorption),
• veränderte Entzündungsreaktionen,
• veränderte Thermotoleranz im späteren Leben und
• Verhaltensänderungen wie z. B. verringerte Liegezeit, erhöhte Stehzeit.

Das auffälligste äußere Kennzeichen der durch überhöhte Temperaturen im Uterus geschädigten Kälber ist laut Koch ein schwaches Geburtsgewicht. Im Mittel seien solche Kälber um fünf bis sechs Kilogramm leichter, also statt 45 nur etwa 39 Kilogramm. Insbesondere bei schweren Kühen mit 800 Kilogramm Lebendgewicht oder darüber seien Kälber mit beispielsweise 38 Kilogramm Geburtsgewicht oder weniger auf jeden Fall zu leicht. Zudem haben solche Kälber verminderte Abwehrkräfte gegen Infektionen, was zu erhöhter Krankheitsanfälligkeit und früherem Abgang führt.
Ein weiterer beachtlicher Faktor ist, dass die betroffenen Kälber ihre Leistungsdepression in der Folge auch an die eigenen Nachkommen weitergeben. In neueren Studien war diese Langzeitwirkung über drei bis vier Generationen nachweisbar. Der Effekt war auch bei verbesserten Umweltbedingungen für die Nachkommen nicht (!) umkehrbar.

Hitzebelastung mittels Index bewerten

Begründet ist dieser Sachverhalt in sogenannten epigenetischen Effekten. Die widrigen Umweltbedingungen beeinflussen zwar nicht das Genom selbst, es kommen aber durch Aktivierung anderer Genorte Anpassungsreaktionen in Gang, die nicht ohne weiteres umkehrbar seien. Aufgrund der Langzeitwirkung der Hitzeeinflüsse sollten diese Kälber nicht für die Weiterzucht eingesetzt werden, so Koch. Sein Vorschlag: „In der Zucht könnte man die Tiere nach dem Temperature-Humidity-Index gruppieren.“
Der Index, wie er etwa im DLG-Merkblatt 450 veröffentlicht ist, berücksichtigt neben der Temperatur auch die Luftfeuchtigkeit. Bei der in unseren Breiten üblichen Luftfeuchtigkeit von etwa 70 Prozent beginne milder Hitzestress schon ab 22 °C (THI 68), ab 24 °C (THI 72) sei bereits mit Leistungseinbußen zu rechnen. Zur Gruppierung von Zuchtgruppen empfahl Koch einen vergleichsweise niedrigen THI von 60. Verständlich wird dies, wenn man die zum Leistungsniveau der Tiere passende thermoneutrale Zone betrachtet. Bei einer relativ niedrigen Milchleistung von 20 kg pro Tag fühlen sich die Kühe im Bereich von 0 bis 15 °C am wohlsten. Bei höheren Milchleistungen mögen es die Tiere noch deutlich kühler.

Sich einmal selbst in die Box legen

Neben Thermometer und Hygrometer im Stall sollte jeder Milchviehhalter auch die Tiere selbst auf Anzeichen von Hitzestress be-obachten. Koch empfahl: „Legen Sie sich einmal selbst in die Box, um die Wärmebelastung zu spüren.“ Erste Signale für Hitzestress seien
• eine erhöhte Atemfrequenz („Pumpen“ beim Liegen),
• verringerte Liegezeiten,
• sinkende Futteraufnahme,
• Abfall der täglichen Milchleistung um mehr als zwei Kilogramm pro Kuh,
• Fruchtbarkeitsprobleme (sinkende Konzeptionsrate) und
• mehr Lahmheiten durch Sohlengeschwüre, etwa zwei Monate nach Hitzestress aufgrund hoher Stoffwechselbelastung (vor allem bei stärkelastiger Fütterung).

Wasser und Luft schaffen Linderung

Unmittelbar wichtigste Maßnahme zur Linderung der Hitzebelastung im Milchviehstall (und auch auf der Weide!) ist laut Koch eine ausreichende Wasserversorgung. In heißen Regionen saufen Milchkühe bis zu 200 Liter Wasser pro Tag. Wichtig sei, Rangkämpfe an den Tränken durch Platzierung und Anzahl zu vermeiden. Bei der Fütterung seien die Einflussmöglichkeiten geringer, am ehesten könnte man sie in die kühleren Tageszeiten verlegen.

Quelle: adobe.stock.com / Tauav
Bei Hitze ist die Wasserversorgung besonders wichtig.

Weiters sehr wichtig sei, so Koch, die Hitzebelastung im Stall zu reduzieren. Dies gelte neben den hochleistenden Tieren im Hinblick auf die Kälber vor allem auch für die hochträchtigen Tiere in der Transitphase. Denn gerade hier sei die schädliche Wirkung übermäßiger Hitze auf die ungeborenen Kälber am größten.
Wie dem beizukommen ist, erläuterte in einem Folgevortrag Eduard Zentner von der HBLFA Raumberg-Gumpenstein. Zur Entlastung der Tiere ist laut Zentner die Luftströmung per Ventilation die beste Maßnahme, keine andere Technik komme hier mit. Wichtig für den Tierkomfort sei, den Luftstrom quer durch den Tierbereich zu lenken und nach Möglichkeit nicht in den Kopfbereich. Unterstützend sei die Vernebelung von Wasser möglich, wobei hier aber die erhöhte Luftfeuchtigkeit zu berücksichtigen sei. Die Ventilation ermögliche durch den „Windchill-Effekt“ eine Kühlung von etwa 10 °C.

www.raumberg-gumpenstein.at/forschung/

- Bildquellen -

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  • 2420 0601 06 Lueftung Kuhstall: vetinfo.at / Kritzinger
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QuelleH.M.
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