
Heute (Mittwoch) hat die Europäische Kommission ihre „Vision für Landwirtschaft und Ernährung“ vorgestellt. Zu Mittag traten EU-Vizekommissionspräsident Raffaele Fitto und Agrarkommissar Christophe Hansen vor die Presse. „Anreize statt Bedingungen“ sollen demnach künftig die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) dominieren. Dem Strategiepapier zufolge werde der Fokus hinkünftig wieder auf die Hauptaufgabe der Landwirtschaft – nämlich die Erzeugung von Lebensmitteln – gelegt. Die EU-Exekutive will damit den Forderungen der europaweiten Bauernproteste 2024 Rechnung tragen. Für Fitto ist ihre Vision „eine starke Reaktion auf diesen Hilferuf der Bauern“. Nachsatz: „Die Landwirtschaft arbeitet mit der Natur zusammen, die Landwirte sind ein Teil der Lösung, nicht des Problems.“ Ab sofort sollen „einfache, maßgeschneiderte Lösungen“ die EU-Agrarpolitik prägen.
Gerechtere GAP; Festhalten an Direktzahlungen
Den wohl wesentlichsten Punkt im Brüsseler Papier nimmt naturgemäß die GAP nach 2027 ein. Diese soll sich durch „gerechtere und besser ausgerichtete öffentliche Unterstützung“ auszeichnen. Fördergelder sollen dort ankommen, wo sie am dringendsten benötigt werden, nämlich auf Höfen in benachteiligten Gebieten, bei Jungbauern, Neueinsteigern und auf Gemischtbetrieben.
Der Agrarkommissar strebt ein „Gleichgewicht zwischen ordnungspolitischen und anreizbasierten Maßnahmen“ an. Die Abwicklung soll „einfacher und gezielter“ werden. Dies gelte insbesondere für kleine und mittlere Betriebe. Ihnen will Hansen ein Wirtschaften „ohne administrative Überlastung“ ermöglichen, etwa durch „Straffen der Kontrollen“.
Am System der Direktzahlungen will die Kommission aber nicht rütteln. Begründet wird das mit Zahlen aus 2020. Damals machten Förderungen der ersten Säule im Schnitt 23 Prozent des Einkommens landwirtschaftlicher Betriebe aus. Was die EU-weit heiß diskutierte Frage der Obergrenze bei Direktzahlungen betrifft, bleibt das Visionsschreiben eher abstrakt. Eine Kappung soll (wie bisher) „unter Berücksichtigung der unterschiedlichen strukturellen und sektoralen Gegebenheiten in den Mitgliedstaaten“ zum Einsatz kommen, ist zu lesen.
Gleiche Standards für Importe
Spannend sind auch die Kommissionspläne im Kapitel „Faire und gerechte Lebensmittelkette“. Die Landwirtschaft soll in Zukunft ein höheres Einkommen am Markt erzielen. Erreichen will man das mit den bereits präsentierten Gesetzesvorschlägen zur Anpassung der Rechtsvorschriften in der Gemeinsamen Marktordnung und der Durchsetzung grenzüberschreitender Vorschriften der Richtlinie gegen unlautere Handelspraktiken. Im Wesentlichen sollen damit Ungleichgewichte in der Wertschöpfungskette Lebensmittel ausgeglichen und Wettbewerbsnachteile gegenüber Importen kompensiert werden. Agrarprodukte, die in die EU eingeführt werden, müssen Kommissionsangaben zufolge dann denselben Produktions- und Qualitätsstandards entsprechen wie am Binnenmarkt erzeugte. Produkte aus in der EU verbotenen Haltungsformen oder mit Hormonen oder hierzulande nicht mehr erlaubten Pflanzenschutzmitteln behandelte Waren wären nicht länger zulässig.
Verbote mit Augenmaß
Erleichterungen verspricht Christophe Hansen auch in Sachen Pflanzenschutz. Während in der ersten Amtsperiode von Ursula von der Leyen nicht mit Kritik am chemischen Pflanzenschutz gespart wurde, will Hansen ab sofort weitere Einschränkungen beim Pflanzenschutz „sorgfältig prüfen“. Vor allem „wenn nicht innerhalb eines angemessenen Zeitraums Alternativen zur Verfügung stehen“, will man von Wirkstoffverboten absehen. Dies diene nicht zuletzt auch dazu, den Beitrag der EU zum Erhalt der Ernährungssouveränität zu sichern, heißt es.
Österreich bei Jungbauern Vorzeigemodell
Dass dem Luxemburger Hofnachfolger ein Anliegen sind, machte er auch bei seinem Besuch in Wien im Jänner deutlich. Bei der Präsentation der Agrarvision verwies er lobend auf den österreichischen Weg der Junglandwirte-Förderung. Europaweit will er der jungen Generation in einem ersten Schritt den Zugang zu landwirtschaftlicher Nutzfläche erleichtern. Gelingen soll das durch eine EU-Beobachtungsstelle, welche Landtransaktionen transparenter machen und über Preistrends informieren soll.
Um eine EU-weite Verjüngung auf den Höfen zu erreichen, plant Hansen auch Kooperationen mit den Mitgliedstaaten, den Abgeordneten des Europäischen Parlaments und den Interessenvertretern. Bis Ende 2027 will man ein entsprechendes Strategiepapier vorlegen.
Heimische Bauernvertreter voll des Lobes
In der österreichischen Agrarpolitik werden Hansens Ausführungen indes begrüßt. „Die Vision geht eindeutig in die richtige Richtung: Bauerngelder müssen gesichert sein – das ist nun offenbar auch der EU-Kommission bewusst geworden“, erklärt etwa Bauernbund-Präsident Georg Strasser im Hinblick auf die präsentierten Reformpläne. Die EU-Exekutive sei nun gefordert, die GAP weiterzuentwickeln und gleichzeitig „für einen echten Inflationsausgleich der darin enthaltenen Mittel zu sorgen“, so Strasser. Er sieht im Strategiepapier die langjährigen Bemühungen von Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig und dem EU-Abgeordneten des Bauernbundes, Alexander Bernhuber, bestätigt: „Die Kurskorrektur der Kommission zeigt, dass ihre beständige Arbeit und damit die Anliegen unserer Bauernfamilien nun Gehör finden.“
Dem pflichtet auch Totschnig bei: „Die Agrarpolitik auf EU-Ebene setzt die richtigen Schwerpunkte und die EU-Kommission einen weiteren Schritt zur notwendigen Kurskorrektur vor dem Hintergrund eines global instabilen Umfelds.“ Auch LK Österreich-Präsident Josef Moosbrugger findet „zahlreiche österreichische Positionen“ im Papier wieder und erklärt: „Es ist spürbar, dass Hansen auch in anderen Politikbereichen ein entscheidendes Wort mitreden und sich für die europäische Landwirtschaft, ihre Menschen und die Versorgungssicherheit einsetzen will.“ Niederösterreichs LK-Präsident Johannes Schmuckenschlager zeigt sich indes besonders über die verschärften Auflagen für Importe erfreut. „Unsere Bauern und Konsumenten haben sich diese Klarheit verdient. Gleiche Standards für alle geben Sicherheit und gewährleisten Fairness im Wettbewerb“, ist er überzeugt.
Rasche Umsetzung gefordert
Alexander Bernhuber fordert indes, dass die neuen Maßnahmen auch entsprechend auf die Betriebe zugeschnitten werden. „Eine starke GAP muss die Kostenexplosionen bei Energie, Maschinen und Düngemitteln berücksichtigen. Unsere Landwirte erwarten, dass die nächste GAP-Periode finanzielle Sicherheit schafft, ohne zusätzliche Bürokratie“, so der ÖVP-Agrarsprecher im EU-Parlament. Überhaupt erklären alle hiesigen Agrarvertreter unisono, dass die Vision nun rasch in Umsetzung gehen muss. „Vereinfachung muss mehr sein als ein Schlagwort, sie muss als gelebte Praxis auf unseren Bauernhöfen ankommen“, meint Bauernbund-Präsident Strasser dazu. Den vielen Worten sollen nun also Taten folgen. Die heimische Agrarpolitik sichert Christophe Hansen dabei volle Unterstützung zu.
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- Christophe Hansen: EU-Parlament