Mit der neuen Baureihe MF 3700 macht Massey Ferguson Wein- und Obstbauern, aber auch Vieh haltenden Betrieben mit teils stärker geneigten Hängen ein maßgeschneidertes Angebot. Wir haben das stärkste, breite Modell, den MF 3710 WF „Efficient“ mit 105 PS, im Praxiseinsatz ausprobiert.
Otto Krönigsberger
Die 3700er Spezial(kultur)-Traktorenreihe von Massey Ferguson (MF) mit 75 bis 105 PS besteht grundsätzlich aus fünf Modellvarianten, die jeweils mit unterschiedlich breiten Kabinen oder Überrollbügel lieferbar sind: Die Weinbauvariante „V“ (= Vineyard) ist ab nur einem Meter (!) Außenbreite erhältlich, das Spezialmodel „S“ (= Sonderkulturen) ab 1,3 m, das flexible Modell „F“ (= „Fruit“) ab 1,5 m Breite hat bereits einen geräumigeren Fahrerstand und das „WF“ (= „Wide Fruit“)-Modell darüber hinaus breitere Achsen mit einer Gesamtbreite von 1,6 bis 2,2 Metern. Für extrem niedrige Durchfahrten z. B. unter Obstbäumen gibt es ein Plattformmodell ohne Kabine („GE“).
Italienische und französische Wurzeln
Gefertigt wird die Reihe in Kooperation mit dem italienischen Hersteller Carraro. In vielfältigen Ausstattungsdetails und gerade bei den Kabinen-Bedienelementen „trägt die 3700er-Reihe sehr deutlich die Handschrift vom europäischen MF-Werk in Beauvais“, wie der Hersteller betont.
MF bietet die fünf Modellvarianten jeweils in zwei Ausstattungsniveaus an: „Essential“ mit vorwiegend mechanischen Bedienelementen und „Efficient“ mit deutlich gehobener Ausstattung von Hydraulik, Getriebe und sonstigen elektronischen Helfern, z. B. mit zwei praktischen Motordrehzahlspeichern und Multifunktionsjoystick.
WF-Modelle: Breit und niedriger Schwerpunkt
Unserem Praxistest stellte sich das stärkste Modell mit 105 PS/77 kW Motorleistung in der breiten WF-Ausführung und voller „Efficient“-Ausstattung. Der MF 3710 WF ist ein für die Motorleistung sehr leichter Universaltraktor, der laut MF durch seinen niedrigen Schwerpunkt neben Spezialkulturen ebenso für steile Flächen besonders geeignet ist und daher auch dezidiert als „Alpine Model“ vermarktet wird. Ab Werk kann für den wendigen 3710 WF zusätzlich ein Frontlader geordert werden. Er ist mit 2,9 Metern Hubhöhe und maximal 1800 Kilogramm Hubkraft verfügbar, gemäß den zulässigen Lasten des Traktors darf aber nur deutlich weniger gehoben werden. Aus diesen ist auch herauslesbar, dass die 3700er weniger für den hauptsächlichen Einsatz im Ackerbau oder in schwerer Bodenbearbeitung vorgesehen sind: knapp über eine Tonne beträgt die eingeräumte Zuladung; selbst ohne Frontgewicht dürfte man eine 800 Liter-Feldspritze nicht voll füllen, um im legalen Rahmen zu bleiben. Eine weitere Hürde stellt die niedrige Bodenfreiheit dar, rund 25 Zentimeter (cm) beträgt sie unter dem tiefsten Punkt der Hinterachse.
Der 105 PS Motor hat leichtes Spiel
Als Kraftquelle dient ein bewährter, bei mehreren anderen Herstellern ebenso eingesetzter Bekannter, hier in der Abgasstufe 3B: der F5DFL413 von Fiat Power Train (FPT), der gleichzeitig durch Laufruhe, sehr gute Leistungsdaten und niedrigen Dieselverbrauch auftrumpft. Er hat mit dem nur 3,3 Tonnen wiegenden Traktor auch entsprechend leichtes Spiel, beim Beschleunigen kommt einem durchaus der Vergleich mit einem Gokart in den Sinn.
Die Kotflügel sind drehbar, die Motorhaube ist darüber hinaus an den richtigen Stellen für einen besonders engen Wendekreis tailliert. Trotz der kompakten Bauweise ist sogar eine Vorderachsfederung lieferbar.
Kompakt ist auch die Kabine
Mit nur zwei Stufen – die unterste ist bereits in 39 cm Höhe – erklimmt man die wirklich leicht zugängliche Kabine, deren Fußraum auf nur 70 cm Höhe liegt. Diesen teilt ein 23 cm hoher und 35 cm breiter Getriebetunnel. Zu beachten ist auch, dass die Bremspedale ganz rechts außen positioniert sind und sich das Gaspedal links davon befindet, mit breiten Schuhen kann man schon mal beide gleichzeitig erwischen.
Die Kabine hat keinen Beifahrersitz, dafür wäre sie mit nur 92 cm zwischen den Holmen bzw. 120 cm zwischen den Türverglasungen auch zu schmal. Die sich in 141 cm Höhe befindliche Unterkante des Gebläses am Kabinendach (vorne vom Fußraum weg gemessen) erlaubt zwar noch eine ausreichende Sicht nach vorne, die Kopffreiheit von 152 cm erscheint aber für Fahrer ab etwa 190 cm Größe doch etwas beengt. Der luftgefederte Sitz bietet aus Platzgründen keine Horizontalfederung.
Heizung und Klimaanlage – sie blasen aus vier Düsen im Dachhimmel nahe der Frontscheibe – sind einfach, aber erstaunlich funktionell und angenehm „zugarm“ gelöst, auf Umluft ist mittels mechanischer Klappe schaltbar, Aktivkohlefilter für Pflanzenschutzarbeiten sind optional verfügbar.
Der im Neuzustand schwergängige Gruppenschalthebel links unter dem Sitz so wie die externe Umschaltung der Zapfwellengeschwindigkeit im Traktorheck mittels Hebel neben dem Oberlenker zeugen vom einfachen, mechanischen Grundkonzept der Maschine, die durch elektronische Helferlein vor allem im Hydraulikteil auf zeitgemäßes Niveau gehoben wird.
Auffällig erschien uns während des Tests, dass durch die ungewohnt tiefe Sitzposition, gleichsam zwischen den Hinterrädern, einseitige Unebenheiten wie „Wildschweinlöcher“ im Grünland, für den Fahrer weniger anstrengend durchfahrbar waren als mit hoher – gefederter, und vielleicht durch Kabinenfederung noch weiter erhöhter – Sitzposition, bei der die seitliche Auslenkung des Fahrersitzes bei identer Schlaglochtiefe drastisch stärker ist. Dies ist auch ein Indiz dafür, dass der Traktor mit seinem sehr niedrigen Schwerpunkt optimal für Einsätze in hängigem Gelände ist.
Lärmdämmung und Vibrationen
Die Geräuschkulisse kann bei einem nicht entkoppelten Fahrerstand naturgemäß nicht auf 70 dB-Niveau liegen, sie tendiert eher gegen 80 dB. Nichts desto trotz ist die Dämmung der sehr modern erscheinenden Kabine passabel gelungen: Der kräftige Motor schnurrt eher leise, dauernd deutlich zu hören sind die Hydraulikpumpen und Getriebegeräusche – die mit einiger Übung akustisch anzeigen, welcher Gang bzw. welche Lastschaltstufe gerade eingelegt ist. Vibrationen,
z. B. vom Anbaugerät, übertragen sich fühlbar auf den Fahrerstand. In Summe aber sind natürlich im Vergleich zu älteren Traktoren in dieser Klasse sehr wohl erhebliche Fortschritte in Dämmung und Komfort zu spüren.
Rundumsicht des Fahrers
Generell geht die Sicht aus der Sechspfostenkabine rundherum in Anbetracht der Traktordimensionen in Ordnung, mit den Einschränkungen, dass die Motorhaube für den Kompakttraktor relativ groß erscheint (160 cm lang und ca. 70 cm breit), sie konnte aber mit einer „vorderen Nasenhöhe“ von 127 Zentimetern immerhin relativ niedrig gehalten werden. Bei tief stehender Sonne in Fahrtrichtung kann selten aber doch durch die flache Form der Motorhaube eine ordentliche Blendwirkung auftreten.
Rechts von ihr beschränken Abgaskomponenten die Sicht auf den Raum zwischen Motorhaube und Vorderrad, links davon ist serienmäßig eine leicht abnehmbare Kunststoffbox als Verschmutzungsschutz für die Unterlegkeile angebracht. Beim durch die schmale Kabine etwas erschwerten Blick nach hinten kann man zwar die Unter-
lenkerenden gut sehen, aber nicht die Anhängevorrichtung oder das Zugpendel. Denn hinter dem Fahrersitz ist in der Kabine der Werkzeugkasten, darunter die Starterbatterie und unter dieser wiederum eine zentrale Elektronikbox (Power Shuttle-Steuergerät) verbaut. Links vom Fahrer ist am Kotflügel der Einfüllstutzen für das Scheibenwaschwasser – eben alles auf engstem Raum.
Die (konventionellen Halogen-)Arbeitsscheinwerfer erhellen die nähere Umgebung des Fahrzeugs blendfrei. Heck- und Frontscheibe sind ausstellbar, wobei bei komplett geöffneter Frontscheibe der Scheibenwischermotor genau in der Sichtlinie ist.
Logische Bedienung
Während die elektrischen Hydrauliksteuergeräte durch nicht hinterleuchtete Drehregler hinsichtlich Durchflussmenge und -zeit einstellbar sind, lassen sich allerlei sonstige Einstellungen über das kleine Zentraldisplay im Armaturenbrett programmieren. Dieses Farbdisplay zeigt ferner im Normalbetrieb alternativ Werte wie Dieselverbrauch pro Stunde, die exakte Zapfwellendrehzahl usw. an.
Abgesehen von diesen Einstelloptionen, dem „Finetuning“, braucht ein versierter neuer Fahrer ansonsten kaum die Bedienungsanleitung, der Traktor ist mit seinen Besonderheiten, wie z. B. der Hubwerksentriegelung, innerhalb weniger Minuten erklärt.
Auf die meisten Funktionen greift man direkt zu, z. B. hat die „Essential“-Ausführung einen und die
„Efficient“ genannte zwei Taster neben dem Multifunktionshebel, um gespeicherte Motordrehzahlen aufzurufen. Hier wird nichts unnötig kompliziert, die „essentiellen“ Funktionen hat man gut im Griff.
Betrieb/Wartung: Keine mechanischen Pannen beim Testeinsatz
• Betrieb und Zuverlässigkeit: Mechanisch blieb der MF 3710 WF während unseres Tests von Problemen verschont, „elektronisch“ traten einige (harmlose) Sensoranzeigefehler, die durch Motorneustart „wieder weg“ waren, sowie ein Massefehler durch eine gelöste Schraubverbindung eines Kabels auf – also alles in allem Kleinigkeiten. Bei einigen der ersten ausgelieferten 3700er traten Undichtheiten am Diesel-Zusatztank auf, das wurde vom österreichischen Importeur Austro Diesel umgehend bereinigt.
• Wartung: Die Wartungsintervalle sind z. B. für das Motoröl mit 600 Stunden teilweise lang, teilweise mit Abschmieren aller Schmierstellen täglich bzw. alle zehn Stunden recht vorsichtig gehalten. In Anbetracht der Kompaktheit des Traktors ist die Zugänglichkeit zu den Wartungspunkten in Ordnung.
Fazit MF 3710: Kompakt, leicht und einfach zu bedienen
Kompakt, mit tiefem Schwerpunkt und kleiner Bodenfreiheit, sehr leicht und mit einem sehr guten 77 kW starken Motor präsentiert sich der Massey Ferguson 3710 WF. In der „Efficient“-Ausstattung fährt er mit allerlei „Zusatzschmankerln“ vor, die z. B. beim Einsatz von hydraulisch angetriebenen Pflegegeräten durchaus Sinn machen und den Komfort erhöhen. Dieser kann konstruktionsbedingt nicht das Niveau einer vollgefederten Luxuskabine erreichen. Das Ziel des Traktors ist viel mehr, effizient Einsätze in Sonderkulturen, Obstplantagen oder am Hang ebenso wie im engen Stall des Mischbetriebs zu ermöglichen, und zwar mit niedrigen laufenden Kosten und zeitgemäßem Fahrerschutzniveau. Die Bedienelemente sind trotz beengter Raumverhältnisse gut erreichbar und derart gut und logisch angeordnet, dass sie zügiges Arbeiten ohne aufwändige Einarbeitungszeiten ermöglichen.
MF 3710 WF „Efficient“: Technische Daten im Überblick
Motor/Abgasreinigung
• 4-Zylinder F5DFL413V*A von FPT Industrial mit 3387 cm³ Hubraum, Abgasnorm Euro/Tier 3B mit Dieseloxidationskatalysator und Partikelfilter
• Nennleistung (ISO 14396, auch laut Zulassungsschein): 105 PS (77 kW), maximales Drehmoment (bei 1500 UpM): 405 Nm
• Dieseltank: 74 Liter plus 30 Liter Zusatztank, mit Frontzapfwelle 54 Liter plus 30 Liter Zusatztank; kein AdBlue, Schwefelanteil im Diesel soll unter 0,5 % liegen (EN 590).
• Motorölwechsel: 9,5 Liter alle 600 Std. mit API CI-4/ACEA E6/E7/E9-Öl,
• Luftfilterwechsel alle 1200 Std., Hydraulikölfilterwechsel alle 600 Std., Hydraulik-/Getriebeölwechsel nach 600 Std., dann alle 1200 Std. Schmierintervall, u. a. Hubwerk und Achsgelenke: zehn Stunden bzw. täglich.
• Batterie mit 100 Ah, Lichtmaschine mit 80A
Getriebe
• Drei im Stillstand schaltbare Gruppen mit je vier Synchrongängen, in jedem Vorwärtsgang sind zwei mit Taster am Ganghebel wechselbare Lastschaltstufen (elektrohydraulisches „Speedshift“) während der Arbeit wählbar, ergeben 24 Vorwärts- und 12 Rückwärtsgänge
• Die Lastschaltung bleibt auch bei Gangwechsel in der gewählten Stufe.
• Kupplungsknopf am Ganghebel
• Mittels Drehregler stufenlos einstellbare Aggressivität der elektrohydraulisch lastschaltbaren „Power Shuttle“-Wendeschaltung
• 42 km/h bei Nenndrehzahl mit großer 420/70 R28-Bereifung an der Hinterachse
Zapfwelle/Hydraulik
• Max. zwei aus drei Zapfwellengeschwindigkeiten:
540 und 1000 Umdrehungen pro Minute bei 1938 bzw. 1962 Motor-UpM, 540E mit 1648 Motor-UpM; plus Wegzapfwelle „proportionaler Vorschub“ möglich
• Heckhubwerk: Elektronische Hubwerksregelung (EHR) mit einem außen stehenden Zylinder Cat. 2
• Gekröpfte Unterlenker, maximale Hubkraft Heck: 3000 kg, wobei zugelassene max. Hinterachslast: 3100 kg. Externe Bedienknöpfe für das Hubwerk an beiden Kotflügeln
• Hubkraft Front (Cat. 2): 1680 kg, wobei maximale Vorderachslast: 2200 kg, sowie maximal zulässiges Gesamtgewicht 4400 kg
• Hydraulikfördermenge: „Essential“ maximal 93 l/min mit maximal drei plus zwei mechanischen Steuergeräten, „Efficient“ max. 120 l/min mit maximal vier mengen- und zeitregelbaren elektronischen Steuergeräten, plus maximal zwei mechanische Zwischenachssteuergeräte
• Proportional-Joystick für elektrische Steuergeräte auf Wunsch;
• Gemeinsamer Ölhaushalt Getriebe und Hydraulik (38 Liter); entnehmbare Ölmenge: max. 16 Liter.
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- Bildquellen -
- Mf 3710 Wf Efficient Armlehne Mit Multifunktionsjoystick: Krönigsberger
- Mf 3710 Wf Blick In Die Kabine: Krönigsberger
- Mf 3710 Wf Abendlicher Blick Vor Die Kabine Ausleuchtung Der Arbeitsscheinwerfer Gleichmaessig: Krönigsberger
- MF 3710 WF Klar Ablesbare Armaturen Auch Bei Nacht: Krönigsberger
- MF 3710 WF Masze Graphik: Krönigsberger
- Mf 3710 Wf Titelbildvorschlag: Krönigsberger