In Kraft treten wird die Vereinbarung zwar erst nach Abschluss der Ratifizierungsverfahren sowohl in der EU als auch im „Kiwi-Staat“, das wird voraussichtlich erst im kommenden Jahr 2024 der Fall sein. In Wellington wurde das gemeinsame Freihandelsabkommen indes bereits als „bahnbrechend“ gefeiert. Laut Premierminister Chris Hipkins könnten die gesamten Exporterlöse Neuseelands in die EU bis 2035 um jährlich bis zu 1,8 Mrd. NZ-Dollar, umgerechnet 1 Mrd. Euro, steigen.
Hipkins rechnet laut Agra-Europe mit dreimal höheren Zolleinsparungen für Exporteure seines Landes als jene, die ein ebenfalls neues Abkommen mit Großbritannien nach dem Brexit bringen. Neuseelands Handels- und Agrarminister Damien O‘Connor sieht vor allem Vorteile für Agrarexporte von Obst und Gemüse wie Kiwis, Äpfeln oder Zwiebeln, aber auch von Wein, Fisch und Meeresfrüchten, für die nach dem Inkrafttreten keine Einfuhrabgaben mehr bezahlt werden müssten. Auch für Käse, Lamm- und Rindfleisch sieht der Minister langfristig beträchtliche Absatzsteigerungen in Richtung EU.
In Brüssel, aber auch in Wien bewerten Bauernvertreter das Abkommen weit weniger euphorisch. Der Österreichische Bauernbund hat für seine Funktionäre das Abkommen einer ersten Analyse unterzogen. Und hält fest: Zölle auf wichtige EU-Exporte wie Schweinefleisch, Wein und Schaumwein, Schokolade, Zuckerwaren und Kekse sollen abgeschafft werden. Bei vielen sensiblen Produkten gibt es jedoch keine vollständige Handelsliberalisierung: Bei Milch-erzeugnissen, Schaf- und Rindfleisch, Ethanol und Zuckermais sind begrenzte Zollkontingente vorgesehen. Konkret bei Rindfleisch 0,15 Prozent des EU-Verbrauchs, bei Butter 0,71 Prozent, bei Käse 0,27 Prozent, bei Milchpulver 1,3 Prozent. Neben sämtlichen Weinen und Spirituosen aus der EU unterliegen auch 163 wichtige geografische Angaben (etwa für Käse- und Schinkensorten) einem strengen Schutz.
Bauernbunddirektor David Süß sagt: „Mehrere Punkte im Abkommen schützen unsere heimische Landwirtschaft, allen voran das Vorsorgeprinzip.“ Wenn wissenschaftliche Kenntnisse über die Sicherheit importierter Lebensmittel nicht eindeutig belegt seien, dürfen Maßnahmen zum Schutz der Gesundheit von EU-Bürgern ergriffen werden. „Auch müssen alle Import-Erzeugnisse den EU-Normen entsprechen. Auch dürfen etwa Höchstwerte für Rückstände von Pestiziden oder Tierarzneimitteln festgelegt werden.“ Ebenso sei eine enge Zusammenarbeit bei Tierschutznormen oder der Reduktion von Pestiziden und Dünger vorgesehen. Bei Rindfleisch wurden auch hohe Produktionsstandards wie Grasfütterung als Bedingung für den EU-Marktzugang verankert.
Das erste Resümee lautet: Das EU-Neuseeland-Freihandelsabkommen ist ein Beispiel für ein faires und ausgewogenes Handelsabkommen, insbesondere auch im Milchbereich.
Bei manchen Landwirten ruft das neue Abkommen dennoch Erinnerungen an 2017 und die damals geäußerten Vorbehalte betreffend das EU-Freihandelsabkommen CETA mit Kanada wach. Dem widersprach – Jahre nach der erst teilweisen Ratifizierung – schon vor Monaten Gabriel Felbermayr, Direktor des Österreichischen Instituts für Wirtschaftsforschung (WIFO): Viele der „apokalyptischen Annahmen“ seien seit der Teilratifizierung nicht eingetreten. „Das sieht man auch im Agrarbereich“, so Felbermayr. „Wir sind eben nicht mit landwirtschaftlichen Produkten aus Kanada überschwemmt worden.“
EU-Agrarhandel mit aller Welt
Der EU-Agraraußenhandel hat 2022 erneut sowohl betreffend Volumen als auch wertmäßig teils deutlich zugelegt. Im Jahr 2022 erreichten die Ausfuhren von Agrar- und Ernährungsgütern aus der EU einen Wert von 229,8 Mrd. Euro, was einem Anstieg von 31 Prozent gegenüber 2021 entsprach. Getreide und Getreideerzeugnisse sowie Müllereiprodukte sind zuletzt mit 7 beziehungsweise 10 Prozent am stärksten gestiegen, auch in Richtung Algerien, Marokko, Ägypten und Nigeria. Zu den wichtigsten agrarischen Exportgütern der EU zählen weiterhin Molkereiprodukte und Schweinefleisch. Wichtigstes Agrar-Exportland der EU war 2022 das Vereinigte Königreich, vor den USA und China. An erster Stelle der Importprodukte liegen Ölsaaten und Eiweißpflanzen, gefolgt von Obst und Nüssen sowie Kaffee, Tee, Kakao und Gewürzen. Wichtigstes Importland von Agrargütern in die EU ist seit Jahren Brasilien mit einem Anteil von 12 Prozent an den Gesamteinfuhren.
Laut den Experten der Generaldirektion Agri in der EU-Kommission ermögliche das breite Netz der Handelsbeziehungen und -abkommen der EU „eine Diversifizierung der Handelspartner“, sodass auch neue Herausforderungen bewältigt werden konnten, etwa nach dem Einmarsch Russlands in die Ukraine.
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- Handelsregal mit Butter in Neuseeland: Wikimedia Commons
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