
Der Nahversorger ging in Pension, es gab keine Nachfolge. Mit dieser Situation waren im Jahr 2019 die rund 2.000 Einwohner der Gemeinde Gaflenz im Bezirk Steyr-Land, OÖ, konfrontiert. Weil die nächste Einkaufsmöglichkeit gut acht Kilometer Fahrstrecke für die Gaflenzer bedeutet hätte, wollte die Gemeinde rasch eine Ersatzlösung verwirklichen.
Bürgergenossenschaft als Projektträger
Allerdings war im Ortskern keine geeignete Liegenschaft verfügbar. Immerhin fand sich mit dem alten Kabinengebäude am Freibad doch eine nahe dem Ortskern gelegene Möglichkeit. Zwar konnte die Gemeinde bereitwillig das Grundstück passend widmen und auch einen günstigen Superädifikatsvertrag anbieten, kniffliger war aber die Frage, wer bereit wäre, das Projekt organisatorisch zu tragen und zu führen. Die Hürde war rasch genommen, denn aus dem Gemeinderat heraus erklärten sich Ferdinand Rettensteiner und der Obmann des Kulturausschusses und Biobauer Josef Hirtenlehner bereit, Verantwortung zu übernehmen. Die beiden engagierten Gemeindepolitiker verkörpern eine fraktionsübergreifende Bereitschaft zur Zusammenarbeit, was die besten Voraussetzungen bot, um auch das Konzept für das Geschäft im Rahmen einer Projektgruppe der Gemeindebürger zu entwickeln. Unterstützung bekamen die Gaflenzer dabei durch das Land Oberösterreich in Form eines Agenda.Zukunft-Prozesses.

Einkauf, Genuss, Freizeit
Ergebnis dieses Prozesses war ein anspruchsvoller „Zielkatalog“. Der neue Nahversorger sollte folgendes bieten:
ein ganzjährig geöffnetes Geschäft mit allen Artikeln des täglichen Bedarfs, sprich „Vollsortimenter“, Einbindung von Poststelle, Trafik und Tabakwaren und
nicht zuletzt auch ein Café samt Angebot eines kleinen Mittagsmenüs.
Entsprechend diesen Anforderungen fand sich auch die Marke „Das Lenz“, deren Anfangsbuchstaben stehen für Gaflenz, Einkauf, Genuss und Freizeit. Zudem strebte man auch eine ökologische Bauausführung in Holzbauweise an unter Beauftragung regionaler Betriebe.

Als Herausforderung stellten sich bald die Kosten heraus. In Summe 1,3 Millionen Euro waren zu stemmen. Statt Abstriche zu machen, suchte man nach Realisierungsmöglichkeiten.
Im Beratungsprozess stellte sich bald eine Genossenschaftsgründung als bester Weg heraus, um das Geschäft zu finanzieren und zu betreiben. Gedacht – getan, hieß es in Gaflenz, und Rettensteiner und Hirtenlehner fanden rasch Mitstreiter zur Gründung der Bürgergenossenschaft „Genial-Regional-Gaflenztal“. Der Kerngedanke war, über die Mitgliedschaft bei der Genossenschaft das Projekt breit in der Bevölkerung zu verankern und auch einen gewissen Anteil an Eigenfinanzierung aufzubringen. Gemäß Satzung kostet ein Geschäftsanteil 250 Euro. Die Mitglieder haben ein Mitspracherecht und tragen auch ideell zur Erhaltung des Nahversorgers bei. Aktuell kann die im Raiffeisenverband OÖ beheimatete Genossenschaft auf rund 200 Mitglieder verweisen, was ein deutliches Zeichen für das gute Gemeinschaftsgefühl im Ort ist. „Was einer nicht schafft, schaffen viele“, ist ja ein Grundsatz der Genossenschaftsidee. Realisiert wurde der Bau als Kooperatives Multifunktionshaus, was Zugang zu Leader-Mitteln ermöglichte. Auch das Land Oberösterreich hat zur Finanzierung beigetragen.
Nach dreijähriger Vorbereitungs- und Bauzeit konnte Das Lenz schließlich im September 2022 eröffnen. Für das Vollsortiment auf 200 m2 Verkaufsfläche fand man in der Unigruppe als Nah&Frisch-Markt den passenden Partner.
Wie erfolgreich das Gaflenzer Lenz läuft ist, hat sich bereits im ersten Jahr gezeigt. Die Rückmeldungen zum ersten Geburtstag waren begeistert. Auch Landeshauptmann Thomas Stelzer hat sich persönlich unter die Gratulanten gereiht. Aktuell kommen zunehmend Besuchergruppen aus ganz Österreich, die sich Gaflenz zum Vorbild für Nahversorgung und Gemeinschaftsleben im eigenen Ort nehmen.
Kooperative Multifunktionshäuser
Kampf dem Donut-Effekt. Viele Gemeinden und kleinere Städte leiden unter leeren Ortskernen, während sich am Rand Tankstellen, Supermärkte und Gewerbezonen ausbreiten. Eine Initiative, die diesem Trend entgegenwirken will, nennt sich „Kooperative Multifunktionshäuser“. Auch Das Lenz in Gaflenz wurde als kooperatives Multifunktionshaus errichtet. Angesiedelt ist das Projekt beim Bundesministerium für Landwirtschaft, das als Erstinformation im Internet die Regionen-Dialog-Plattform anbietet. Eingebunden sind auch die Regionalmanagements in den Bundesländern und die Landwirtschaftskammern. Im Rahmen des EU-Leader-Programms gibt es Fördermöglichkeiten unter anderem für Leerstandsaktivierung oder Orts- und Stadtkernbelebung.
Eine Exkursion zu beispielhaften Projekten in Oberösterreich und Bayern ist von 9. bis 11. Mai 2025 geplant. Infos und Anmeldung über die Internetseite des BML mit dem Suchwort „Multifunktionshäuser“.

Hybridmarkt
Als „Hybridmarkt“ bietet Das Lenz Öffnungszeiten mit klassischer Bedienung. Zudem können die Kunden auch außerhalb dieser Öffnungszeiten in Selbstbedienung einkaufen. Dies entschärft die auch in Landgemeinden schwierige Personalsituation.
- Bildquellen -
- Lieferteam: Das LENZ
- Genossenschafter des Lenz: Patricia Gruber
- Multifunktionshaus: Rettenschteiner
- Kooperation mit Nah & Frisch: Genial-Regional-Gaflenztal eGen