Gewichtsverlust, ruhigerer Schlaf, Regeneration der Leber und bessere Haut, all das sollen Vorteile sein, wenn der Körper für eine längere Zeit keinen Alkohol im Blut hat. Vor allem habe es auch einen psychologischen Effekt, erklären Experten wie Lisa Brunner, Obfrau der Österreichischen ARGE Suchtvorbeugung: „Durch die Reflexion können sich Gewohnheiten verändern. Bis sich das neue Verhalten etabliert hat, muss man aber geduldig sein.“
Der Dry January soll genau diesen Prozess beschleunigen. Laut der Internationalen Forschungseinrichtung für Wein und Spirituosen (IWSR) hängt der Trend, für den es auch ein Pendant im Herbst („Sober October“, also „Nüchterner Oktober“) gibt, mit dem weltweit steigenden Gesundheitsbewusstsein der Konsumenten zusammen.
„Durch die Reflexion können sich Gewohnheiten verändern. Bis sich das neue Verhalten etabliert hat, muss man aber geduldig sein.“ – Lisa Brunner
Der Dry January nahm seinen Anfang 2014 in England und verbreitet sich laut ISWR seither wie ein Lauffeuer über die sozialen Medien. Mittlerweile auch in Österreich.
Zu viel ist zu viel
Dem temporären Verzicht messen Mediziner dabei durchaus eine gesundheitsfördernde Wirkung bei. Denn ein Übermaß an Alkohol hat einen hohen Einfluss auf den Stoffwechsel. Dieser verlangsamt sich, da der Körper anstatt Fett zu verbrennen zuerst den Alkohol abbaut. Hinzu kommt, dass das Sättigungsgefühl gedämpft wird und der Appetit steigt.
Einige Getränke wie „Alkopops“ haben außerdem einen hohen Kalorien- und Zuckergehalt. Während ein Glas Bier nur durchschnittlich 120 Kalorien und Rotwein nur 100 Kalorien enthält, verdoppeln sich diese Werte bei Mischgetränken und Cocktails. Letztere werden zusätzlich oft mit Softdrinks, etwa Cola, gemischt. Auch die kurz- und langfristigen gesundheitlichen Auswirkungen sind laut Brunner nicht außer Acht zu lassen: „Alkohol ist ein Zellgift, das negative Folgen wie sehr ernste Krankheiten und Unfälle haben kann.“ So seien zahlreiche Krebs- und Lebererkrankungen sowie Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Typ-2-Diabetes, Demenz und Adipositas zumindest teilweise auf Alkoholkonsum zurückzuführen.
Vier Wochen null Promille
Dry-January-Befürworter berufen sich in ihrer missionarisch-aufklärerischen Argumentation etwa auch auf eine Versuchsreihe von Forschern der britischen Universität Sussex, die bei Probanden nach dem vierwöchigen Verzicht einen erheblich besseren Gesundheitszustand feststellten. So hätten sich etwa Leberwerte und Schlafverhalten verbessert. Selbiges gelte für das Trinkverhalten, das sich bei 70 Prozent der Teilnehmer bereits nach einem halben Jahr verbessert haben soll.
“Prinzipiell sind solche Initiativen vor allem dann erfolgreich, wenn sie nicht nur auf Verzicht setzen.”-
Julian Strizek
„Prinzipiell sind solche Initiativen vor allem dann erfolgreich, wenn sie nicht nur auf Verzicht setzen, sondern attraktive alternative Verhaltensweisen aufzeigen und die positiven Aspekte betonen“, meint auch Julian Strizek vom Kompetenzzentrum Sucht der Gesundheit Österreich.
Land der Trinker?
Laut jüngsten Zahlen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) liegt Österreich mit einem Pro-Kopf-Konsum von zwölf Litern reinem Alkohol weltweit auf dem sechsten Platz der Länder mit dem höchsten Alkoholkonsum. Der globale Durchschnitt liegt bei 5,5 Liter Alkohol. Aber auch hierzulande sei seit den 2000er-Jahren ein rückläufiger Konsum zu beobachten, so Strizek: „Wir vermuten, dass es insgesamt zu Veränderungen im Lebensstil von jungen Menschen gekommen ist, weshalb weniger getrunken wird.“
Ein Lied vom sinkenden Alkoholkonsum singen können auch Österreichs Winzer. Die Branche hat derzeit – insbesondere bei Rotwein – mit massiven Absatzschwierigkeiten zu kämpfen. Wie der Fachpresse zu entnehmen ist, ist das kein rein österreichisches Phänomen. Auf EU-Ebene befasst sich derzeit sogar eine von der Kommission in Brüssel eingesetzte Expertengruppe mit möglichen Maßnahmen, um der Branche aus der Krise zu helfen.
Differenzierte Betrachtung bleibt aus
Entsprechend kann man im Österreichischen Weinbauverband dem Jugendtrend zum alkoholfreien Jänner nur wenig abgewinnen. Dessen Direktor Josef Glatt schrieb in der Verbandszeitschrift „Der Winzer“, dass er vom generellen „Alkohol-Bashing“ herzlich wenig hält: „Als Branche sind wir selbstverständlich dazu aufgerufen, gegen den missbräuchlichen Umgang mit Alkohol aufzutreten. Was aber abzulehnen ist, ist die immer wieder vorgenommene Pauschalierung bei der Beurteilung des Umgangs mit Alkohol.“ Für junge Menschen, also die Zielgruppe der Kampagne in den sozialen Medien, komme das Genussmittel Wein „in der Gedankenwelt praktisch nicht mehr vor“, die meisten würden bei Alkohol an standardisierte Mischgetränke mit ihren zahlreichen Nebenwirkungen denken.
Glatt vermisst in der Debatte auch die Unterscheidung zwischen „moderatem und missbräuchlichem Konsum“. Ersterer habe nämlich „gerade beim Naturprodukt Wein“ auch eine gesundheitsfördernde Wirkung. Das würden mittlerweile zahlreiche Studien belegen.
Die umfangreichste Studie stammt aus 2002. Bei der „Kopenhagen Herz Studie“ wurde bei 13.000 Probanden über zwölf Jahre hinweg eine positive Wirkung von moderatem Weinkonsum auf das HerzKreislauf-System nachgewiesen. Diese Tatsache der jungen Generation zu kommunizieren, ist für den Weinbauverband einer der Schlüssel, um die gegenwärtige Krise zu überwinden.
Alle scheinen sich zumindest in einem einig: Exzessiver Alkoholkonsum ist schädlich und jede Initiative, die diesen verhindert, ist zu befürworten. Wer sich an den Dry January hält, tut seiner Gesundheit mit oder ohne Trend etwas Gutes. Das eine oder andere Achterl wird den Effekt aber wohl nicht schmälern. Und hilft ganz nebenbei einem essenziellen Agrarsektor aus der Patsche.
- Bildquellen -
- Alkopops: adobestock.com
- Alkoholverzicht: adobestock.com