Ergänzt um den Zusatz „Wie die globale Agrarindustrie unsere Lebensgrundlagen zerstört“ ist das Buch „Bauernsterben“ Anfang November im Siedler Verlag erschienen. Schon sein Prolog auf den ersten Seiten und die Beschreibung, wie ihm auf einem Acker in der Oberpfalz nahe Regensburg die Idee zu diesem Buch kam, zeugen von der Verve, mit der sich Grill dem Thema widmet. Ein kurzer Auszug:

„Das Dröhnen wird lauter und lauter. Plötzlich taucht das Ungetüm hinter einer Bodenwelle auf: ein Feldhäcksler, Marke John Deere 9900i, V12-Motor, 970 PS. Die Erntemaschine donnert an den Rand des Ackers, um Treibstoff nachzufüllen. Drei junge Männer bedienen mit flinken Handgriffen die Apparaturen am Tanklaster, sie tragen grün-gelbe Arbeitsanzüge, die Farben von John Deere. 1.500 Liter Diesel rauschen durch den Schlauch. Die Szene wirkt wie ein Gefechtseinsatz (…). Der Tank ist voll, der tonnenschwere Koloss walzt wieder hinaus auf den Acker. Attacke! Die Schneidwerke fressen sich hinein in das Heer der Maisstauden, der Körnerprozessor rauscht. Vom Ausleger, der aussieht wie ein Geschützrohr, wird der geschredderte Mais auf einen dreiachsigen Seitenkipper namens Gigant geschossen. Die Männer verfolgen das Geschehen vom Feldrain aus, fachsimpeln über ihren ‚Johnny‘, diese Wundermaschine, die weit über eine halbe Million Euro kostet (…). Keine 200 Meter entfernt stoße ich auf eine von Naturschützern angelegte Blühwiese, deren Schönheit und Vielfalt die Ernteszenen gleich nebenan noch befremdlicher macht. Das Flurstück mutet an wie eine Art Beruhigungsbotanik.“ Nicht wie Bauern, „sondern wie Agrarsoldaten“, kamen Grill die drei Männer vor. „Ihr Schlachtfeld ist 2,65 Millionen Hektar groß – die Gesamtfläche, auf der Mais in Deutschland angebaut wird.“ 

An der „modernen Landwirtschaft und den ökonomischen, ökologischen, sozialen und kulturellen Schäden, welche diese anrichtet“, lässt Grill in der Folge kaum ein gutes Haar. Wie auch an „den Feldherren“ des Agrar- und Nahrungsmittelsektors: den Chemie-, Pharma- und Saatgutkonzernen, den Landwirtschaftspolitikern, den Agrar-Funktionären und Lobbyisten. 

Grill: „Einen ehrenwerten Berufsstand pauschal zu verunglimpfen, liegt mir allein aufgrund meiner Herkunft fern.“

Immer wieder und teils ungebremst selbst angriffig formuliert Grill Geschehnisse und persönliche Erlebnisse auf den folgenden mehr als 200 Seiten. Er untermauert diese auch mit einer Fülle an penibel recherchierten Daten aus verschiedensten Quellen und Rückblenden auf agrarpolitische Entwicklungen; in seiner Heimat im Allgäu, in Deutschland, der EU, in aller Welt. Den „Strukturwandel“ führt er immer wieder, gekonnt eingestreut mit Zahlen und Fakten, in Erinnerung.

Er habe sich als Journalist „an den Torheiten der europäischen Agrarpolitik“ abgearbeitet. Reisen rund um den Globus, von Brasilien bis Tadschikistan und quer durch Afrika, öffneten ihm globale Perspektiven. Grill: „Die Agrarfrage sollte mich durchs Berufsleben begleiten. Je länger ich nach Antworten suchte, desto deutlicher traten die Abgründe vor Augen.“ Als „Bauernbashing“ will er sein Buch nicht sehen, stellt der Autor klar: „Einen ehrenwerten Berufsstand pauschal zu verunglimpfen, liegt mir schon allein aufgrund meiner Herkunft fern. Das Thema Landwirtschaft wurde mir quasi in die Wiege gelegt. Ich bin am Ende einer Epoche aufgewachsen, in der die meisten Bauern noch in natürlichen Kreisläufen wirtschafteten. Ich ziehe vor jedem Landwirt den Hut, der umweltverträglich wirtschaftet, sei es auf einem Biohof oder in einem konventionellen Betrieb.“ 

Grill: „Ich ziehe vor jedem Landwirt den Hut, der umweltverträglich wirtschaftet, sei es Bio oder konventionell.“

Viele Landwirte seien aber Getriebene, „die sich dem agrarökonomischen Diktat unterworfen haben“, so der Autor, um diese dann doch pauschal formulierend etwa als „Heer der Fußsoldaten“ zu brüskieren. Aber auch die Konsumenten bekommen den Spiegel vorgehalten. Sie seien mit den Auswüchsen der industriellen Landwirtschaft jeden Tag verstrickt: „Denn wir wollen gute und preisgünstige Nahrungsmittel – und verdrängen, wie sie hergestellt werden.“

Egal ob die Agrar- und Handelspolitik der EU, die Lage von Millionen Subsistenzbauern auf der Südhalbkugel, die Auswirkungen des Klimawandels und der schwindenden Biodiversität, das Bevölkerungswachstum, Saatgutmonopole und Gentechnik, Bodenspekulation, Landraub und Lebensmittelvernichtung: „Jedes einzelne Thema würde eine Bibliothek füllen. Jedes ist so hochkomplex, dass es im beschränkten Umfang eines Sachbuches nur angerissen werden kann“, resümiert Grill. Für ihn steht fest: „Die Art und Weise, wie die Landwirtschaft gegenwärtig betrieben wird und wie wir uns ernähren, hat selbstzerstörerische Dimensionen angenommen: Sie droht die begrenzten Naturressourcen unseres Planeten zu erschöpfen.“ 

Mit seinem Buch will er aufrütteln. Das dürfte ihm gelingen: Es liefert jedenfalls viel Stoff für Diskussionen.

Der Autor

Quelle: Das blaue Sofa / Club Bertelsmann / Wikimedia CC BY 2.0

Der Journalist und Bauernsohn Bartholomäus Grill war lange Jahre Afrika-Korrespondent, schrieb für die Zeit, den Spiegel oder Geo. Er gilt als Meister einer klaren, anschaulichen Sprache und wurde für seine Reportagen mehrfach ausgezeichnet (u.a. Henry Nannen/Egon Erwin-Kisch-Preis). Der Hof der Grills wurde von seinem Bruder, mittlerweile nach mehr als 300 Jahren im Familienbesitz, aufgegeben und verkauft.

 

 

Buchtipp

Quelle: Verlag Siedler

„Bauernsterben. Wie die globale Agrarindustrie unsere Lebensgrundlagen zerstört.“ Bartholomäus Grill, Siedler Verlag, 240 Seiten, 24,70 Euro. ISBN: 9783827501684.

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  • Bartholomäus Grill: Das blaue Sofa / Club Bertelsmann / Wikimedia CC BY 2.0
  • Buch Bauernsterben: Verlag Siedler
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AUTORRed. BW
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