Es braucht das Netto-Null-Ziel auf Bundesebene! Und zwar binnen kurzer Frist, nicht erst im Jahr 2050, wie es in vielen Absichtserklärungen und in der Bodenschutzstrategie der Europäischen Union heißt. In seinem kürzlich erschienen Buch „Rettet die Böden“ begründet Autor Gernot Stöglehner seinen Appell mit den sachlichen Argumenten eines Raumplaners mit „Herz für den Boden“.
Im Rahmen einer Buchpräsentation an der Boku in der vergangenen Woche hat Stöglehner die Gründe auch persönlich dargelegt. Unterstützt haben ihn dabei der ORF-Journalist Hanno Settele, der für seine Sendung „Viel verbautes Österreich“ eine unerwartet große Reichweite feststellen konnte, sowie Boku-Rektorin Eva Schulev-Steindl.
In 20 Jahren wurden 122.000 Hektar verbaut
Wie ernst es um den „Bodenverbrauch“ in Österreich steht, erläuterte Stöglehner anhand der Flächeninanspruchnahme durch Bau und Verkehr. Bundesweit wurden dafür in den vergangen 20 Jahren rund 122.000 Hektar beansprucht. Dies entspreche etwa der gesamten derzeitigen Ackerfläche der Steiermark oder sechsmal der Fläche Wiens. Stöglehner erinnerte an das erste Jahrzehnt der Nachkriegszeit, wo durch Trockenlegung von Feuchtgebieten, Bodenverbesserung und Flurbereinigung unter dem Schlagwort, ein „Zehntes Bundesland“ zu erschließen, die prekäre Ernährungssituation samt Hungersnöten der heimischen Bevölkerung überwunden werden konnte. Dieses „Zehnte Bundesland“, so Stöglehner, sei mittlerweile wieder zugebaut.
Dass es beim Flächenverbrauch keinen Spielraum mehr gibt begründete Stöglehner neben der Ernährungssicherung auch mit Bodennutzung durch die Energiewende und Bioökonomie, etwa für neue Verpackungsmaterialien („Bio-Plastik“). Unter Berücksichtigung der Ertragsminderungen durch die Klimaerwärmung und der Bevölkerungsprognose bräuchte Österreich langfristig etwa 1,75 mal soviel Acker- und Grünlandflächen als derzeit (noch) vorhanden sind – konkret – statt der vorhandenen 2,6 Millionen Hektar Acker- und Grünland wären in Summe 4,5 Millionen Hektar erforderlich. Dass sich das nicht ausgehen könne, liege auf der Hand, so der Autor.
Soll Boden wirksam geschützt werden, so Stöglehner, dann stoße man auf ein komplexes Geflecht von Interessen an der Ressource Boden. Oft laufen diese Interessen dem Bodenschutz zuwider, wie etwa der Wunsch nach leistbarem Wohnen, nach Betriebsstandorten und kommunalen Einnahmen sowie auch nach Widmungsgewinnen im Bauland.
Siedlungsgrenzen über „360 Grad“ definieren
In erster Linie seien die Länder zuständig. Die Gemeinden befeuern oft mit vielen kleinen Alltagsentscheidungen den Bodenverbrauch. Viele Umwidmungen betreffen wenige Hektar, die in Summe aber enorme Ausmaße annehmen. Soll Boden wirksam geschützt werden, braucht es den Grundkonsens, dass Bodenschutz ein vorrangiges gesellschaftliches Ziel sei.
Als konkrete Vorschläge für einen verbesserten Bodenschutz erläutert Stöglehner unter anderem:
• die Verankerung des Netto-Null-Zieles auf Bundesebene,
• die Vorgabe an die Gemeinden, dass sie nur noch innerhalb bestehender Siedlungsgrenzen bauen dürfen, und zwar 360 Grad rund um die Ortschaften.
• bodenzehrende Bestimmungen im Finanzausgleich beseitigen,
• Reform der Grundsteuer-Regelungen
• Leerstände nutzen und Flächenwidmungen auf den tatsächlichen Bedarf zurückführen.
Quelle: Christoph Gruber | BOKU University
Rettet die Böden
Die Flächen für Bauland und Infrastruktur haben in Österreich ein nicht mehr tolerierbares Ausmaß erreicht. Politisches und gesellschaftliches Handeln ist dringend erforderlich, um dieses Problem zu lösen. Doch worin besteht dieses Problem genau? Was läuft schief? Welche Konsequenzen hat der Bodenverbrauch für uns? Was ist nun genau zu tun? Welche Barrieren sind zu überwinden? Und warum betrifft dieses Thema uns alle?
Gernot Stöglehner, Universitätsprofessor für Raumplanung an der Universität für Bodenkultur Wien, gibt nach fundierten Analysen Antworten auf diese Fragen. Er zeigt Lösungswege auf und legt dar, wie Maßnahmen gegen den Bodenverbrauch genutzt werden können, um unser Leben und unsere Gesellschaft nachhaltiger und zukunftssicherer zu gestalten – und dabei langfristig die Lebensqualität zu verbessern. Jede einzelne Baulandwidmung, jedes Infrastrukturprojekt und jeder Bürgerbeteiligungsprozess zur Ortsentwicklung sind unter dem Blickpunkt einer nachhaltigen Raumentwicklung neu zu bewerten.
Das Buch mit 216 Seiten ist im Falterverlag als e-Book (19,99 Euro) und gedruckt als Hardcover (24,90 Euro) erschienen.
- Bildquellen -
- 241017 Boden02: Christoph Gruber | BOKU University
- 20241017 BP Buch: Christoph Gruber | BOKU University
- 2443 W B2 Zurndorf Lager(c)matjaz Krivic: matjaz krivic – Green Peace