Männliche Küken von Legerassen müssen nicht mehr vorzeitig sterben – darauf haben sich die heimischen Bio-Legehennenhalter verständigt. In einer breit angelegten Initiative der großen Bio-Eierpackstellen und Vermarkter wurde gemeinsam mit fast allen großen Lebensmitteleinzelhändlern vereinbart, dass männliche Küken nicht mehr getötet, sondern aufgezogen und in der Folge als hochwertiges Schlachtgeflügel in Österreich verarbeitet und vermarktet werden. Das Projekt wurde bereits im Jänner 2016 gestartet und soll bis etwa Februar 2017 flächendeckend in Österreich umgesetzt sein.
“Wir freuen uns, dass wir nun anspruchsvollen Bio-Eierkonsumenten dieses besondere Angebot machen zu können. Wir müssen aber abwarten, ob sich die aus diesem Projekt ergebenden Mehrkosten pro Ei auch am Markt umsetzen lassen. Nur dann hat dieses Projekt mittelfristig und langfristig eine Chance”, erklärt Robert Wieser, Obmann der Zentralen Arbeitsgemeinschaft der Österreichischen Geflügelwirtschaft. Gemeinsam mit Karlheinz Uhl (Nest-Eier GmbH) und Benjamin Guggenberger (EZG Frischei) hat Wieser das Projekt am 4. Oktober 2016 in Wien vorgestellt.
Antrag zur Aufnahme in den Lebensmittelkodex
Vorgesehen ist, die zusätzlichen Kosten für die Aufzucht der männlichen Küken branchenintern aufzuteilen. Letzlich ist der erhöhte Aufwand nur über einen Preisaufschlag auf Bioeier finanzierbar. Laut Wieser tragen die Landwirte das Projekt mit. Auch der Lebensmittelhandel bekennt sich den bisherigen Gesprächen nach zu der Sache. Damit die Aufzucht der männlichen Legerassenküken im Biobereich flächendeckend umgesetzt werden kann, wurde beim Gesundheitsminister eine Aufnahme des Produktionsverfahrens in den Österreichischen Lebensmittelkodex beantragt. Das Verfahren ist derzeit im Laufen.
Schmackhaftes Fleisch, kostenintensive Aufzucht
Die männlichen Geschwister der Legehennen legen bekanntlich keine Eier. Ihre Aufzucht und Fütterung bis zum schlachtreifen Tier ist im Vergleich zu herkömmlichen Masthühnern sehr kostenintensiv. Mehrkosten entstehen vor allem durch die teureren Junghennen und die schlechtere Futterverwertung. Verschiedene Vermarkter starteten 2016 Programme zu Vermarktung dieser Jungmasthühner und ihrer Verarbeitungsprodukte. Angeboten werden derzeit beispielsweise Filets und andere Frischfleischprodukte sowie Verarbeitungsprodukte. Wenn die Filets im Vergleich zu jenen der Masthybride deutlich kleiner sind, ist das Fleisch doch sehr schmackhaft und hochqualitativ.
Schwachstelle Gastronomie
Aufgrund der verpflichtenden Ei-Kennzeichnung im AMA Gütesiegel Programm gibt es in Österreich kaum ein anderes tierisches Lebensmittel, das ähnlich gut abgesichert bis zum Erzeugerbetrieb zurückverfolgt werden kann. Allerdings wird jedes zweite im Inland produzierte Ei im Bereich der Gastronomie und der Lebensmittelverarbeitung weitgehend anonym verwendet. In diesem Segment ist den Verarbeitern ein niedriger Einkaufspreis besonders wichtig. Obwohl in Österreich die Haltung von Legehennen in der konventionellen Käfighaltung seit 2009 verboten ist, dürfen Eiprodukte aus dieser Haltungsform – ohne besondere Kennzeichnung – verwendet und verarbeitet werden.
“Die österreichische Legehennenhaltung kann nur dann in Zukunft weiter Vorreiter bei tierfreundlicher und nachhaltiger Erzeugung sein, wenn unsere hochwertigeren, österreichischen Eier und Eiprodukte auch gekauft werden. Das gelingt nur, wenn solche Lebensmittel besser und eindeutig gekennzeichnet werden”, gibt Wieser zu bedenken. “Unsere Konsumenten haben ein Recht auf ehrliche und transparente Information über die innere Qualität von Lebensmitteln, ganz besonders bei hochwertigen tierischen Lebensmitteln wie Eiern”, spricht sich der Obmann für mehr Fairness am Markt aus.
Legehennenhaltung in Österreich
In Österreich sind rund 1100 landwirtschaftliche Betriebe registriert, die mehr als 350 Legehennen halten. Der Gesamtbestand an Legehennen beträgt rund 6,4 Mio. Tiere. Davon sind rund 700.000 Tiere (11 %) als Biolegehennen registriert – somit steht etwa jedes zehnte Huhn in Biohaltung, Tendenz steigend.
Österreichs Legehennenhalter sind im internationalen Vergleich führend bei der Umsetzung von Tierwohlmaßnahmen. So ist die Haltung in Käfigen bereits seit dem Jahr 2009 verboten (drei Jahre früher als in anderen EU-Ländern). Derzeit werden bereits zwei Drittel der Hennen in Bodenhaltung aufgestallt und etwa 21 Prozent in Freilandhaltung. Auch das Stutzen der Schnabelspitzen ist hierzulande kein Thema mehr. Seit 2010 ist die gentechnikfreie Fütterung österreichweiter Standard, seit 2013 stammt die Haupteiweißquelle Soja ausschließlich aus europäischer Produktion (“Donausoja”). Diese Qualitätskriterien werden im Rahmen des AMA-Gütesiegels auch laufend überprüft.
Der Selbstversorgungsgrad bei Eiern beträgt derzeit etwa 84 Prozent. Im Verkauf über den Lebensmittelhandel sind Frischeier aus inländischer Produktion nahezu hunderprozentig etabliert. Allerdings macht dieser Vermarktungsweg nur etwa ein Drittel des Gesamtverbrauches aus. Mit rund 40 Prozent Anteil stehen Gastronomie und Großküchen an der Spitze des Eierverbrauchs. Meist aus Kostengründen stammt in diesem Bereich im Schnitt jedoch nur jedes zweite Ei aus heimischer Produktion; sogar in der EU verpönte Käfigware kommt hier als “anonymes Ei” zum Einsatz.