
Bereits nach seinem ersten Treffen mit Österreichs Agrarspitze im Jänner erhielt der neue EU-Agrarkommissar viele Vorschussloorbeeren. Nun hat Christophe Hansen seine Vison (siehe Seite 4) für die Zukunft der europäischen Landwirtschaft präsentiert. Diese soll in den nächsten fünf Jahren als Leitlinie für die Ausrichtung der europäischen Agrar- und Lebensmittelpolitik dienen.
Sie umfasst ein Bündel von Strategien und Maßnahmen, um den Sektor wettbewerbsfähig und widerstandsfähig zu machen, den Landwirten faire Arbeits- und Einkommensbedingungen zu ermöglichen und den Umwelt- und Ressourcenschutz weiter voranzutreiben. Geplante Maßnahmen sind stabile Direktzahlungen, insbesondere für Junglandwirte und benachteiligte Regionen, sowie strengere Qualitätsstandards für importierte Lebensmittel. Zudem soll bis Ende 2025 eine Bioökonomie-Strategie folgen.
Den Worten müssen auch Taten folgen
„Agrarkommissar Hansen positioniert sich klar gegen unfaire Importe und unnötige Bürokratie zwei Botschaften, die wir in Oberösterreich vollends goutieren. Doch wir sind auch Realisten und beobachten genau, ob diesen Ankündigungen auch tatsächlich Taten folgen“, so Agrarlandesrätin Michaela Langer-Weninger in einer ersten Stellungnahme. Für sie sei entscheidend, dass faire Wettbewerbsbedingungen geschaffen, bäuerliche Betriebe gestärkt und praxisnahe Lösungen anstelle neuer Auflagen gefunden werden.
Hansen ist nun gefordert, rasch spürbare Verbesserungen auf den Boden zu bringen. Franz Waldenberger
Oberösterreichs Landwirtschaftskammer-Präsident Franz Waldenberger attestiert dem neuen Agrarkommissar aus Luxemburg jedenfalls „Verständnis für die Praxis“ zu haben: „Hansen ist nun gefordert, nicht nur positive Visionen für die Landwirtschaft zu entwickeln, sondern auch rasch spürbare Verbesserungen auf den Boden zu bringen“, so Waldenberger. Heißt im Klartext: An seinen Taten soll man den neuen Agrarkommissar messen.
Bürokratieabbau dringend notwendig
Für die heimische Land- und Forstwirtschaft sei laut Waldenberger vor allem ein massiver Bürokratieabbau notwendig: „Viele EU-Vorgaben haben sich in den vergangenen Jahren als wahre Bürokratiemonster entpuppt und bei den Land- und Forstwirten oft nur Kopfschütteln ausgelöst. Frustration und Verunsicherung angesichts drohender Nutzungseinschränkungen und zermürbender Zettelwirtschaft müssen ein Ende haben“, fordert der oberösterreichische Kammerpräsident.
Noch in diesem Jahr will die EU einen ehrgeizigen Plan zur Angleichung der Produktionsstandards für importierte Produkte vorlegen, insbesondere in Bezug auf Pflanzenschutzmittel und Tierschutz. Dabei verspricht die Kommission dafür zu sorgen, dass die gefährlichsten Mittel, die in der EU bereits längst verboten sind, nicht über Importe wieder zugelassen werden. Der Plan sieht auch verstärkte Importkontrollen vor, wie vom EU-Parlament schon länger gefordert werden. Aber auch innerhalb der Union sei man gefordert, für gleiche Rahmenbedingungen zu sorgen, etwa im Bereich der Zulassung von Pflanzenschutzmitteln: „Hier gibt es noch viel zu tun“, weiß Waldenberger.
Zudem enthält das Visionspapier Vorschläge für die Ausweitung einer verpflichtende Herkunftskennzeichnung auf weitere Agrar- und Fischereiprodukte.
Der Tierhaltungssektor wird in dem Papier als wesentlicher Teil der EU-Landwirtschaft anerkannt, der hohe Standards aufrechterhalte, aber vom Markt nicht immer belohnt werde. Anders als im Strategischen Dialog gefordert, wird pflanzlichen Proteinen nicht der Vorrang vor tierischen eingeräumt, sondern werden Pläne zum Aufbau eines „autarkeren und nachhaltigeren Eiweißsystems in der EU“ vorgestellt.
Unlautere Praktiken im Handel abdrehen
Im Hinblick auf die Verhandlungsmacht der Landwirte in der Lebensmittelversorgungskette verspricht der Fahrplan, „keine Praktiken zu tolerieren, bei denen Landwirte systematisch gezwungen werden, unter ihren Kosten zu verkaufen“. Die Kommission hat diesbezüglich angekündigt, die Richtlinie über unlautere Handelspraktiken noch heuer im November zu überarbeiten.
GAP soll einfacher und schlanker werden
Im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) sollen die Direktzahlungen unter verstärkter Anwendung von Maßnahmen wie Degression und Kappung fortgeführt werden.Außerdem sollen alle landwirtschaftlichen Betriebe für Ökosystemleistungen honoriert werden.
Hansen‘s Vision hat viele positive Ansätze. Die Verbesserungen müssen aber auch bei den Bäuerinnen und Bauern am Hof ankommen. Michaela Langer-Weninger
Die nächste GAP soll schlanker gestaltet werden, um kleinen und mittleren Betrieben das wirtschaftliche Überleben ohne administrative Überlastung zu ermöglichen. „Ziel muss es sein, dass unsere Bäuerinnen und Bauern ihre landwirtschaftlichen Praktiken besser an ihren Betrieb und ihr Umfeld anpassen können“, so Waldenberger. Für ihn klingt es sehr vielversprechend, dass der neue Agrarkommissar die zukünftige GAP von Auflagen auf Anreize umstellen möchte. Freiwilligkeit statt Zwang sei ein guter Grundsatz, aber: „Wir werden seine Versprechungen an ihrer tatsächlichen Umsetzbarkeit und Wirksamkeit messen“, zeigt sich der Landwirtschaftskammer-Präsident vorsichtig optimistisch.
Dass den Worten auch Taten folgen müssen fordert auch Agrarlandesrätin Langer-Weninger: „In Hansens Vision finden sich viele positive Ansätze, die wir ausdrücklich unterstützen. Wir werden uns aktiv einbringen, damit diese Ankündigungen auch tatsächlich bei den Bäuerinnen und Bauern ankommen.“
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- Die Europäische Agrarpolitik, (Symbolbild): hkama stock.adobe.com