Spätestens seit dem Jahr 2021 ist es fix: Österreich will seinen Strombedarf bis 2030 zur Gänze aus erneuerbaren Quellen beziehen. Bis 2040 soll die Alpenrepublik überhaupt klimaneutral sein. Um EU-Vorreiter beim Klimaschutz zu werden, legt das Erneuerbaren- Ausbau-Gesetz (EAG) ambitionierte Ziele fest. Neben der Forcierung von Wind- und Wasserkraft sowie Biomasse spielt dabei auch Photovoltaik (PV) eine Schlüsselrolle. So sollen bis 2030 weitere PV-Anlagen mit einer Gesamtleistung von 11 Terawattstunden entstehen. Der im Vorjahr veröffentlichte Netzinfrastrukturplan für Österreich geht bis 2040 sogar von einem Bedarf von 41 Terawattstunden aus.
2020, als das EAG auf den Weg gebracht wurde, leisteten bestehende Anlagen aber gerade einmal 2 Terawattstunden. Experten schätzen die auf Dachflächen realistisch umsetzbare PV-Leistung auf 4 Terawattstunden, Verkehrs- und Deponieflächen hätten Potenzial für gut eine Terawattstunde. Der Rest (5,7 TWh) müsse wohl oder übel auf Freiflächen Platz finden. Für die Landwirtschaft waren PV-Anlagen auf der grünen Wiese lange Zeit ein rotes Tuch. Auch heute noch gilt aus Sicht der LK Österreich: „Der Vorzug ist stets Flächen mit geringer Bonität und vorbelasteten Flächen zu geben.“
Einen interessanten Kompromiss zur Doppelnutzung stellen Agri-PV-Anlagen dar. Diese zeichnen sich durch einen minimalen Flächenverbrauch von etwa zwei Prozent für die technische Infrastruktur aus. Gut 80 Prozent der Fläche bleiben für die landwirtschaftliche Nutzung erhalten. Wie diese Systeme in der Praxis aussehen können, präsentierte das Österreichische Kuratorium für Landtechnik und Landentwicklung (ÖKL) Ende April bei einer Exkursion quer durch Niederösterreich.
„Ohne Beratung geht nichts“
In den begleitenden Fachvorträgen wurde dabei rasch klar: Die Realisierung von Agri-PV-Projekten bedarf einiges an Planung. „Ohne Beratung geht hier gar nichts“, erklärte etwa Martin Wette, Fachreferent für Energie in der LK Österreich. Die Rechtslage sei nämlich „äußerst komplex“. Tatsächlich ist neben den bundesländerspezifischen Genehmigungsauflagen auch aus steuerlicher Sicht und zur Einhaltung der Förderauflagen einiges zu beachten. Für Landwirte habe die Erhaltung der landwirtschaftlichen Hauptnutzung demnach oberste Priorität. Dazu müssen beispielsweise zumindest 75 Prozent der Fläche weiterhin für die Produktion zur Verfügung stehen. „Andernfalls wird die EAG-Fördersumme um 25 Prozent reduziert“, weiß der LK-Experte.
Mindestsätze für Unternutzung mit Tierhaltung
Im Photovoltaikerlass des Finanzministeriums ist außerdem festgeschrieben, dass bei Tierhaltung zumindest 1.650 Masthühner, 660 Legehennen oder 100 Weidegänse je Hektar zu halten sind, damit weiterhin von einem „landwirtschaftlichen Hauptzweck“ (samt Steuervorteilen) ausgegangen wird. Andere Weidetiere, etwa Schafe, akzeptiert das Finanzministerium nicht. „Zu den steuerlichen Fragen ist bereits vorab ein Steuerberater zuzuziehen“, lautete Wettes Empfehlung. Auch wer seine Flächen einem Anlagenbetreiber verpachten will, findet bei den Landwirtschaftskammern den richtigen Ansprechpartner. „Dort liegen auch Musterverträge auf.“ Soll die Agri-PV-Anlage auch als förderfähige Fläche für Zahlungen aus der GAP erhalten bleiben, muss hier die Verfügungsgewalt zum Stichtag am 1. April unbedingt beachtet werden. Außerdem sei eine „ortsübliche landwirtschaftliche Bewirtschaftung“ sicherzustellen. Und verbaute und ungenutzte Flächen müssten im Mehrfachantrag natürlich herausdigitalisiert werden.
Wirtschaftliche Planung als A und O
Über die detaillierte Planung von Agri-PV-Anlagen informierte Alex Bergamo von der Österreichischen Energieagentur. In der Praxis hätten sich unterschiedliche Geschäftsmodelle etabliert. Von der Anlage für den Eigenverbrauch über die Flächenverpachtung ohne Eigennutzung des produzierten Stroms bis zur Kooperation mit Anlagenbetreibern sei laut Bergamo alles möglich. Als „Flaschenhals“ erweise sich dabei derzeit stets der Netzanschluss. „Per Gesetz ist der Netzbetreiber aber zur Vorlage eines Kostenvoranschlags binnen zwei Wochen oder einem Monat, je nach Netzebene, verpflichtet“, so der PV-Experte der Energieagentur.
Größter Wert sei – ob des Investitionsvolumens – auch auf die wirtschaftliche Planung und Kostenkalkulation zu legen. Bergamo: „Bei externen Betreibern ist vorab zu klären: Wer wartet die Anlage, wie wird die Landnutzung geregelt und wie die Stromlieferung?“ Welche Agri-PV-Systeme Anlagenhersteller derzeit am Markt anbieten, konnte das interessierte Publikum vor Ort feststellen.
Bifaziale Systeme, ein Kompromiss
Zu Beginn der ÖKL-Exkursion ging es ins Solarkraftwerk Schafflerhofstraße in Wien-Donaustadt. Dort betreibt die Wien Energie seit 2021 auf knapp 17 Hektar eine PV-Anlage mit rund 17 Megawatt Leistung. Der Gutteil davon ist als klassisch südausgerichtete Anlage konzipiert. Darunter weiden 90 bis 110 Mutterschafe. Außerdem wurde unter wissenschaftlicher Begleitung der Universität für Bodenkultur (BOKU) eine Anlage mit 400 doppelseitigen Bifazial-Modulen in Ost-West-Ausrichtung errichtet. Unter Führung des BOKU-Versuchswirtschaftsleiters Helmut Wagentristl wird in den zehn Meter breiten Streifen zwischen den Modulen seit 2022 Bio-Ackerbau betrieben. Dazu Wagentristl: „Die Breite ist unserer praxisüblichen Arbeitsbreite von drei Metern geschuldet.“ Die senkrecht aufgestellten Module ermöglichen es, dass 90 Prozent der Nutzfläche für den Ackerbau zur Verfügung stehen. Dabei wird dennoch eine Stromleistung von 350 bis 400 Kilowatt-Peak pro Hektar erreicht.
C3-Pflanzen im Vorteil
Um die in einem Meter Höhe angebrachten Module nicht zu beschatten, wählte Wagentristl ausschließlich niedrig wachsende Kulturen aus. So gedeihen heute Luzerne, Winterweizen, Wintergerste, Soja und Winterdinkel auf der ehemaligen Deponiefläche am Stadtrand der Bundeshauptstadt. „Das Pflanzenwachstum verändert sich natürlich durch die Beschattung“, berichtete der Wissenschaftler. Generell kämen weniger lichtbedürftige C3-Pflanzen besser mit Agri-PV zurecht als C4- Pflanzen. Die verzögerte Abreifung im Nahebereich der Module gelte es durch geeignete Sorten und Kulturen zu kompensieren. „Bei Soja haben wir keine Probleme, da die Hülsen lange geschlossen bleiben.“ Nach zwei Erntejahren dürfe man sich über ortsübliche Bio-Erträge freuen, so Wagentristl. Von Winterweizen wurden etwa 3,5 Tonnen und von Wintergerste 3,3 Tonnen gedroschen. Einzig Soja blieb etwas hinter den Erwartungen.
Die von der BOKU errechnete Landnutzungseffizienz, also die Summe aus erzeugtem Strom und produziertem Getreide, erreichte bei Wintergerste den Faktor 1,19. Es wird also 20 Prozent mehr geerntet.
Als herausfordernd erwies sich in der Schafflerhofstraße übrigens die Bewirtschaftung der 1,5 Meter breiten Streifen um die Aufständerung. Mulchschichten hätten sich durch die Windkräfte nicht bewährt, erklärte der Versuchsleiter. Weshalb die Streifen derzeit eher aufwendig mit der Motorsense gemäht werden.
Nachgeführt für maximalen Stromertrag
Eine Agri-PV-Anlage im nachgeführten System findet man dagegen am Sonnenfeld in Bruck an der Leitha. Dort betreiben die auf erneuerbare Energie spezialisierte EWS Consulting und der Energiepark Bruck auf 5,5 Hektar eine solche mit einer Leistung von 3,03 Megawatt- Peak. Am Sonnenfeld stehen immerhin 80 Prozent der Fläche für den Ackerbau zur Verfügung, 18 Prozent sind Blühstreifen. Die verbliebenen zwei Prozent werden für die Anlage samt Wechselrichtern gebraucht. Der Anlagentyp zeichnet sich durch auf Zahnkränzen von 70 Grad ost- bis 70 Grad westwärts rotierbaren PV-Modulen aus, wodurch sich ein höherer Energieertrag gegenüber fix verbauten Anlagen ergibt. „Im Vergleich zur Freiflächen-PV ernten wir durch bessere Ausnützung der Sonne den gleichen Stromertrag trotz weniger Modulfläche“, erklärte Christina Dochter, Projektentwicklerin im Energiepark Bruck.
Auch hier begleitet die BOKU den Anlagenbetrieb aus wissenschaftlicher Sicht und erprobt unterschiedliche Ackerkulturen im konventionellen Anbau. Den Rest der Fläche bewirtschaften Landwirte aus der Umgebung. Einer von ihnen berichtet am Rande der Vorträge: „Für die Arbeit zwischen den Reihen ist GPS am Traktor sehr zu empfehlen, um die teure Aufständerung nicht zu beschädigen.“ Für die Umstellung der Module in den Bewirtschaftungsmodus seien etwa 15 Minuten einzuplanen.
Solar-Biotop für Obst und Wein
Komplettiert wurde die ÖKL-Besichtigungstour im Öko-Solar-Biotop Pöchlarn. Am Gelände des Futtermittelherstellers Garant betreibt dort die RWA-Tochter Solar Solutions auf gut 5 Hektar eine Agri-PV-Anlage mit unterschiedlichsten Systemen. Die jährlich produzierten 4,6 Mio. Kilowattstunden Strom werden zur Gänze im Futtermittelwerk verbraucht. BOKU und Francisco Josephinum Wieselburg sind zur wissenschaftlichen Begleitung mit an Bord. Bei einem Gutteil der Fläche erfolgt die Doppelnutzung durch Beweidung mit Schafen. Außerdem wurden aufgeständerte Anlagen über Obst- und Weinanlagen errichtet. Dort werden Synergieeffekte durch Regen-, Hagel- und Frostschutz erprobt. Über die BOKU-Forschungsergebnisse im EWS Sonnenfeld in Bruck an der Leitha wird der betreuende BOKU-Professor Alexander Bauer demnächst ausführlich in der BauernZeitung berichten.
Im Agri-PV-Leitfaden des Umweltministeriums sind alle Details zu am Markt verfügbaren Systemen, Geschäftsmodelle und rechtliche Rahmenbedingungen ausführlich beschrieben.
- Bildquellen -
- Süd-Anlage Wien Energie: BZ/Wieltsch
- Boku/Wagentristl: BZ/Wieltsch
- Randstreifen Anlage: BZ/Wieltsch
- Nahaufnahme Nachgeführtes System: BZ/Wieltsch
- Solar-Biotop Pöchlarn: BZ/Wieltsch
- Bifaziale PV-Anlage: BZ/Wieltsch