Frau Norz, wie ist das Obstjahr 2024 verlaufen?
NORZ: Es war ein herausforderndes Jahr. Witterungsbedingt gab es in einzelnen Gebieten Frostausfälle. Dennoch blicken wir bei den Äpfeln in der Gesamtschau auf eine durchschnittlich gute Ernte, was auch viele Hausgartenbesitzer bestätigen können.
Besonders wenn man auf die großen Ausfälle in bestimmten Anbaugebieten der Steiermark blickt, sind wir in Tirol mit einem blauen Auge davon gekommen. Trotz extrem frühem Beginn der heurigen Apfelernte, sind die letzten Spätsorten im Tiroler Oberland erst in den vergangenen Tagen ins Lager gekommen.
Die Erntesaison für Erdbeeren war dieses Jahr regenreich, die extreme Nässe hat den Anbau im Freiland massiv getroffen. Beim Steinobst, wie Kirschen und Zwetschken, verzeichnen wir in vielen Gebieten – sortenabhängig – eine gute Ernte.
Welchen Herausforderungen steht der Obstbau aktuell gegenüber?
Die Klimaveränderung und extreme Witterung machen Schutzmaßnahmen wie Beregnung, Folienüberdachung oder Hagelnetze unabdingbar.
Zusätzlich werden im Pflanzenschutz immer weniger Wirkstoffe genehmigt, während zu den bekannten Schädlingen auch importierte hinzukommen. Wir stehen also vermehrten Krankheitsbildern ohne die nötigen Werkzeuge zur Beseitigung gegenüber. Hinzu kommt, dass weniger Wirkstoffe im Pflanzenschutz auch ein höheres Risiko in der Resistenz bedeuten. Betriebswirtschaftlich, aber auch ökologisch gesehen ist es bedenklich, wenn die Ernte durch fehlenden Pflanzenschutz reduziert wird. Vor allem vor dem Hintergrund, dass jene Wirkstoffe, auf die wir verzichten müssen, in anderen Produktionsländern genehmigt sind. Die Auslandsware wird dann ebenso nach Österreich importiert und neben der heimischen im Supermarktregal positioniert.
Die Produktionsbedingungen für heimisches Obst scheinen schwierig zu sein.
In vielen Bereichen kämpfen wir mit Wettbewerbsverzerrung im Lebensmittelregal, vom Produktions- bis zum Sozialstandard. Das wirkt sich besonders in unseren handarbeitsintensiven Spezialkulturen stark kostensteigernd aus.
Die Arbeitgeberkosten in Österreich zählen zu den höchsten im EU-Vergleich. Zum Beispiel zahlt der Arbeitgeber in Österreich neben Kranken- und Unfallversicherung auch Pensionsversicherung für Saisonarbeitskräfte. Die meisten Erntehelfer, die nur für kurze Zeit oder nur für wenige Erntesaisonen nach Österreich kommen, können darauf aber nie zugreifen, weil die Versicherungszeiten bei weitem nicht erreicht werden. Das ist ein enormer Kostenfaktor für österreichische Arbeitgeber, der am Markt nicht abbildbar ist. Darüber hinaus sind die gesetzlichen Sozialstandards bei uns wesentlich höher als im internationalen Vergleich, im Regal ist die billiger produzierte Ware dennoch direkte Konkurrenz.
Wie beeinflusst die anhaltende Teuerungsdiskussion den Obstbau?
Wir kämpfen mit steigenden Produktionskosten bei Pflanzenschutz, Maschinen, Anlagenerstellung, Verpackung, etc. Doch mit Sorge ist auch auf die öffentliche Teuerungsdebatte zu blicken, die den Konsumenten das Gefühl vermittelt, die Grundlebensmittel wären immer schwerer leistbar und der größte Ausgabenfaktor im Haushaltsbudget.
Das ist zu kurz gegriffen, denn diese Info vermittelt, dass alle Lebensmittel reihum zu teuer sind. Wenn man sich die andere Seite ansieht, blicken wir auf eine hohe Lebensmittelverschwendung in Privathaushalten und darauf, dass durchschnittlich nur rund zwölf Prozent des Haushaltseinkommens für den Lebensmitteleinkauf ausgegeben werden. Weniger als für Freizeit, Sport und Hobby!
Auch der Lebensmittelhandel muss kritisch hinterfragt werden. Nicht nur, dass es für verarbeitetes Obst oder Gemüse keine verpflichtende Herkunftskennzeichnung gibt. Auch die Schleuderpreise für Aktionsware stärken in den Köpfen der Konsumenten keinesfalls die Wertschätzung für ihre Lebensmittel. Hinzu kommt, dass immer mehr regionale Ware unter der Eigenmarke der Lebensmittelhändler verkauft wird. Das senkt nicht nur den Stellenwert der regionalen Marken, sondern führt auch zur beliebigen Austauschbarkeit von regional produzierten Lebensmitteln nach dem Billigstbieter-Prinzip. Das führt zur verstärkten Marktmacht einzelner Lebensmittelketten und zur Förderung unfairer Wettbewerbsbedingungen.
Abschließend zum „Tag des Apfels“: Welchen Stellenwert nimmt der Apfel ein?
Äpfel sind ein Grundnahrungsmittel und wie viele andere heimische Lebensmittel gut, günstig und gesund. Kein Importprodukt kann mehr Vorteile aufweisen als der Apfel, denn er ist zudem noch klimafreundlich durch kurze Transportwege – und, am wichtigsten, an gutem Geschmack nicht zu übertreffen.
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