Möglichst lange sollen Kartoffeln im Spätsommer und Herbst in ihrem „natürlichen Habitat“ der kühlen Erde verbleiben. Das galt über Generationen als gute landwirtschaftliche Praxis. „Mit zunehmender Klimaerwärmung ist das überholt“, urteilte die AMA in ihrem Marktbericht von September.
Der Kartoffelanbau ist im Umbruch, das bestätigten Österreichs Erdäpfelbauern bereits vor dem heurigen Sommer, dem nach einer ausgeprägten Dürre im August vielerorts ein verheerendes Hochwasser folgte. In einer im Juni publizierten Umfrage gaben mehr als 90 Prozent von ihnen an, in den vergangenen zehn Jahren mit den Auswirkungen des Klimawandels zu ringen. Die in der Fachzeitschrift „Agronomy“ veröffentlichten Ergebnisse sind Teil einer europaweiten Forschungskooperation unter der Leitung der Universität Wien mit dem Ziel, die Kartoffelsorten der Zukunft besser an den Klimawandel anzupassen.
Keine Zweifel am Klimawandel
Befragt wurden Bauern in 22 Ländern Europas. Hierzulande konzentrierte sich das Forscherteam um Svenja Bomers und Alexandra Ribarits von der Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES) auf die Rückmeldungen aus Österreich, Deutschland und der Schweiz. 159 österreichische Landwirte nahmen teil, gut die Hälfte von ihnen wirtschaftet konventionell, die meisten (91 %) befassen sich mit der Speisekartoffelproduktion. Zweifel am Klimawandel hegen nur die wenigsten. So gaben stolze 98 Prozent der deutschen Kartoffelbauern an, mit den Folgen der Klimaveränderung zu kämpfen, in der Schweiz stimmten 89 Prozent zu. Am häufigsten würde in der DACH-Region demnach Trockenheit zum Problem. Insbesondere Österrreichs Erdäpfelbauern gaben an, davon betroffen zu sein.
Nachholbedarf bei Bewässerung
Wenig verwunderlich, denn sie verfügen nur selten über eine Möglichkeit zur Bewässerung, wie die AGES-Expertinnen schreiben. Während zwei Drittel der Schweizer und knapp die Hälfte der deutschen Berufskollegen zumindest teilweise Zugang zu entsprechender Infrastruktur haben, verfügen nur 39 Prozent der befragten Landwirte aus Österreich über solche Technik. Die Interessengemeinschaft Erdäpfelbau geht derzeit gar davon aus, dass nur ein Fünftel bis ein Viertel der heimischen Kartoffelflächen bewässert werden können. Zum Vergleich: In den Kartoffelanbaugebieten Niedersachsens sind etwa 80 Prozent der Schläge bewässerbar. Laut AGES sei dies insofern problematisch, da Kartoffeln mit ihrem flachen Wurzelsystem relativ empfindlich auf Wasserdefizite reagieren, besonders in kritischen Wachstumsphasen, etwa während des Knollenansatzes.
Neue Strategien in der Kulturführung
Aber auch ein Übermaß an Wasser nannten Praktiker als Problem. So berichteten rund 40 Prozent der befragten Österreicher, in den vergangenen zehn Jahren von Überflutungen betroffen gewesen zu sein, in Deutschland bejahte dies nur ein Viertel der Bauern. Auch Bodenerosion und Ausfälle durch Spätfrost beklagten die heimischen Landwirte. Zwei Drittel sehen außerdem den wachsenden Schädlings- und Krankheitsdruck als beschränkenden Faktor für die Kartoffelproduktion im Land.
Gefragt wurden die Bauern auch, wie sie auf ihren Höfen auf die sich ändernden Klimabedingungen reagieren. 60 Prozent der österreichischen Landwirte versuchen mit geänderten Pflanz- und Ernteterminen gegenzusteuern, etwa die Hälfte will bei der Bodenbearbeitung optimieren und gut 40 Prozent nehmen Anpassungen in der Fruchtfolge vor. Wenig Hoffnung macht sich die heimische Erdäpfelbranche in Sachen Bewässerung. Lediglich 30 Prozent sehen darin eine mögliche Anpassungsstrategie. In allen drei Ländern setzen 70 Prozent der Praktiker übrigens größte Hoffnungen in neue, angepasste Sorten. Dies war die mit Abstand am häufigsten genannte Option zur Anpassung an den Klimawandel.
Forschung für die Knolle der Zukunft
Genau hier kommt das eingangs erwähnte europaweite Forschungsprojekt ins Spiel. Unter dem Titel ADAPT untersuchten zehn Forschungseinrichtungen und vier Kartoffelzüchter unter der Leitung des Uni-Wien-Zellbiologen Markus Teige vier Jahre lang etwa 50 gängige Kartoffelsorten auf ihre Toleranz gegen Hitze, Staunässe und Trockenheit. Dabei stellten die Wissenschaftler deutliche Unterschiede in der Ertragsstabilität fest. „Viele Sorten lieferten zwar oft höhere Erträge unter optimalen Bedingungen, aber unter den teilweise extremen Stressbedingungen der vergangenen Jahre zeigte sich, dass Sorten mit etwas niedrigeren Erträgen ertragsstabiler waren“, erklärt Teige.
Teige: „Unter den extremen Stressbedingungen der vergangenen Jahre zeigte sich, dass Sorten mit niedrigeren Erträgen ertragsstabiler waren.“
Warum dem so ist, wurde parallel in Gewächshäusern auf zellulärer Ebene untersucht. Dabei stellten die Forscher fest, dass es spezifische Signaturen für Stresstoleranz in der Genetik und den Hormonen der einzelnen Sorten gibt. Dies sei „eine wertvolle Grundlage für die zukünftige Züchtung von Kartoffeln“, sind die Forscher überzeugt.
Dem stimmen auch die AGES-Expertinnen Svenja Bomers und Alexandra Ribarits zu. „Prognosen zufolge könnten bis zum Ende des Jahrhunderts 39 Prozent der weltweiten Anbauflächen neue Pflanzensorten benötigen, um durch den Klimawandel verursachte Ertragsverluste zu vermeiden“, schreiben sie. Die Ergebnisse von ADAPT werden nun in einem Folgeprojekt in der praktischen Sortenzüchtung erprobt. Laut AGES sei hier aber Geduld gefragt. Bis eine neue Erdäpfelsorte am Markt sei, würden nämlich etwa zehn Jahre vergehen.
Hier die Projektbeschreibung der AGES zum Nachlesen.
- Bildquellen -
- Staunässe: Privat
- Felderhebung: BIANCA DOEVENDANS, MEIJER POTATO
- Laborbedingungen: KLÁRA PANZAROVÁ
- Kartoffelkraut: MYKOLA - STOCK.ADOBE.COM