Kälberaufzucht: Kolostrum aus der eigenen Herde ist am besten

Die Versorgung des neugeborenen Kalbes mit einer ausreichenden Menge an Abwehrstoffen ist der wesentlichste Faktor für den guten Start ins Leben. Da etwa die Hälfte aller Milchkühe kein Qualitätskolostrum liefert, stellt sich die Frage nach passenden Ersatzstrategien.

Biestmilchgabe per Drench – am besten eignet sich ein weicher, 150 cm langer Schlauch, der etwa 60 cm (Markierung) in die Speiseröhre reichen soll. Die Kopfhaltung des Kalbes soll waagrecht sein.

Qualität, Menge und Zeit, das sind die wesentlichen Eckpunkte, damit der Aufbau einer wirkungsvollen Immunabwehr mittels Biestmilch gelingt. Denn nur mit einer funktionierenden Immunabwehr sind neugeborene Kälber vor den häufigsten Infektionen wie Durchfall, Nabelentzündung und Gelenksentzündung geschützt.

Wichtig ist der Gehalt an Immunglobulin G

Von „Qualitätskolostrum“ spricht man, wenn die Biestmilch einen Gehalt an Immunglobulin G (IgG) von mindestens 50 Milligramm pro Milliliter aufweist. Leider liefern etwa 40 bis 60 Prozent der Kühe kein Qualitätskolostrum. Genau deren Kälber haben in der Folge ein wesentlich höheres Erkrankungs- und Sterberisiko. Ungenügende Kolostrumversorgung führt zu länger anhaltenden Durchfällen. Bei Nabelentzündungen nimmt die Krankheitsintensität zu. Auch Gelenksentzündungen können durch mangelnde Kolostrumqualität entstehen.

Quelle: Kritzinger / vetinfo.at
Refraktometer (l.), Senkspindel (m.) und ColostroCheck eignen sich gleichermaßen zur Qualitätsbeurteilung der Biestmilch.

Drei Methoden zur Qualitätsbestimmung

Um eine ausreichende Kolostrumversorgung sicherzustellen, muss die Qualität gemessen werden. Der IgG-Gehalt beeinflusst das spezifische Gewicht, den Brechungsindex und die Viskosität der Biestmilch. Deshalb gibt es drei gleichwertige Messmethoden, um die Kolostrumqualität zu bestimmen. Es sind dies:
• die Senkspindel,
• das Refraktometer und
• der „ColostroCheck“.
Bei der Dichtemessung mittels Kolostrumspindel liegt Qualitätskolostrum vor, wenn die Skala der Spindel im grünen Bereich zu liegen kommt. Bei der Bestimmung der Lichtbrechung mittels Refraktometer hat Qualitätskolostrum einen Index von zumindest 21 Prozent. Brix-Werte ab 27 Prozent sind sehr gut. Beim „ColostroCheck“ ist die Viskosität der Biestmilch der Qualitätsparameter. Dabei handelt es sich um einen kalibrierten Durch­lauftrichter aus Kunststoff mit einem Volumen von 100 ml. Benötigt die melkfrische Biestmilch (30 °C) zumindest 24 Sekunden, um durch den Trichter zu fließen, so liegt mit großer Wahrscheinlichkeit Qualitätskolostrum vor. Mit dem ColostroCheck steht ein einfaches, praxisbewährtes und kostengünstiges Prüfverfahren zur Verfügung.

Der beste „Rat“ ist der Vorrat

Um den Gehalt an Abwehrstoffen möglichst hochzuhalten, ist es wichtig, die Kuh sofort nach der Geburt zu melken. Denn mit jeder Stunde verdünnt sich das Kolostrum. Ist die Kolostrumqualität in Ordnung, so kann das Kalb, sobald es einen Saugreflex zeigt, mit zwei Litern Qualitätskolostrum versorgt werden.
Der Rest der qualitativ entsprechenden Kolostralmilch sollte mittels Gefriertruhe auf Vorrat gelegt werden. Dazu füllt man das Kolostrum am besten in Getränkeflaschen oder Gefrierbeutel ab und friert es ein. Bei –18 °C ist das Kolostrum dauerhaft haltbar.
Saugschwache Kälber oder Tiere ohne Saugreflex sollten zwei Liter Kolostrum per Drench verabreicht bekommen. Eine Drench-Ausrüstung sollte auf jedem Betrieb vorhanden sein.

Quelle: Kritzinger / vetinfo.at
Zum Drenchen eignet sich am besten ein weicher, biegsamer 150 cm langer Schlauch, der etwa 60 cm (Markierung) in die Speiseröhre reichen soll.

Gefrorene Biestmilch schonend auftauen

Bei Kühen mit mangelnder Kolostrumqualität kann man in der Folge auf die eingefrorenen Vorräte zurückgreifen, denn schlechtes Kolostrum nützt auch in großen Mengen nichts. Es kann allenfalls als Zweitgabe verabreicht werden.
Wichtig ist, dass die eingefrorene Qualitätsbiestmilch schonend aufgetaut wird. Keinesfalls soll sie über 60 °C erhitzt werden, weil sonst die Immunglobuline degenerieren würden. Zum Auftauen eignen sich ein Wasserbad oder die Mikrowelle (300 Watt, 30 min.).
Sollte tatsächlich ein Mangel an Qualitätskolostrum aus der eigenen Herde bestehen, so sind im Handel Ersatzprodukte erhältlich. Dabei sollte jedoch auf ausreichenden Gehalt an IgG geachtet werden.

Biestmilchersatz – Pro & Contra

Um fehlendes Kolostrum zu ersetzen oder schlechte Qualitäten auszugleichen, sind im Handel Kolostrumaufwerter oder Kolostrumersatzprodukte erhältlich, die mit verschiedenen Versprechungen beworben werden. Hier fünf Punkte, die bei der Wahl solcher Produkte zu beachten sind:
• Für einen ausreichenden Schutz muss ein Kalb 100 Gramm Immunglobulin bekommen. Bei schlechter Kolostrumqualität sollten mindestens 40 bis 50 Gramm zugemischt werden. Viele Produkte enthalten unter zehn Gramm. Fragen Sie nach dem Gehalt an Immunglobulin!
• Meistens enthalten diese Produkte nur Abwehrstoffe gegen Rotaviren, Coronaviren und Colibakterien. Nicht enthalten sind Abwehrstoffe gegen die Erreger von Nabelentzündung, Gelenksentzündung oder Sepsis.
•Die Abwehrstoffe werden im Labor hergestellt und sind daher nicht bestandsspezifisch.
• Kolostrum enthält neben den Abwehrstoffen eine Menge an weiteren gesundheitsfördernden Substanzen. Diese fehlen in Ersatzprodukten gänzlich.
• Die billigste und effektivste Art der Versorgung ist die Vorratshaltung von Kolostrum aus der eigenen Herde in der Tiefkühltruhe.

www.vetinfo.at

- Bildquellen -

  • 2445 W03 KolCheck Kritzinger Vetinfo: Kritzinger / vetinfo.at
  • 2445 W02 Drench Set Kritzinger Vetinfo: Kritzinger / vetinfo.at
  • 2445 W01 Kol Drench Kritzinger Vetinfo: Kritzinger / vetinfo.at
- Werbung -
AUTORDr.med.vet Franz Kritzinger, Tierarztpraxis Vöcklamarkt
QuelleH.M.
Vorheriger ArtikelZum 11. 11: „Gans regional und g’schmackig“
Nächster ArtikelVogelgrippe: Ganz Österreich als Gebiet mit erhöhtem Risiko eingestuft