„Keine Patente auf Saatgut!“-Gruppe hält die Vergabe für nicht rechtens. KWS ist um Klärung bemüht.

Geistiges Eigentum ist auch in der Pflanzenzüchtung ein viel diskutiertes Thema. Um neu entwickelte Sorten zu schützen, stehen global zwei Rechtssysteme zur Verfügung: Sortenschutz und Patentierung. Beim Sortenschutz wird einem Züchter nach Überprüfung der Sorteneigenschaften auf Neuheit das alleinige Recht zur Erzeugung und zum Vertrieb von Vermehrungsmaterial gewährt. In Österreich gilt dieses Recht auf 25 bis 30 Jahre. Das sogenannte Züchterprivileg erlaubt es jedoch, dass die jeweilige Sorte von anderen Pflanzenzüchtern ohne Zustimmung des Inhabers als Basis für neue Sorten verwendet werden kann.

Konventionelle Verfahren seit 2017 nicht patentierbar

Anders ist dies bei einer patentierten Sorte. Dann ist eine Verwendung nur durch Erwerb von Lizenzen möglich. In Europa sorgte dies in den 2010er-Jahren für intensive Diskussionen. Kleine Züchter, darunter auch Österreichs Branchenverband Saatgut Austria, warnten davor, durch Patente auf Sorten aus konventioneller Züchtung ins Hintertreffen zu geraten. Im Mai 2020 stellte die große Beschwerdekammer des Europäischen Patentamts (EPA) schließlich klar, dass Pflanzen, die ausschließlich durch „im Wesentlichen biologische Verfahren“ gewonnen werden, in der EU nicht patentierbar sind. So weit, so gut. Allerdings teilte das Gremium mit, dass dies nicht für Patente gelte, die vor dem 1. Juli 2017 erteilt wurden oder deren Verfahren zu dem Zeitpunkt bereits angelaufen war.

Eines dieser zuvor bearbeiteten Patente ist EP3380618. Dessen Inhaber, der internationale Mais-, Rüben- und Getreidezüchter KWS, suchte bereits 2016 um ein Patent auf ein Verfahren zur konventionellen Zucht von kältetolerantem Mais an. Im vergangenen Jahr legte die internationale Mitgliederorganisation „Keine Patente auf Saatgut“ dagegen Einspruch beim zuständigen EPA ein. Die 18 Mitglieder, darunter der Verein Arche Noah, sind der Ansicht, dass es sich bei dem angewandten Verfahren um konventionelle Züchtung handelt, die „zu keinem Zeitpunkt“ patentierbar gewesen sei. Sie warnen vor Konsequenzen für regionale Züchter, die ebenfalls Maissorten entwickeln, die an kurze Vegetationszeiten angepasst sind.

In einem jüngst vorgelegten Bericht des Bündnisses wird unter Berufung auf das US-Agrarministerium erklärt, dass vor allem industrielle Zuchtunternehmen als Patentinhaber auftreten. Konkret sollen in den USA 95 Prozent aller patentierten Maissorten nur vier Konzernen gehören. Bei Weizen seien es immerhin mehr als die Hälfte. Dem Bericht zufolge sei die Lage in der EU ähnlich angespannt. „Hunderte Patente auf konventionell gezüchtete Pflanzen wurden bereits erteilt“, ist darin zu lesen. 1.300 Sorten seien betroffen und drohen „die europäische Zucht zu blockieren“.

Konzern sieht sich im Recht

Vergangene Woche entschied das EPA nach mehrstündiger Verhandlung den Einspruch zurückzuweisen. Zu Recht, wie eine KWS-Sprecherin der BauernZeitung auf Nachfrage mitteilte: „Die Rückweisung bestätigt, dass KWS Patente im Rahmen der geltenden anwendbaren Gesetze anmeldet.“ Sowohl im Prüfungs- als auch im nachgelagerten Einspruchsverfahren sei das Kriterium „Neuheit“ geprüft und bestätigt worden. Im Übrigen begrüße KWS die Entscheidung des EPA aus 2020, da diese „den weiteren Züchtungsfortschritt und die Diversität sicherstellt“.

Auch für KWS sei der ungehinderte Zugang zu Züchtungsmaterial für die Entwicklung neuer Sorten von großer Bedeutung, so die Sprecherin. Um diese auch bei patentierten Merkmalen sicherzustellen, verfolge der Konzern ein „proaktives Lizenzierungsangebot“, das interessierten Züchtern freie Züchtungsrechte bei einigen Pflanzenmerkmalen einräume. Bei kommerziellem Interesse erfolge die Lizenzvergabe „einfach und schnell“ per Mausklick. Dieses Verfahren sei „fair und angemessen“, um die kostenintensive Forschung zu finanzieren. Welche Kosten den Lizenznehmern entstehen wird allerdings nicht mitgeteilt, es gäbe aber „europaweit einheitliche Standardbedingungen“.

Gänzlich anders sehen das die Vertreter von „Keine Patente auf Saatgut“. KWS habe nicht notwendige technischen Verfahren angewandt, obwohl die selektierten Gene auch natürlich vorkommen, lautet deren Vorwurf. Derartige Entwicklungen gelte es zu stoppen, lautet ihr Appell. „In der EU wird heftig über Patente auf Pflanzen gestritten. Die alte EU-Kommission hatte sich aber geweigert, einer rechtssicheren Lösung zuzustimmen“, sagt Dagmar Urban, Saatgutpolitik-Expertin bei Arche Noah. Nachsatz: „Dabei könnten Patente auf konventionelle Züchtung über die EU-Patentrichtlinie verboten werden.“ Derzeit fehle es aber an einer „korrekten Auslegung der Rechtslage“.

Um Klärung bemüht

Bei KWS wird indes betont, dass man sich schon seit Jahren im Austausch mit „Keine Patente auf Saatgut“ befinde. Man sei bei dieser komplexen Thematik generell an einem Dialog interessiert. „Auch im Vorfeld zur Anhörung haben wir einen Austausch mit unseren Experten angeboten, um mögliche Missverständnisse bezüglich der technischen Aspekte des Patents ausräumen zu können“, so die Sprecherin der Saatgutfirma. Das NGO-Bündnis hat indes angekündigt, gegen den EPA-Beschluss Beschwerde einzulegen und fordert auch die Politik zum Handeln auf. Ausgang ungewiss.

Die Position von KWS zu Patentierbarkeit von Pflanzen ist hier nachzulesen.

Die deutschsprachige Fassung des Berichts von „Keine Patente auf Saatgut“ finden Sie hier

- Bildquellen -

  • Mais häckseln: agrarfoto.com
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AUTORClemens Wieltsch
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