Du trittst nach 25 Jahren in der Politik nicht mehr zur Nationalratswahl 2024 an. Weshalb hast du dich entschieden, deine politische Funktion zurückzulegen?
GAHR: 1999 habe ich auf Wunsch und Vorschlag von Toni Steixner meinen Einstieg in die Politik gefunden. Über 25 Jahre und sieben Nationalratswahlen hinweg habe ich mich bemüht, dieser Verantwortung gerecht zu werden und als Vertreter der Tirolerinnen und Tiroler zu agieren. Ich wollte stets nicht nur in Wien präsent sein, sondern ein Ansprechpartner in Tirol und Bindeglied für Bürger und Gemeinden, um die heimischen Interessen aktiv zu vertreten.
Mir war es immer ein Anliegen, den Zeitpunkt meines Ausstiegs selbst zu wählen. Dieses Jahr gehe ich in die „politische Pension“, nächstes Jahr dann in die berufliche als Geschäftsführer des Maschinenring Tirol. Für mich ist klar, dass es einen Generationenwechsel braucht.
Wo lagen deine Schwerpunkte?
Meine Schwerpunkte lagen im Bereich Landwirtschaft und ländlicher Raum. Für alles, was die Lebensqualität am Land und am Hof verbesserte, setzte ich mich ein – das beinhaltet auch Themen wie die soziale Sicherheit oder den Verkehr. Ein spannendes Thema war für mich auch Südtirol, das als unser Nachbar kulturell, wirtschaftlich und sozial stark mit uns in Verbindung stehen sollte.
Welche Herausforderungen wurden im Sinne der Landwirtschaft bewältigt?
Die Landwirtschaft steht sich ständig verändernden Herausforderungen gegenüber. Seit dem Eintritt in die EU und die gesamteuropäische Agrarpolitik haben wir auf Bundes- und Landesebene unser Möglichstes getan, um die Berglandwirtschaft aufrechtzuerhalten. Der Strukturwandel ist im Gange und nicht nur eine Frage der Politik, sondern auch der persönlichen Umstände der Betroffenen, sei es in Familie oder Beruf. Mir war und ist es wichtig, dass jeder Betrieb, der in der Landwirtschaft bleiben möchte, diese Chance auch erhält. Positiv sehen wir die Bemühungen der Politik etwa im landwirtschaftlichen Schulwesen, das sich erfolgreich entwickelt hat und Jungbäuerinnen und Jungbauern eine gute Ausbildung ermöglicht.
Kannst du uns einen Einblick geben, welche Entscheidungen für die Landwirtschaft in der nächsten Zeit im Nationalrat anstehen werden?
Zukünftig wird es noch wichtiger werden, bäuerliches Eigentum zu schützen und die flächendeckende Lebensmittelproduktion zu erhalten. Renaturierung darf nicht auf Kosten der Landwirtschaft stattfinden. Regionalität muss gelebt und praktiziert werden. Innovative Ansätze, die die Vielfalt der Tiroler Landwirtschaft aufzeigen, sollen ebenso wie verstärkte Kooperationen mit dem Tourismus forciert werden. Produktionsnischen sollten gezielt genützt und Veränderungen als Chance gesehen werden.
Handelsabkommen, die auf dem Rücken der Landwirtschaft nur der Wirtschaft nützen, stehe ich kritisch gegenüber. Auflagen und Bürokratie müssen vertretbar gestaltet werden. Zudem muss der Schutzstatus von Großraubtieren ehest gesenkt werden. Wir müssen auf der Hut sein, um nicht noch mehr Druck auf die landwirtschaftlichen Betriebe auszuüben. Daher gilt es auch, bei der Nationalratswahl am Sonntag weise zu wählen.
Weshalb ist es so wichtig, von seinem Wahlrecht bei der Nationalratswahl Gebrauch zu machen?
Wir müssen dankbar sein, in einem Land zu leben, in dem man die Wahl hat. Es gibt zwar keine Wahlpflicht, doch aus demokratiepolitischer Sicht sehe ich durchaus eine moralische Verpflichtung, sein Wahlrecht zu nützen.
Welchen Rat möchtest du rückblickend auf deine Karriere den Tirolerinnen und Tirolern mitgeben?
Egal ob in der Orts-, Landes- oder Bundespolitik: Es braucht Menschen, die Verantwortung übernehmen. Genauso braucht es aber auch Wertschätzung gegenüber jenen, die sich öffentlich engagieren. Die heutige Politik braucht guten Stil, Mut und Verlässlichkeit.26
Vor allem denjenigen, die in der Land- und Forstwirtschaft tätig sind, muss klar sein, dass sie stark im Fokus stehen. Oft wird unterschätzt, wie stark die Landwirtschaft von den politischen Gegebenheiten abhängt. Dennoch wirkt sie tagtäglich auf die bäuerlichen Betriebe ein: vom Umweltschutz über die Produktionsbedingungen bis hin zum Bodenverbrauch und -schutz.
Umso wichtiger ist es, dass sich Jungbauern, Bäuerinnen und Bauern politisch engagieren und in den entsprechenden Gremien einbringen. Sie müssen in der Politik mitgestalten, um einen positiven Wandel bewirken zu können. Denn wenn die Bauern es nicht tun, wird auch kein anderer für die Interessen der Land- und Forstwirtschaft eintreten.
- Bildquellen -
- Gahr Hermann: Tanja Cammerlander