Gemeinschaftliche Energieproduktion als Strategie für die Zukunft

Im Interview mit der Tiroler Bauernzeitung spricht Daniel Nairz, Geschäftsführer der IKB Sonnenstrom GmbH, über die Vorteile von Erneuerbare-Energie-Gemeinschaften und die Notwendigkeit einer Energiewende.

Was versteht man unter einer Erneuerbare-Energie-Gemeinschaft (EEG)?

NAIRZ: Grundsätzlich ist eine Energiegemeinschaft der Zusammenschluss von mindestens zwei Teilnehmern zur gemeinsamen Produktion und Verwertung von Energie. Diese Gemeinschaft darf Energie aus erneuerbaren Quellen erzeugen, speichern, verbrauchen und verkaufen. Miteinander verbunden sind die Teilnehmer durch das öffentliche Stromnetz, daher müssen sie immer innerhalb eines Konzessionsgebiets eines einzelnen Netzbetreibers angesiedelt sein.

Wir haben uns in Österreich das ambitionierte Ziel gesetzt, die Stromversorgung bis 2030 restlos auf erneuerbare Energieträger umzustellen und bis 2040 klimaneutral zu werden. Das kann nur funktionieren, wenn sich die Bevölkerung proaktiv an der Energiewende beteiligen kann. Mit dem Bundesgesetz über den Ausbau von Energie aus erneuerbaren Quellen (Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz EAG) Anfang 2022 hat der Nationalrat die notwendigen rechtlichen und organisatorischen Rahmenbedingungen geschaffen. Dadurch wird erstmals auch die Bildung von Energiegemeinschaften gefördert. EEGs sind das am häufigsten nachgefragte und umgesetzte Modell der gemeinschaftlichen Stromnutzung. Den Anstieg habe ich vor allem bemerkt, seit die Einspeisetarife zurückgegangen sind.

Wer kann sich an einer EEG beteiligen?

Natürliche Personen, Gemeinden oder Klein- und Mittelbetriebe – teilnehmen darf grundsätzlich jeder, egal ob privat oder als Firma. Bei kleinen und mittelständischen Unternehmen darf die Teilnahme aber nicht gewerblicher oder beruflicher Hauptzweck sein, wie das etwa auf Elektrizitäts- und Erdgasunternehmen zutrifft. Explizit ausgeschlossen sind große Unternehmen und öffentliche Betriebe. Vor der Gründung einer Energiegemeinschaft stellt man also fest, wer teilnehmen möchte und ob das rechtlich möglich ist. Es kann daher sinnvoll sein, potenzielle Mitglieder in die Planung mit einzubeziehen.

Eine Obergrenze der Teilnehmer ist vom Gesetzgeber nicht vorgesehen, ergibt sich aber zwangsläufig aus technischen oder faktischen Gründen, wenn etwa der Nahebereich nicht gegeben ist. Ebenso zulässig ist die Teilnahme an mehr als einer Energiegemeinschaft.

Was muss man bei der Umsetzung beachten?

Grundvoraussetzung ist ein elektrischer Anschluss der Anlage. Teilnehmer einer lokalen EEG sind über das Niederspannungs-Ortsnetz einer Trafostation verbunden. Wenn der Bereich über eine Trafostation hinaus geht und Mittelspannungsleitungen gebraucht werden, spricht man von regionalen EEGs. 

Die Wahl der Organisationsform ist sehr flexibel gestaltet. Von Verein über Genossenschaft bis Kapitalgesellschaft ist eigentlich alles möglich. Faktoren wie Gründungsaufwand, Kosten oder Anzahl der Teilnehmer sollten bei der Entscheidung berücksichtigt werden. Eines haben die verschiedenen Organisationsformen aber gemein: Im Vordergrund steht die Gemeinnützigkeit. Dass der Hauptzweck nicht im finanziellen Gewinn liegt, muss in den Statuten verankert sein, oder sich aus der Organisationsform ergeben. Natürlich dürfen im Rahmen einer Energiegemeinschaft Gewinne erzielt werden, damit sollten aber hauptsächlich wieder neue Investitionen getätigt werden.

Nach der Gründung wird die Energiegemeinschaft als Marktteilnehmerin auf der Plattform ebutilities.at registriert. Damit erhält sie eine Marktpartner-ID, die für die Anmeldung beim Netzbetreiber notwendig ist. Als letzter Schritt bleibt die Anbindung an die Marktkommunikation durch das EDA-Anwenderportal. Dadurch wird die EEG Teil des energiewirtschaftlichen Datenaustauschs, kann die An- und Abmeldung neuer Zählpunkte vornehmen und erhält die notwendigen Informationen für die Abrechnung innerhalb der Gemeinschaft. Je nach Größe und Komplexität der Gemeinschaft kann man zur Erleichterung der Abrechnung bereits auf zahlreiche Programme zurückgreifen.

Welche Vorteile ergeben sich aus der gemeinschaftlichen Energienutzung?

Die multiplen Krisen der letzten Jahre haben gezeigt, dass es besser ist, nicht auf Importe angewiesen zu sein. Das gilt für Lebensmittel und medizinische Versorgung ebenso wie für Energie. Auch im Hinblick auf Klimawandel und Ressourcenverbrauch ist eine Energiewende mit Fokus auf erneuerbare Energieträger die einzige zukunftsfähige Strategie.

Um die erneuerbaren Energiegemeinschaften attraktiver zu gestalten, hat sich der Gesetzgeber entschieden, unterschiedliche Komponenten vom Energiepreis zu reduzieren bzw. gänzlich darauf zu verzichten. Agiert eine EEG im Lokalbereich („Trafostation“) reduzieren sich die Netznutzungsentgelte um 57 Prozent – agiert die EEG im Regionalbereich („Umspannwerk“) so reduzieren sich die Entgelte um 28 Prozent. Ebenso sind EEGs von der Erneuerbaren-Förderpauschale (derzeit 0 ct/kWh) und der Elektrizitätsabgabe (derzeit 0,1 ct/kWh) befreit. Dadurch reduziert sich das Netznutzungsentgelt für aus der EEG bezogenen kWh im Lokalbereich (NE7 nicht gemessene Leistung) um 2,961 ct/kWh und im Regionalbereich (NE7 nicht gemessene Leistung) um 1,506 ct/kWh. Im Großen und Ganzen ergibt sich durch höhere Einspeisetarife für Produzenten und günstigere Bezugstarife für Konsumenten eine Win-win-Situation für beide Seiten. 

Ein dezentral organisiertes Energiesystem ist stabiler und kann mehr Widerstand gegen Preisschwankungen leisten. Gleichzeitig reduziert es die Abhängigkeit von Energiekonzernen. Da Überschüsse regional vermarktet und der Mehrwert direkt verbraucht wird, hat man als angenehmen Nebeneffekt noch regionale Wertschöpfung. Die positive Wirkung von verantwortungsvoller, gemeinschaftlicher Energiepolitik ist nicht von der Hand zu weisen und Energiegemeinschaften bleiben davon ein zentraler Baustein.

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  • 220705 FISCHLER 34 (1): Fischler
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AUTORRed. JS
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