Prof. Strohschneider übergab das hundertseitige Papier an von der Leyen.

Im Jänner ersuchte Kommissionschefin Ursula von der Leyen eine Gruppe von 29 Interessenvertretern aus dem „europäischen Agrar- und Ernährungssektor, der Zivilgesellschaft, der ländlichen Gemeinschaften und der Wissenschaft“ um Abhaltung eines Strategiedialogs zur Zukunft der EU-Agrarpolitik.

Unter dem Vorsitz des ehemaligen Präsidenten der Deutschen Forschungsgemeinschaft, Professor Peter Strohschneider, wurde nun – gut sieben Monate später – ein 110 Seiten starker Abschlussbericht übergeben. Dieser werde als „Richtschnur“ für die geplante Vision der Europäischen Kommission für den Bereich Landwirtschaft und Ernährung dienen, welche in den ersten 100 Tagen der zweiten Amtszeit von Präsidentin von der Leyen vorgelegt werden soll. „Meine Bitte war, einen neuen Konsens zu erzielen – und genau das haben sie nun erreicht“, wandte sich von der Leyen bei der Übergabe voll des Lobes an das Expertengremium. Gänzlich anderer Meinung ist hier Alexander Bernhuber, Agrarsprecher der ÖVP-Delegation im EU-Parlament: „Es ist gut, dass der Dialog zur Zukunft der Landwirtschaft ins Leben gerufen wurde. Allerdings bin ich der Meinung, dass die EU-Kommission von Anfang an viel mehr auf die Stimmen aus der Praxis, nämlich auf unsere Land- und Forstwirte, hören hätte sollen.“

Stärkung in der Wertschöpfungskette

Inhaltlich mündet der Abschlussbericht in Handlungsempfehlungen in fünf Bereichen. In Sachen „Zusammenarbeit für eine nachhaltige, widerstandsfähige und wettbewerbsfähige Zukunft“ rät das Gremium zu einer Abänderung der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP), um die Position der Landwirte in der Lebensmittelwertschöpfungskette zu stärken und den Zugang zu Finanzierungsquellen zu verbessern.

Zudem wird auf die Rolle des Handels und dessen internationale Standards eingegangen. Im Kapitel „Nachhaltige Agrar- und Lebensmittelsysteme“ empfiehlt man kräftigere Unterstützung für nachhaltige landwirtschaftliche Produktionsverfahren. Bei der Tierhaltung betrifft dies insbesondere mehr Tierwohl. Hinter dem sperrigen Titel „Förderung transformativer Resilienz“ verbirgt sich die Aufforderung, mehr Bewusstsein für die Notwendigkeit von Risikomanagementinstrumenten zu schaffen und das Krisenmanagement zu verbessern.

Fokus auf Hofübergabe

Im Kapitel „Schaffung eines attraktiven und vielfältigen Sektors“ legt man besonderen Fokus auf die Bedeutung des Generationenwechsels in der Landwirtschaft, die Gleichbehandlung aller Geschlechter sowie den Erhalt lebendiger ländlicher Gebiete und Agrar- und Lebensmittelsysteme. Zuletzt wird noch ein erleichterter Zugang zu Wissen und Innovation für Praktiker eingefordert, unter anderem um „die Digitalisierung als Chance zu begreifen“.

Bernhuber: „Wie das mit der Stärkung der Landwirte in der Lebensmittelwertschöpfungskette zusammenpassen soll, muss uns von der Leyen beantworten.“

Für Bernhuber liegt der Hund – wie so oft – im Detail. So werde im Bericht etwa bei der Ernährung eine „Neuausrichtung auf pflanzliche Optionen“ gefordert. „Wie das mit der geplanten Stärkung der Landwirte in der Lebensmittelwertschöpfungskette zusammenpassen soll, ist eine Frage, die uns von der Leyen beantworten muss, wenn sie die geplante Vision für die Landwirtschaft vor-legen wird“, mahnt er zur Vorsicht. Insgesamt sei er „gespannt, aber nicht sehr optimistisch“, teilt er der BauernZeitung auf Nachfrage mit.

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  • Strohschneider und v.d. Leyen: EU-Kommission
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AUTORRed. CW
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