Die vergangenen Monate waren in der AMA-Marketing, der Kommunikationstochter der Marktordnungs- und Zahlstelle Agrarmarkt Austria, einigermaßen turbulent. Schon seit über 30 Jahren positioniert man sich mit dem AMA-Gütesiegel als Marke im heimischen Lebensmitteleinzelhandel. Mit gut 50.000 teilnehmenden Betrieben ist immerhin ein Drittel aller Bauern Österreichs an Bord. „Das AMA-Gütesiegel ist die Marke der Landwirtschaft“, erklärte Geschäftsführerin Christina Mutenthaler-Sipek eingangs. Damit das so bleibe, gelte es den Anforderungen des Marktes gerecht zu werden.
Mutenthaler-Sipek: „Es sind angespannte Zeiten in der Branche, aber die Anforderungen der Konsumenten steigen dennoch.“
Dass zusätzliche Auflagen die Bauern vor Herausforderungen stellen, sei ihr dabei durchaus bewusst. „Es sind angespannte Zeiten in der Branche, aber die Anforderungen der Konsumenten steigen dennoch“, so die AMA-Managerin. Ein Beispiel dafür sei die Warengruppe Milch und Milchprodukte. Diese wird einer von der AMA-Marketing beauftragten Umfrage zufolge von 42 Prozent der Konsumenten täglich konsumiert. Doch trotz stabiler Nachfrage steigen die Anforderungen der Konsumenten. „Neben Natürlichkeit wird vermehrt regionale Herkunft, aber auch artgerechte Tierhaltung häufig genannt.“ So wünschen sich 88 Prozent der Befragten etwa Auslauf bei Milchkühen, auch Scheuermöglichkeiten für die Rinder stehen hoch im Kurs.
13.148 Betriebe bei „Tierhaltung plus“
Dem trägt die heimische Milchwirtschaft seit Jahresbeginn mit dem Gütesiegelmodul „Tierhaltung plus“ Rechnung. „Dieses Modul stellt sicher, dass Milch und Milchprodukte auch zukünftig nicht nur den Erwartungen der Konsumenten, sondern auch den internationalen Standards entsprechen“, erklärte Mutenthaler-Sipek. Bekanntlich forderte der deutsche Lebensmittelhandel (als wichtigster Exportpartner) auch von Österreichs Molkereien Milchprodukte gemäß der Stufen 2 und 3 der deutschen „Initiative Tierwohl“. Dies sei mit „Tierhaltung plus“ nun gelungen. Die Deutschen honorierten das Zusatzsiegel immerhin mit Stufe 2. „Wir sind stolz, gemeinsam mit der gesamten Branche dieses Breitenprogramm mit einer sehr großen Hebelwirkung in Umsetzung gebracht zu haben“, so die AMA-Marketing-Chefin. „Wir haben uns im Käsesegment international einen Namen gemacht. Diesen Markt gilt es zu bedienen“, ergänzte Prokurist Martin Greßl. Immerhin wurden im Vorjahr Milch und Milchprodukte im Wert von rund 836 Mio. Euro nach Deutschland geliefert, der Löwenanteil davon Käse für gut 503 Mio. Euro.
Greßl: „Nun zählt nicht nur mehr Fett- und Eiweißgehalt sowie die Zellzahl, sondern eben auch Tierwohl.“
Stand Ende August seien 13.148 Milchviehbetriebe beim Zusatzmodul an Bord. „Das sind mehr als 80 Prozent aller Gütesiegel- Milchviehbetriebe“, wurde angemerkt. Gefragt nach der Kritik vieler Bauern, wonach ihr Beitritt bei den Molkereien de facto verpflichtend war, um weiter Milch an diese liefern zu dürfen, antwortete Mutenthaler-Sipek: „Für uns als AMA-Marketing bleiben die Programme freiwillig.“ Positiv zu werten sei laut Greßl, das namhafte Molkereien mittlerweile Zuschläge bezahlen: „Nun zählt nicht nur mehr Fett- und Eiweißgehalt sowie die Zellzahl, sondern eben auch Tierwohl.“ Als Paradebeispiel führte er die Heumilch ins Treffen, bei der Bauern für ihren Mehraufwand auch höhere Preise erlösen. Dass die Tierwohl- Zuschläge aber noch „Luft nach oben haben“, räumte auch Gressl ein. Trotzdem gab er sich überzeugt: „Wenn wir unsere bäuerlichen Strukturen und unsere Landschaft erhalten wollen, gilt es Partnerschaften wie diese zu schmieden und weiter auszubauen.“
6.600 Ackerbauern mit an Bord
Ein weiteres Beispiel für eine solche Partnerschaft sei auch das heuer angelaufene AMA-Gütesiegel für Brot und Backwaren. „Hier wurden schon bei der Entwicklung alle Stufen der Wertschöpfungskette eingebunden“, sagte Greßl. Die erste Stufe, jene der Bauern, habe man „bewusst größer gedacht“ und die Gütesiegel- Richtlinie entsprechend „Ackerfrüchte“ getauft. Bei der heurigen Ernte waren bereits 6.600 Ackerbauern angemeldet. Damit stehen in diesen Tagen bereits 400.000 Tonnen Weizen von etwa 73.000 Hektar für die Verarbeitung zur Verfügung. „Die Anmeldung für 2025 ist schon wieder möglich“, wurde angemerkt. Eine Erweiterung des Siegels auf andere Ackerkulturen steht Martin Greßl zur Folge ebenso schon im Raum: „Strategische Gespräche diesbezüglich laufen bereits.“
Die zweite und dritte Stufe des neuen Siegels bilden logischerweise Agrarhandel und Mühlen. Hier konnten 61 Teilnehmer gewonnen werden, darunter 15 Mühlen und 46 Händler. „Die zehn größten Mühlen im Land sind dabei“, so Greßl stolz. Weitere zehn Unternehmen seien derzeit im Aufnahmeverfahren. Für alle Angemeldeten galten zur heurigen Ernte bereits die Auflagen der Richtlinie. So muss eine räumlich getrennte Lagerung sichergestellt werden und monatlich ist eine Meldung über die Lagerstände abzugeben. Die finale Stufe der Wertschöpfungskette beziehungsweise des neuen Gütesiegels bilden naturgemäß Bäckereien, Verarbeiter und Lebensmitteleinzelhandel. Die für sie erarbeitet Richtlinie liegt aktuell bei der EU-Kommission zur Notifizierung auf.
Heuer 5.600 Kontrollen mehr
Kehrseite der Medaille ist aus bäuerlicher Sicht die mit den neuen Gütezeichen einhergehende, steigende Kontrollintensität. 2023 wurden 22.400 Betriebe durch externe Kontrolleure untersucht. Weiters fanden 1.179 unangekündigte Kontrollen („Spotaudits“) statt. Wegen der Umstellung des Kontrollintervalls im Milchviehbereich auf jährliche Kontrollen werden die Kontrollen heuer auf rund 28.000 steigen, wurde angekündigt. Erfreulich laut Mutenthaler: „Wir haben die Ergebnisse der unangekündigten Spotaudits mit jenen der kurzfristig vorangekündigten Routinekontrollen verglichen und keine signifikanten Unterschiede festgestellt.“ Das zeige, rund 90 Prozent der Betriebe arbeiteten im Vorjahr „einwandfrei“. Von einer – weiteren – Erhöhung der unangekündigten Kontrollen werde man daher absehen. Zur Prävention von Beanstandungen will man demnächst wieder kostenloste Webinare und Vorträge für die Gütesiegel-Bauern anbieten.
Personell neu aufgestellt
Um den neuen Anforderungen gewachsen zu sein, stellte man sich im Qualitätsmanagement übrigens neu auf. Prokurist Martin Greßl verantwortet nunmehr die Qualitätsstrategie der Programme, die Geschäftsfeldentwicklung und das neue Wissensmanagement. Seit Ende 2023 neu im Team ist Georg Leitner. Er kümmert sich nun um die Weiterentwicklung des Kontrollsystems.
- Bildquellen -
- Martin Greßl und Georg Leitner: AMA-Marketing
- Kontrolle Milchviehstall: agrarfoto.com