Osttiroler Schafbauer von Tierschützern angezeigt

Die Organisation Tierschutz Austria will rechtlich gegen einen Osttiroler Schafbauern vorgehen. Grund dafür: Er habe seine Schafe auf der Alm trotz Wissen um Wolfspräsenz nicht ausreichend geschützt. Landwirtschaftliche Politiker und Interessensvertretung stärken dem Bauern den Rücken.

Von 231 aufgetriebenen Schafen kamen nur mehr 205 Stück nach dem verfrühten Almabtrieb Mitte August in den Stall.

Dieser Sommer verlief für den Osttiroler Schafbauern Paul Lugger nicht wie gewünscht. Am Tag vor Mariä Himmelfahrt wurde er benachrichtigt, dass auf der Kerschbaumer Alm in Amlach (Bezirk Lienz) zwei Schafe tot aufgefunden wurden. Noch am selben Tag machte man sich auf den Weg in die Lienzer Dolomiten – und fand noch weitere gerissene Tiere. Die Amtstierärztin bestätigte, dass das Rissbild dem eines Wolfes entspricht. Nach einem heftigen Wettereinbruch holten er und die anderen beiden Almauftreiber ihre Schafe wieder umgehend in den Stall. Die Bilanz: Von 231 aufgetriebenen Tieren wurden 26 Stück teilweise nachgewiesenermaßen von einem Wolf gerissen, teilweise vermisst. Für den Schadwolf wurde bereits eine Abschussverordnung des Landes Tirol erlassen.

Anzeige durch Tierschutzorganisation

Der frühe Almabtrieb und der Verlust seiner Tiere trafen den Nebenerwerbslandwirt schwer. Zusätzlich will nun die Organisation Tierschutz Austria an ihm „ein Exempel statuieren“, wie die Juristin Michaela Lehner gegenüber der Tiroler Tageszeitung (Ausgabe vom 23. August 2024) meinte – und erstattet Anzeige. Zwar wolle der Tierschutzverein den Bauern laut eigener Aussage nicht in Bedrängnis bringen, dennoch solle so gegen die Abschussverordnungen des Landes Tirol vorgegangen werden. Vorgeworfen werde dem Bauern laut Bericht, dass er das Tierschutzgesetz verletzt habe.

Herdenschutz auf Alm nicht machbar

Im Gespräch mit der Bauernzeitung entgegnet der Osttiroler Schafbauer auf den Vorwurf: „Wir haben die Tiere von der Alm geholt, so bald es nur ging.“ Schon seit 20 Jahren treibt die Bauernfamilie ihre Schafe auf die Kerschbaumer Alm. „Bisher hatten wir noch nie Probleme.“ Durch die gebirgige Lage, steinig und voller Latschen, seien die Weiden der Schafe natürlich durch Fels eingegrenzt. „Daher ist uns bisher noch kein Vieh ausgekommen“, erzählt Paul Lugger. Die Kerschbaumer Alm könne auch nur durch Schafe bestoßen werden, Rinder wären für die Gebirgslage nicht geeignet.

Herdenschutzmaßnahmen auf der Alm seien aufgrund der Topographie und der Rentabilität nicht machbar. Das bestätigte dem leidenschaftlichen Bauern vor Beginn des Almsommers sogar ein Gutachter des Landes Tirol. Zur Anzeige der Organisation Tierschutz Austria könne der Nebenerwerbsbauer noch nichts sagen: „Ich selbst habe sie nämlich noch nicht zu Gesicht bekommen, sondern nur durch die Medien von der Anzeige erfahren.“

Die bäuerliche Interessensvertretung kündigte an, den betroffenen Bauern im Umgang mit der Anzeige vollumfänglich unterstützen zu wollen.

„Keine Ahnung von der harten Arbeit unserer Almbauern“

Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig, der selbst auf einem Bauernhof in Osttirol aufgewachsen ist, stellt sich hinter die Praxis der Almwirtschafter: „Dass eine NGO aus Wien einen Bauern in Osttirol anzeigt, macht mich fassungslos. Dass zeigt, dass sie keine Ahnung von der Realität und der harten Arbeit unserer Almbauern haben. Die Abschussverordnungen der Bundesländer haben sich bewährt und wir werden diesen Weg konsequent weitergehen. Ich kämpfe weiterhin dafür, dass der Schutzstatus gesenkt wird. Der Wolf ist keine gefährdete Tierart und gehört reguliert wie jede andere Wildart auch.“

„Fleißiger Schafbauer wird zum Sündenbock“

Landtagsabgeordneter Martin Mayerl aus Osttirol zeigt sich über die Anzeige erschüttert: „Aus einem fleißigen Schafbauern einen Sündenbock zu machen – das zeigt nicht nur die Geringschätzung gegenüber der Alm- und Landwirtschaft, sondern auch Empathielosigkeit gegenüber dem betroffenen Bauern.“ Der Osttiroler Bezirksbauernobmann betont: „Die mutwillige Aktion attackiert ohne Sachverstand einen Einzelnen, um eine realitätsferne Ideologie durchzuboxen, – ein Armutszeugnis, denn mit Tierschutz hat das nichts zu tun.“

„An felsigem Boden ändern auch EU-Mittel nichts“

Landwirtschaftskammerpräsident NR Josef Hechenberger: „Offenbar fehlt den Zuständigen bei Tierschutz Austria der Realitätsbezug. Diese Anzeige ist für mich aus mehrfacher Sicht absolut nicht nachvollziehbar: Zum einen finde ich es befremdlich, Interpretationen rechtlicher Rahmenbedingungen auf dem Rücken eines Einzelnen auszutragen, zum anderen vermisse ich jegliche Sachlichkeit, die ja von der Landwirtschaft bei diesem Thema immer wieder eingefordert wird. Daran, dass ich auf felsigen Boden keinen Zaun aufstellen kann, ändern auch mehr EU-Mittel nichts, das wurde im konkreten Fall auch vom Wolfsbeauftragten des Landes bestätigt. Ein Management von Großraubtieren, die nicht mehr vom Aussterben bedroht sind, muss möglich sein, wenn wir unsere Almen auch in Zukunft erhalten wollen.“

„Bauernfamilie hat unsere vollste Unterstützung“

Bauernbundobmann LH-Stv. Josef Geisler: „Die Anzeige von Tierschutz Austria ist ein Affront gegen die gesamte Almwirtschaft und zeugt von grober Unwissenheit. Herdenschutz im hochalpinen Raum hat Grenzen. Davor verschließen die Tierschutzorganisationen aus dem Flachland kategorisch ihre Augen. Deshalb werden wir mit vereinten Kräften weiter für die gezielte Regulierung der Wolfspopulation eintreten und Schad- und Risikowölfe in Tirol gemäß der geltenden gesetzlichen Bedingungen zum Abschuss freigeben. Die von der Anzeige betroffene Bauernfamilie, die die Schafe und die Alm bestens betreut, hat unsere vollste Unterstützung.“ 

Bereits im Juli zeigte Tierschutz Austria unter anderem LH Anton Mattle und seine Stellvertreter Josef Geisler wegen Amtsmissbrauchs in Sachen Wolf an. Schon dieser Anzeige blickte Geisler gelassen entgegen: „Die Abschussverordnungen haben sich bewährt, und diesen Weg werden wir konsequent weitergehen. Unsere Verordnungen sind Einzelfallentscheidungen, die auf sauberen Rechtsgrundlagen und Fachgutachten basieren und die Besonderheiten unserer Almwirtschaft berücksichtigen.“

Es gäbe einen klaren Prüfmaßstab, nach denen die Abschussverordnungen entschieden würden: „Wir haben klar definiert, was ein Risiko- oder ein Schadwolf ist. Außerdem haben wir alle Tiroler Almen nach einem österreichweit gültigen, von Fachleuten erarbeiteten Kriterienkatalog als Alpschutzgebiete ausgewiesen. In diesen Gebieten ist Herdenschutz nicht zumutbar, verhältnismäßig oder machbar. Es gibt dort also keine gelinderen Mittel als den Abschuss von Wölfen, die erheblichen Schaden anrichten.“

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