Schweden und Österreich verbindet in Sachen Landwirtschaft und Politik vieles. Beide Länder sind von einem hohen Waldanteil geprägt, beide traten im Jahr 1995 der Europäischen Union bei und verfügen über eine Bevölkerung mit entsprechender Kaufkraft samt hoher Nachfrage nach Bio-Produkten. Rund 12 Prozent des durchschnittlichen Netto-Haushaltseinkommens von rund 26.700 Euro pro Jahr wendeten die Schweden 2022 für Lebensmitteleinkäufe auf. Knapp 9 Prozent der Waren landeten in Bio-Qualität im Einkaufswagen. Wie auch in Österreich wird mit dem Gütesiegel „Från Sverige“ („Aus Schweden“) im Supermarktregal inländische Qualität explizit ausgewiesen. „Unsere Konsumenten wissen: Schwedische Produkte haben ihren Preis, aber der hat auch seinen Grund“, erklärte etwa die vormalige schwedische Landwirtschaftsministerin Jennie Nilsson in einem Interview mit agrarheute.com.
Nicht zuletzt eint beide Länder die Spitzenplatzierung im 2020 erhobenen „Animal Protection Index“ der gleichnamigen internationalen Tierschutzorganisation. Damals wurden beide EU-Staaten unter 50 Nationen als „Vorreiter in Sachen Tierschutz und Tierwohl“ ausgezeichnet.
Keine Vollspalten und verpflichtende Einstreu
Dabei sind in Schweden viele (hierzulande heiß diskutierte) tierschutzrechtliche Auflagen in der Nutztierhaltung längst Realität. Besonders hart traf es hier die Schweinebranche. Für Schwedens Schweinebauern gilt unter anderem ein absolutes Kupierverbot. Auch Vollspaltenböden sind unzulässig, Einstreu ist Pflicht. Ebenso hat die Regierung in Stockholm die Verwendung von Ferkelschutzkörben längst untersagt, nur freie Abferkelung ist zulässig. Zum Schutz bleiben den Sauenhaltern lediglich Abweiser an den Wänden, laut agrarheute.com liegen die Ferkelverluste im Landesschnitt bei 16 bis 18 Prozent.
Die Schweineproduktion geriet bereits mit dem EU-Beitritt vor bald 30 Jahren ins Straucheln. Wegen deutlich höherer Produktionskosten im hohen Norden brachen die Schweinebestände binnen weniger Jahre ein. Lag der Selbstversorgungsgrad mit Schweinefleisch 1988 noch bei 110 Prozent, fiel dieser bis 2014 stetig auf 70 Prozent oder 230.000 Tonnen. Seither erholt sich die Branche nur langsam, trotz entsprechender Auslobung im Handel. Derzeit liegt der Selbstversorgungsgrad bei 83 Prozent.
Strukturwandel beim Milchvieh
Auch die schwedische Milchproduktion hatte seit jeher mit den geografischen Gegebenheiten zu kämpfen. Die dünne Besiedelung im waldreichen Norden bedingt seit jeher eine Konzentration der Milchproduktion im Süden des Landes. Im sogenannten „schwedischen Milchgürtel“ werden laut Angaben des Branchenverbandes „Dairy Sweden“ auf einem Fünftel der Landesfläche 70 Prozent der Milch erzeugt. Auch in der Rinderhaltung setzt Stockholm schon geraume Zeit auf höchste Tierwohlstandards. So müssen alle Rinder, in konventioneller wie auch in Bio-Haltung, 120 Tage pro Jahr auf die Weide. Dies gilt auch für Betriebe mit Laufställen. Für Kühe ist eine tägliche Weidedauer von zumindest sechs Stunden vorgeschrieben.
Vollerwerbsbetriebe zumeist pensionsreif
Die Milchbauern reagierten darauf mit massiven Effizienzbestrebungen und einer High-Input-Strategie. Lange Zeit war das Land Spitzenreiter beim Herdendurchschnitt. Kleinere Höfe hielten dem Druck nicht stand und gaben auf. Seit dem EU-Beitritt schlossen von einst 40.660 Milchbauern rund 37.900 oder 93 Prozent für immer ihre Ställe. Nur rund 2.700 Betriebe blieben übrig. Der Viehbestand verringerte sich indes „nur“ um 55 Prozent. Hielt ein Bauer 1982 im Schnitt noch 16 Rinder, so waren es zuletzt 106. Der Selbstversorgungsgrad bei Milchprodukten liegt mittlerweile bei gerade mal 70 Prozent. Eine nicht minder besorgniserregende Tendenz zeigt auch die Demografie unter der Bauernschaft. Nur knapp ein Viertel der Höfe wird noch im Vollerwerb geführt und das von zumeist über 64-Jährigen im Pensionsalter.
Der Abwärtstrend macht selbst vor der gemeinhin forcierten Bio-Branche nicht halt. Die Landwirtschaftsbehörde „Jordbruksverket“ verzeichnete 2023 einen Rückgang über alle Nutztierkategorien hinweg. Die Bio- Schweinehaltung brach gar um 11 Prozent auf nur noch 33.400 Tiere ein. Mittlerweile wird die Hälfte aller in Schweden verbrauchten Lebensmittel importiert. Mit einem lachenden Auge für Deutschland (trotz teils deutlich geringerer Produktionsstandards), für das Schweden vermehrt ein Absatzmarkt wurde.
Die BauernZeitung wird in den kommenden Wochen auch noch andere EU-Länder unter die Lupe nehmen und berichten, wo deren Bäuerinnen und Bauern der Schuh drückt.
- Bildquellen -
- Läufer: ALLEVAD - STOCK.ADOBE.COM
- Kühe auf der Weide, Schweden: CHRISTIAN42 - STOCK.ADOBE.COM