Direktsaat – im Bild eine Maisaussaat – macht Hackkulturen zu Humusmehrern.

Carbon Removal Certifikation Framework, so lautet der sperrige Titel, unter dem die EU-Kommission ein neues grünes Geschäftsmodell etablieren will. Die Verhandlungen über eine entsprechende EU-Verordnung sind bereits weit gediehen, binnen Jahresfrist könnte der Rechtstext vorliegen, das berichtete Nora Mitterböck vom Umwelt- und Klimaschutzministerium bei der AGES-Akademie zum Thema „Carbon Farming – wofür und für wen“.

Wer CO2 bindet, kann Zertifikate verkaufen

Ziel ist, dass über Carbon- Farming-Methoden in natürlichen Senken (mineralische Böden, Wald und Moore) gespeicherter Kohlenstoff zertifizierbar wird. Unternehmen, die CO2-Zertifikate benötigen, können diese dann etwa von Landwirten kaufen, womit zusätzliches privates Geld in die Landwirtschaft fließen könnte, so Mitterböck. Der Verordnungstext mit den Grundprinzipien liege bereits zur finalen Beschlussfassung durch das EU-Parlament vor. Derzeit arbeite eine Expertengruppe die technischen Details aus. Die Verordnung kann rasch wirksam werden, weil sie direkt wirksam ist und nicht in nationales Recht umgesetzt werden muss.

Vorratsänderung mehrjährig messen

Anhand welcher Indikatoren man in Carbon-Farming- Systemen die Kohlenstoffspeicherung messen kann, darüber berichtete Kerstin Michel vom Bundesforschungszentrum für Wald. Da die Messmethoden zur Ermittlung des organischen Boden-Kohlenstoffs in den einzelnen EU-Ländern bisher unterschiedlich und die Ergebnisse nicht vergleichbar sind, wurde unter Beteiligung von 16 Mitgliedstaaten ein internationales Projekt gestartet zur Festlegung einer einheitlichen Vorgangsweise. Das Projekt läuft unter dem Titel Serena und soll noch heuer abgeschlossen werden. Ziel sind vergleichbare Ergebnisse der Gehalte an organischem Boden-Kohlenstoff, auf Englisch „Soil Organic Carbon“ oder kurz SOC. Von Interesse für die Praxis ist, dass in dem Forschungsprojekt neben dem Verlust an SOC auch Bodenerosion, Verdichtung und Versiegelung als wichtige Bodengefährdungen einbezogen werden.

Als beste Messgröße zur Beurteilung des Carbon Farming haben die Forscher den Vorrat oder die Vorratsänderung an SOC (in Kilogramm pro Hektar) im Abstand von mehreren Jahren erkannt. Ein alternativer Indikator wäre auch der SOC-Gehalt (in Gramm pro Kilogramm Boden). Vorteilhaft ist dessen gute Messbarkeit, allerdings kann hier aber die Problematik der Lagerungsdichte zu Fehlinterpretationen führen. Denn rein von der Messung her weist stärker verdichteter Boden (etwa bei No Till) höhere SOC-Gehalte auf als lockerer, gepflügter Boden.

Damit die SOC-Messung vergleichbare Ergebnisse liefert, verständigt man sich nun auf eine international einheitliche, normierte Messmethode des SOC-Vorrats unter Einbeziehung der Lagerungsdichte. Offene Fragen sind noch, wie viele Tiefenstufen gemessen werden sollen und die hohe räumliche Variabilität der Probenergebnisse. Um zuverlässige Messergebnisse zu erzielen, seien laut Kerstin Michel lange Vergleichszeiträume erforderlich, sprich: „Eher zehn Jahre als fünf Jahre Beobachtungszeitraum“.

Ein Pro-Argument für No Till

Hans Gnauer vom Verein Boden.Leben stellte in einem Diskussionbeitrag zur Problematik Bodenverdichtung fest, dass in einem Praxisversuch in der Schweiz („Regenerativ Schweiz“) die Verfahren No Till und Pflug über einen Zeitraum von mittlerweile 30 Jahren verglichen wurde. Bei No Till habe sich zunächst erwartungsgemäß ein Anwachsen des A-Horizonts gezeigt. Überraschend war allerdings, dass sich längerfristig auch eine SOC-Anreicherung im Unterboden gezeigt hat. Dies sei auf das Phänomen des „Liquid Carbon Pathways“ zurückzuführen. Die Ergebnisse des Versuchs seien gut dokumentiert, so Gnauer.

Heimische Bauern sind Humusmehrer

Laut Sophie Zechmeister- Boltenstern von der BOKUBodenforschung praktizieren viele Bauern in Österreich bereits die drei relevantesten Maßnahmen zum Aufbau oder Erhalt von Humus, der ja etwa zur Hälfte aus Kohlenstoff besteht. Konkret nannte sie:

• den Anbau von Zwischenfrüchten (teils mit Luzerne, teils mit Leguminosen),
• das Ausbringen von organischem Material (Gülle, Grünschnittkompost, Ernterückstände) 
• angepasste Bodenbearbeitung (reduzierte oder minimale Bodenbearbeitung, Direktsaat wie auch tiefes Pflügen zum Verfrachten von Humus in tiefere Bodenschichten).

Bei vielen dieser Maßnahmen steht für die Bauern weniger die Kohlenstoffanreicherung im Vordergrund. Ziel ist häufiger, durch Verbesserung oder Stabilisierung des Humusgehalts die Bodenfruchtbarkeit zu fördern und etwa auch das Wasserhaltevermögen zu verbessern oder Verdunstung zu verhindern. Was die Erlöse aus Zertfikatehandel betrifft, so berichtete Andreas Baumgarten von der AGES über aktive Projekte (Humus Plus, Zukunft Erde, Carbon by Indigo, CarboCert). Größter Problembereich sei die Messbarkeit. Gewarnt hat ein Diskussionsteilnehmer „vor Zwangsmaßnahmen zur Durchsetzung eines Kohlenstoffregimes in den Böden“ samt neuer Kontrollen und Bürokratie. Die Frustrationstoleranz vieler Bauern bezüglich neuer Bürokratie sei nämlich erschöpft.

www.soilevolution.com

- Bildquellen -

  • Direktsaat: agrarfoto.com
- Werbung -
AUTORHans Maad
Vorheriger ArtikelBei der Tierhaltung fahren die Bauern im Retourgang
Nächster ArtikelAgrar-Terminmarkt (22. März ’24) / Raus aus dem langfristigen Abwärtstrend