BZ: In den nächsten Jahren erreichen in Tirol viele Nutztierpraktiker das Pensionsalter. Welche Maßnahmen wurden aufgrund des Generationenwechsels gesetzt und wie wirksam sind diese bereits?
KÖSSLER: Eine sehr sinnvolle Maßnahme ist meiner Meinung nach die Summer School „VetINNSights“ an der HBLFA Tirol und der LLA Rotholz. Das Angebot wird seit Bestehen immer gut angenommen und richtet sich vorrangig an interessierte Schülerinnen und Schüler im Alter von 16 bis 19 Jahren. Gemeinsam mit der Veterinärmedizinischen Universität Wien wird innerhalb von vier Tagen ein realistischer Einblick in das Studium und Berufsbild eines Tierarztes vermittelt. Neben Hinweisen und Tipps zum Eignungstest sind praktische Übungen sowie Besichtigungen von Besamungsanstalt, den Ställen in Rotholz bis über einen Besuch der AGES Tirol eingeplant.
Die Summer School ist auch als Filter gedacht, um die Dropout-Rate zu senken. Immerhin ist das veterinärmedizinische Studium eines der längsten und aufwendigsten Studien, an dessen Ende dann ein fordernder Beruf steht. Die erste Hürde stellt bereits die erfolgreiche Absolvierung einer Aufnahmeprüfung dar. Reines Interesse reicht da nicht aus, eine gute Portion Hingabe gehört dazu. Für junge Menschen bleibt Veterinärmediziner aber nach wie vor ein attraktiver Beruf, der frei und abwechslungsreich ist und das gesamte Gebiet der Medizin abdeckt.
Ein weiterer Meilenstein ist die vom Land Tirol eingerichtete Stiftungsprofessur „Wiederkäuermedizin im Alpenraum“ unter der Leitung von Professor Lorenz Khol.
Welche Herausforderungen gibt es neben dem Ärztemangel?
Grundsätzlich besteht nicht per se ein Mangel an Tierärzten. Als problematisch erachte ich die zunehmende Spezialisierung auf ein bestimmtes Fachgebiet. Veterinärmediziner sollten vielseitig ausgebildet sein und die Palette von Nutz- bis Kleintieren möglichst abdecken. Für das Erlernen dieses Berufes erhält man von der Gesellschaft eine teure Ausbildung, da sehe ich schon die Verantwortung, dann auch eine möglichst breite Versorgung zu gewährleisten. In der heutigen Zeit kommt noch eine veränderte Einstellung zu Leben und Arbeit dazu, in der ein Angestelltenverhältnis mehr Sicherheit bedeutet als eine freiberufliche Tätigkeit.
Der Beruf wird zunehmend weiblicher. 93 Prozent der Studenten in Europa sind mittlerweile Frauen. Das hat einige Vorteile, denn Mütter haben meiner Meinung nach oft eine ganzheitlichere Sicht auf den Beruf. Es bedeutet aber auch, dass der Wiedereinstieg nach der Familienplanung deutlich schwieriger ist. Hier sollten die Hürden gesenkt werden.
Wie hat sich das Berufsbild des Nutztierarztes in den letzten Jahren verändert?
Das hängt immer eng mit der Betriebsgröße zusammen. In Tirol werden landwirtschaftliche Betriebe zu etwa 90 Prozent im Nebenerwerb geführt, das ist meist mit kleinen Vieheinheiten verbunden. Früher übernahm ein Tierarzt vielfältige Aufgaben, von Besamung über Geburten bis hin zur Notversorgung. Heute kommen auf weniger Bauern gleich viele Tiere, und Landwirte erledigen einen Teil der Aufgaben bereits selbst. Weiters sorgt die Almbewirtschaftung für eine spezielle Struktur in Tirol, denn im Winter wirtschaftet man individuell auf kleinen, aber modernen Betrieben zu Hause, im Sommer gemeinsam auf der Alm.
Der hohe Anteil an Nebenerwerbsbauern macht es erforderlich, dass Nutztierärzte auch außerhalb der „normalen“ Arbeitszeiten verfügbar sind – das entspricht oft nicht der heutigen Auffassung von Work-Life-Balance. Ich mache mir aber keine Sorgen, dass die tierärztliche Versorgung in Tirol zukünftig nicht sichergestellt ist. Viele der jungen Menschen, mit denen ich zu tun habe, haben eine sehr gute Einstellung zum Beruf und sind bereit, etwas zu leisten. Solange wir die Fehler der Vergangenheit nicht wiederholen, können wir berechtigt optimistisch für die Zukunft sein.
- Bildquellen -
- Kössler Josef 1 CLand Tirol: Land Tirol