Eine Recherche der Onlineplattform oekoreich sorgte vergangene Woche für Furore. Demnach findet sich im österreichischen Lebensmitteleinzelhandel – allen voran beim Branchenprimus Spar – auch importiertes Putenfleisch von Tieren, denen am Tag des Schlüpfens die Zehen mittels Mikrowellen-Technologie gekürzt werden. Das sogenannte Toe Trimming ist weltweit in der Putenproduktion gängige Praxis, auch innerhalb der Europäischen Union. Dabei handelt es sich jedoch um keine medizinische Notwendigkeit, wie ein anonymer Brancheninsider oekoreich mitteilt. Es sei eine vorbeugende Maßnahme, damit sich die Puten bei (zu) hohen Besatzdichten nicht gegenseitig zerkratzen und so die Qualität der Schlachtkörper und damit die Verkaufserlöse mindern. Allerdings haben mehrere wissenschaftliche Untersuchungen längst festgestellt, dass die Putenküken in den ersten Tagen nach dem Eingriff unter Schmerzen leiden. So zeigen sie etwa weniger aktives Verhalten und geringere Futteraufnahme.
Methode in Österreich verboten
Toe Trimming wird oekoreich- Angaben zufolge auch beim Spar-Zulieferer AIA praktiziert. Der italienische Konzern „Agricola Italiana Alimentare“ hatte schon vor zwei Jahren mit Tierrechtsverstößen in der Hühnermast öffentliche Aufmerksamkeit erregt.
Bei der Pute agiere man aber im Einklang mit italienischem und EU-Recht, teilt AIA auf oekoreich-Nachfrage mit. Damit liegt das auffällig rot-weiß verpackte italienische Putenfleisch gemäß der Regeln des freien EU-Warenverkehrs hierzulande legal im Frischfleischregal. Der Geflügelwirtschaft Österreich stößt das sauer auf. Deren Obmann Markus Lukas dazu: „Würden die Puten bei uns so gehalten, wäre das ein gravierender Verstoß gegen geltende Tierschutzbestimmungen und strafbar.“
Da man in Österreich bis zu 70 Prozent mehr Platz anbiete als in anderen EU-Ländern, seien derartige Eingriffe hierzulande aber auch nicht notwendig. „Toe Trimming ist unethisch und die perverse Konsequenz einer viel zu dichten Haltung. Wir wollen und brauchen so etwas bei uns nicht“, macht Lukas keinen Hehl aus seiner Meinung zum Zehen kürzen. Nebst der Desinformation der Konsumenten bringen derartige Praktiken und der damit einhergehende Preisdruck am heimischen Markt die Erzeuger in die Bredouille. „Es kann nicht sein, dass wir hochwertigstes Putenfleisch produzieren, das wir dann ins Ausland exportieren müssen, weil es bei uns keine Nachfrage dafür gibt“, so Branchenvertreter Lukas.
Drei-Punkte-Plan gegen “Tierqual-Pute”
Gemeinsam mit dem Bauernbund und der ARGE Pute hat man den Verantwortlichen in Politik und Handel deshalb einen Drei-Punkte-Plan zur Stärkung der heimischen Produktion vorgelegt. Bauernbund- Präsident Georg Strasser sieht in erster Konsequenz Brüssel am Zug: „Wir fordern ein EU-weites Verbot des tierquälerischen Toe Trimmings und eine generelle Angleichung der Haltungsstandards.“ Auf nationaler Ebene brauche es außerdem mehr finanzielle Mittel und wirksame Vorgaben im Aktionsplan für eine nachhaltige öffentliche Beschaffung. Vor allem sei aber nun der Handel gefordert. Produkte, die unter derartigen Bedingungen hergestellt wurden, seien sofort auszulisten, teilt man mit. „Es kann nicht sein, dass die ausländische Tierqual-Pute im Regal direkt neben der österreichischen Qualitätspute liegt“, so die Bauernvertreter unisono.
- Bildquellen -
- Putenküken: oekoreich/farmsanctuary.org
- Putenmast, international: BUDIMIR JEVTIC - STOCK.ADOBE.COM